»Jeder Hofgesessene sollte glauben, die öffentlichen Anstalten würden auch seinem Urteil vorgelegt« Geistiger Aufbruch im Osnabrückischen Intelligenzblatt (original) (raw)
1997, Sturm und Drang. Geistiger Aufbruch 1770-1790 im Spiegel der Literatur. Hg. von Bodo Plachta und Winfried Woesler
Die Intelligenzblätter des 18. Jahrhunderts, die sich in engem Zusammenhang mit den städtischen oder territorialen Gewalten des alten Reiches erfolgreich etablieren konnten, noch bevor ein wirtschaftlich tragfähiger literarischpublizistischer Markt entstanden war, gelten bis in die jüngste Zeit als Forschungslücke im Rahmen der Fragestellungen einer historisch orientierten Kommunikationswissenschaft. Als ein »Medium praktischer Aufklärung« erkannt, sind seither einzelne dieser Periodika und der hier konstatierte »Diskurs des Wissens« zum Thema gemacht worden. 1 Von der Seite der historischen Medien-oder Kommunikationsforschung gesehen-im Blick geschärft seit Jürgen Habermas' 1962 erschienenen Werk Strukturwandel der Öffentlichkeit-führt an der Kraft des Faktischen dieses publizistischen Genres kaum ein Weg vorbei: Die Intelligenzblätter, oder das ›Intelligenz-wesen‹, wie der dafür eingerichtete Apparat, bestehend aus festem Büro, Redaktion, Anzeigenannahme, Abonnementswesen und Rechnungsführung, genannt wurde-dieses Intelligenzwesen ist mit der Vielzahl der Gründungen und der Verbreitung über die Territorien des Reiches von solchem publizistischen Gewicht, daß es naheliegt, hier einen Schauplatz »geistigen Aufbruchs« in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu suchen. 2 Schon die formelle Seite der Verbreitung der Intelligenzblätter ist beeindruckend: Was heute höchstrichterlich-verfassungsmäßig die »mediale Grundversorgung« heißt, setzen seit 1750 in einem Zeitraum von etwa drei Jahrzehnten zum ersten Mal die z.T. mehrfach wöchentlich erscheinenden Intelligenzblätter durch. Erst das 20. Jahrhundert sieht mit der Ubiquität von Rundfunk und Fernsehen auf anderer Entwicklungsstufe ähnlich Neues. Die größte Häufung von Intelligenzblatt-Gründungen in den 6oer Jahren des 18. Jahrhunderts ist mit wirtschaftlichen und politischen Krisenerscheinungen nach dem Siebenjährigen Krieg erklärt worden; von 1760 bis 1780 sind insgesamt 60 neuerscheinende Periodika dieser Art bekannt. 3 Mit der flächendeckenden Verbreitung der Blätter ist eine bis dahin unerreichte Ausdehnung des Adressatenkreises für periodisches Schrifttum, hinein in neue Publikumsschichten, verbunden, die vordem eher an der (Wiederholungs-)Lektüre von Katechismen und Kalendern orientiert waren.