PROvisorischeTHESEN: Intellektuelle Bastelei an einer Erkenntnisprothese: "Vorerst geht das so!" (original) (raw)

Zu den Dingen selbst! "Wir finden im Ding zwar nicht, was wir suchen, aber wie wir suchen. Die Entdeckungen, die wir am Ding machen können, überraschen das Ding, auf eine Weise, welche aus uns kommt. Also sind es Entdeckungen sowohl am Ding wie an uns selber." 1 Wie geht man mit Dingen um? Man be-greift sie, man hand-habt sie -man tut es einfach. Wie geht man mit Dingen im geistes-und kulturwissenschaftlichen Diskurs um? Das ist eine viel kompliziertere Frage. Nachdem der vielzitierte material turn in den Kulturwissenschaften den Fokus auf die Dinge und deren Materialität gesetzt und damit für Furore gesorgt hat, bemühen sich die Verteter_innen unterschiedlichster Disziplinen um einen partnerschaftlichen Dialog mit den Dingen. Die Sprache der Dinge soll dechiffriert werden, ihr Code entschlüsselt -das füllt zumindest die Überschriften zahlreicher Essays und Symposien. Die Hoffnung auf eine Unmittelbarkeit, mit der die Dinge uns anzusprechen gewillt sind, ist zum Einen getragen von der Verunsicherung des zunehmenden Umgebenseins mit "Undingen" 2 , wie Vilém Flusser Informationen im digitalen Zeitalter bezeichnet. Zum Anderen ist es auch der Dominanz eines radikalen Sozialkonstruktivismus geschuldet, der die Dinge und deren Materialität offensichtlich aus den Augen verloren hat und nun eine Aufmerksamkeitsverschiebung Richtung Materialiät fordert. Diese soll jedoch nicht von einer naiven technikdeterministischen Perspektive aus folgen, sondern aus der Idee des Dialogs, in dem die Aufmerksamkeit weg von Subjekt und Objekt in deren performative Interaktion gelenkt wird. Diese kleine ideengeschichtliche Kontextualisierung als Prolog zu den anstehenden Gedanken kann zugleich als Vorwarnung gesehen werden -so ist es doch sehr verlockend, in die Rhetorik der aktuell gefeierten Ding-Euphorie miteinzustimmen, ohne sich eigentlich wirklich zu fragen: ' In den Dialog treten mit den Dingen' -Wie soll das eigentlich gehen? Wenn man diesen Ansatz ernst nehmen möchte -und genau dies soll hier geschehen -muss man sich also diesem 'wie' widmen, d.h. methodische Vorüberlegungen tätigen und sich dabei der Paradoxie bewusst sein, dass diese theoriegeschwängerter und dingferner wohl nicht sein könnten. Diese fast fatalistische Einschätzung soll aber nicht entmutigen, sondern eher in deren Bejahung -ganz nach Nietzsches amor fati -Raum geben zum freien Spiel. "Gefragt wird nicht, was Dinge bedeuten, sondern wie Dinge im Forschungsprozess zu deuten sind," 3 so die Kulturwissenschaflterin Gudrun König. Folgerichtig wäre demzuzufügen noch die Abb. 4: Provisorische Lagerung der Positiv-Modelle aus Gips zur Herstellung individueller Prothesenschafte.Bild und Abbild, Form und Inhalt, Maß und Material spielen im Anpassungsprozess, wie auch in der philosophischen Reflexion darüber eine große Rolle. Abb. 2: Die beeindruckende Vielfalt der Werkzeuge und Materialien und dem dafür notwendigen Wissen lässt die Komplexität des zu ersetzenden Gegenstands, hier der Körperteile, erahnen.