23. Dynamik der Sprachnormen in der deutschen Schweiz (original) (raw)

Doing Applied Linguistics

Die jeweiligen lokalen Standardsprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Rumantsch werden in der obligatorischen Schule gelehrt, damit SchülerInnen "einen Platz in Gesellschaft und Berufsleben finden" (HarmoS, S-Konkordat, 2007: Art. 3a). Texte in der deutschsprachigen Berufspraxis weichen jedoch von der offiziellen schweizerdeutschen Standardsprache ab. Kann eine Dynamik festgestellt werden, die zu einer sprachpolitischen Diskussion über die schweizerdeutsche Standardsprache führen muss? 1 Die schweizerdeutsche Standardsprache Die deutsche Schweiz ist durch eine Diglossie-Situation der Dialekte und des schweizerdeutschen Standards geprägt (vgl. Siebenhaar & Wyler, 1997; Werlen, 1998; Werlen et al., 2002). Kindern wird bereits in der Grundschule beigebracht, dass der Dialekt als "Mundart" und der schweizerdeutsche Standard als "Schriftdeutsch" zu bezeichnen sind, "denn die hochdeutsche Sprache wird auf ihre Funktion in der Schriftlichkeit reduziert" (vgl. Ziberi-Luginbühl, 1998: 13). Den schweizerdeutschen Standard findet man darum insbesondere in Zeitungen, amtlichen Texten, der Kommunikation von Organisationen, Schulen, Berufsschulen etc. Eine Dynamik in Bezug auf die Diglossie-Situation in der deutschen Schweiz, die sich in den neuen Medien und der Literatur manifestiert, stellt die mediale Diglossie in Frage. Nicht nur in SMS, d. h. in konzeptionell mündlichen, aber schriftlich medialen Situationen, wird vermehrt Dialekt geschrieben. Auch die Rapporte der Aussendienstmitarbeiter (AD-Mitarbeiter-zur Zeit der Datenerhebung sind nur Männer im AD-Team) einer Handelsfirma, die in der Studie "Sprachmanagement im professionellen Netzwerk" mitgewirkt hat, weisen Muster auf, die nicht dem schweizerdeutschen Standard entsprechen. An welchen Normen orientieren sie sich? Ein Einfluss auf die Schreibsprache durch die Literalisierung der oralen Dialektkultur wird von Dürscheid (2011: 179) festgestellt. Sie spricht das Thema der Oralität der Dialektkultur und von dialektal verfassten SMS an. Textsorten, die sich zwischen einer konzeptionell mündlichen und einer konzeptionell schriftlichen Ausdrucksweise (vgl. Koch & Oesterreicher, 1994) befinden, könnten diesem Einfluss besonders ausgesetzt sein. Die Rapporte der AD-Mitarbeiter werden auf diese Vermutung