Das schwierige Verhältnis von Psychotherapie und Politik (original) (raw)
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Zum Verhältnis von Psychotherapie und Politik
Psychotherapie Forum, 2006
Therapeutinnen und Therapeuten aller Therapierichtungen, die einen emanzipatorischen Ansatz vertreten, die Menschen in ihrer Autonomie fördern, sie befähigen, sich in ihren Bedürfnissen wahrzunehmen und sich für diese individuell wie auch kollektiv einzusetzen, werden dieser Aussage zustimmen. Erhöhte personale und soziale Kompetenz strahlt aus, hat Wirkung in das soziale Umfeld, wirkt in dieses hinein und trägt dazu bei, dass sich dieses ändert. Damit hat Psychotherapie politische Auswirkung. Sie hat diese übrigens auch, wenn sie sich darum bemüht, Menschen dazu zu bringen, reibungsloser zu funktionieren in gegebenen Verhältnissen, sich anzupassen und abzufinden. In diesem Fall trägt sie weniger zur Veränderung bei, wohl aber zur Stabilisierung gesellschaftlicher Verhältnisse, was auch ein politischer Akt ist. Der politischen Dimension kann sich Psychotherapie nicht entziehen. Sie ist nie apolitisch. Nötig ist deshalb eine kritische Reflexion und Diskussion hierzu in der Form einer öffentlichen Debatte. Psychotherapie ist von Politik nicht zu trennen Vieles aus der Diskussion über die politische Dimension von Psychotherapie ist allgemein bekannt. Psychotherapie ist Teil des kulturellen, sozialen und politischen Feldes, dem wir alle angehören und in dem wir leben. Wir werden in diesem Feld, in bestimmten gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnissen, sozialisiert. Sie wirken auf uns ein, und wir wirken auf sie zurück, denn wir sind Teil dieses interaktiven wechselwirkenden Systems, dem wir angehören, sowohl als Privatpersonen wie auch als Psychotherapeut(inn)en. Auf dem Hintergrund der Feldtheorie, und aus systemischer Sicht betrachtet, ist es unmöglich, an politischem Handeln vorbeizukommen. Politik reguliert und gestaltet das öffentliche Leben und hat Einwirkung bis tief ins Persönliche. Der englische Gestalttherapeut Malcolm Parlett (1999, S. 290) formuliert dieses wechselwirkende Verhältnis aus feldtheoretischer Sicht wie folgt: "Wir schaffen die Systeme, unsere Systeme schaffen uns." Er erläutert weiter: "Im einheitlichen Feld gibt es immer wechselseitige Prozesse. Die Mitglieder von Systemen introjizieren, assimilieren, folgen widerwillig oder rebellieren aktiv gegen das, was das System anbietet-die Normen, Konventionen, Werte, Glaubenssätze, die Teil von
2018
Ausgehend von der Frage, ob Psychotherapie politisch werden muss, werden Forderungen an eine (weiter) zu entwickelnde Psychotherapie mit emanzipatorischer Stoßrichtung gestellt, und es wird begründet, warum Psychotherapie im Interesse ihrer Klient/innen kritisch werden muss, jedoch nicht im unmittelbaren Sinne politisch sein kann. In Bezug auf eine Bestimmung von »Politik« und in Auseinandersetzung mit den von Foucault inspirierten Thesen Angelika Grubners werden mögliche und unmögliche Aufgaben und Ziele von psychotherapeutischer Praxis aus Sicht der Kritischen Psychologie diskutiert. Am Beispiel von subjektiven Depressionstheorien wird der notwendige Rückgriff auf kritische Gesellschaftsanalysen im Prozess der Psychotherapie veranschaulicht. Anschließend werden einige Überlegungen zur Rolle von Kritik und Selbstkritik in Supervision und Therapie angestellt. Starting from the question of whether psychotherapy must become political, demands for a (further) developing psychotherapy with an emancipatory direction are made, and reasons are given why psychotherapy must become critical in the interest of its clients, but it can not be political in an immediate sense. With regard to a definition of »politics« and in conflict with the theses of Angelika Grubner inspired by Foucault, possible and not possible tasks and goals of psychotherapeutic practice are discussed from a critical-psychologist perspective. The example of subjective depression theories illustrates the necessary recourse to critical societal analyzes in the process of psychotherapy. Subsequently, some reflections on the role of criticism and self-criticism in supervision and therapy are made.
Sozialisation und Emanzipation in der Politik – mit Bezug zur Psychotherapie
2015
Zusammenfassung : Als Psychotherapeut und ehemaliger Kantonsrat beschreibt der Autor die Bedeutung einer Sozialisation mit dem Ziel der Emanzipation und Autonomieentwicklung in der Politik. Er zeigt, wie ambivalent die politische Praxis diesbezuglich ist. Er verbindet seine Ausfuhrungen auch mit der Bedeutung des emanzipatorischen Aspektes der Psychotherapie und stellt die These auf, dass Psychotherapie von Politik nicht zu trennen ist. Wenn Psychotherapie Menschen verandert und emanzipatorisch wirkt, so hat das einen politischen Impakt. Er fordert die Psychotherapeuten auf, sich der politischen Bedeutung ihrer Arbeit bewusst zu sein und die eigenen Therapiekonzepte ideologiekritisch immer wieder auf unerkannte politische Einschlusse aus dem Zeitgeist zu hinterfragen. Erkenntnisse der Therapeuten aus dem Sprechzimmer sollen auch in geeigneter Form offentlich gemacht werden, nicht nur in Fachzeitschriften. Schlusselworter : Psychotherapie, Politik, Emanzipation, Menschenrechte
Psychomacht und politische Regierungsform
2017
Vortrag in Leipzig im Mai 2017 über Bernard Stieglers Begriff der Psychomacht der Globalisierung im Verhältnis zu Montesquieus Vorstellung des Geists der Gesetze
Psychoanalyse unter Druck: Verwaltung von Gesundheit
Ich unter Druck, Journal für Psychoanalyse 64, p 93-110, 2023
Im vorliegenden Text befasse ich mich mit der Frage, wie die öffentliche Verwalung von Gesundheit in den psychoanalytischen Prozess eingreift, welche Denkweise dabei vorherrscht und in welche Fallstricke sie sich verwickelt, wie die öffentliche Verwaltung den psychoanalytischen Prozess damit formt und verändert und welche Konsquenzen dies Vorgänge für die Anwendung von Psychoanalyse hat bzw. haben wird, wenn es uns nicht gelingt, die Deutungsmacht der Verwaltung zurückzudrängen.
Trauma, Psychopathie und Politik: zum biologistischen Retro der Psychopath(olog)ie
2002
Zum biologistischen Retro der Psychopath(olog)ie Resistenz Die Diskurse der forensischen Psychiatrie sind derzeit mehr und mehr von der Diskussion um sog. »behandlungsunfähige« Patienten bestimmt. So geben Kammeier et al. (1998) im Vorspann ihrer Thesen zur Weiterentwicklung des Maßregelvollzugs an, es gäbe »ganz wenige Personen (circa sechs Prozent), die auf unabsehbare Dauer so krank, gefährlich und behandlungsresistent sind, dass an Lockerung oder Entlassung aus Sicherheitsgründen nicht gedacht werden kann«. Es fehlt jede Fundierung dieser »Behandlungsresistenz« operationalisiert und welcher Behandlungsgedanken ihr zugrunde liegt. Nur indirekt, aber dennoch unzweideutig, lässt sich der Textpassage entnehmen, dass Behandlung jedenfalls für diese Patienten nicht-mehr-vorgesehen ist. Deutlich wird die Diktion allerdings bei Konsultation eines früheren Entwurfs: Zwar verbiete sich (noch?) aus »rechtsstaatlichen, ethischen und therapieimmanenten Gründen« die dergestalt ins Spiel gebrachte-und insofern als wünschenswert zu unterstellende-Zwangsbehandlung, doch solle bei »bewusster (willentlicher) Therapieresistenz« grundsätzlich die Verlegung in den Strafvollzug vorgenommen werden können (Kammeier, 1984, S. 213). All dies könnte als zu ignorierende Meinung einzelner angesehen werden, würde nicht auch in den Medien das Thema der »nicht therapierbaren oder therapieunwilligen« Patienten dahingehend diskutiert, sie müssten eigentlich aus der forensisch-psychiatrischen Klinik in den Strafvollzug verlegt werden können, und wenn nicht auch in der Politik das lebenslange Wegsperren von Tätern en vogue wäre: Ich komme mehr und mehr zu der Auffassung, dass erwachsene Männer, die sich an kleinen Mädchen vergehen, nicht therapierbar P&G 3/02