Gedanken zur Erfassung von Bodendenkmalen (original) (raw)

Für die Erforschung durch künftige Generationen. Archäologisches Schubladendenken, oder: wie erhält man Bodendenkmale am besten?

Die archäologische Denkmalpflege geht seit Jahrzehnten davon aus, dass die Belassung in situ die beste Möglichkeit ist, um Bodendenkmale langfristig möglichst unverändert ‚für die Erforschung durch künftige Generationen' zu erhalten. Daher betrachtet sie nicht durch externe Bedrohungen ‚notwendig' werdende archäologische Nachforschungen entweder als ‚Lustgrabungen' oder – wenn sie unsachgemäß durchgeführt werden – als ‚Raubgrabungen', die es möglichst vollständig zu verhindern gilt. Dadurch, so glaubt man, werden Bodendenkmale bestmöglich vor der Zerstörung geschützt und bleiben somit – angeblich ‚unverändert' – für die zukünftige Erforschung mit besseren als den heutigen Methoden so vollständig als möglich verfügbar. In diesem Beitrag wird gezeigt, dass dieses Dogma auf einem gravierenden logischen Denkfehler beruht. Wie gezeigt wird schützt ihre Belassung in situ Bodendenkmale nicht langfristig, sondern führt vielmehr in der überwältigenden Mehrheit aller Fälle zu ihrer unbeobachteten und nicht archäologisch dokumentierten Zerstörung; also zu archäologischem Totalschaden. Der Denkfehler, der der archäologischen Denkmalpflege unterlaufen ist, beruht darauf, dass sie zwar stets davon spricht, dass sie die Bodendenkmale ‚für die Zukunft' erhalten will, aber sich bisher überhaupt keine Gedanken gemacht hat, was überhaupt das wahrscheinliche zukünftige Schicksal von im Boden belassenen Bodendenkmalen ist, geschweige denn vernünftige Zukunftsprognosen darüber erstellt hat. Erstellt man auf Basis bisheriger Erfahrungen solche vernünftigen Zukunftsprognosen, erweist sich, dass die bestmögliche Methode zur möglichst langfristigen Erhaltung von Bodendenkmalen keineswegs ihre Belassung in situ, sondern vielmehr ihre möglichst zeitnahe Ausgrabung ist. Diese sollte natürlich optimaler Weise fachgerecht durch professionelle ArchäologInnen erfolgen; aber jede auch noch so unsachgemäß durchgeführte Grabung erzeugt eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Bodendenkmale (wenigstens teilweise) langfristig erhalten werden, als wenn man sie einfach in situ belässt. Eine fundamentale Änderung der archäologischen Denkmalpflegepraxis ist daher unumgänglich erforderlich, wenn man nicht durch denkmalpflegerisches Nichtstun mehr Schaden an den Bodendenkmalen erzeugen will, als tatsächlich ‚unvermeidlich' ist.

Wofür schützen wir Bodendenkmale eigentlich?

In der deutschsprachigen archäologischen Denkmalpflege herrscht derzeit ein Paradigma vor, das der Erhaltung von Bodendenkmalen absolute Priorität vor jedweder Art ihrer Nutzung einräumt. Dies inkludiert den Schutz der Bodendenkmale vor der wissenschaftlichen Erforschung, es sei denn Bodendenkmale sind akut von unmittelbarer Zerstörung bedroht oder die Denkmalbehörden selbst wollen Bodendenkmale erforschen. Die Bodendenkmale, so die zentrale Annahme in diesem Paradigma, müssen allesamt dauerhaft erhalten werden, damit sie auch in der Zukunft noch zur Verfügung stehen. Die Tatsache, dass man niemals in der Zukunft ankommt, sondern sich immer in der Gegenwart befindet und damit jedwede Nutzung der Bodendenkmale unmöglich gemacht wird, wird dabei vergessen. In diesem Beitrag wird dieses Paradigma kritisiert und ein alternatives Paradigma und seine Konsequenzen für die Prioritäten im Umgang mit dem und die rechtlichen Regelungen für den archäologischen Denkmalschutz vorgestellt. Dieses streng gegenwartsbezogene Paradigma bewertet die tatsächlich bestehenden Rechte gegenwärtiger Menschen entsprechend der tatsächlichen Rechtslage höher als fiktive Rechte noch nicht geborener und auch nicht ausreichend genau definierter zukünftiger Generationen. Statt wie von den Vertretern des derzeitigen Paradigmas vollkommen absurderweise angenommen der Erhaltung um der Erhaltung Willen Vorrang einzuräumen, führt uns das gegenwartsbezogene Paradigma zurück zur eigentlichen Funktion der Bodendenkmalpflege als Instrument des wissenschaftlichen Quellenschutzes, mit dem die archäologische Erforschung der Bodendenkmale in der Gegenwart und Zukunft ermöglicht, nicht verhindert, werden soll. Bodendenkmale werden letztendlich dafür erhalten, dass sie wissenschaftlich erforscht werden können. Daraus folgt zwingend, dass nicht die Erhaltung, sondern die Erforschung der Bodendenkmale die höchste Priorität bei denkmalpflegerischen Erwägungen hat und auch haben muss. Nur dadurch kann gewährleistet werden, dass die Bodendenkmale dem Nutzen zugeführt werden, der ihnen (in der Regel) überhaupt erst den Wert verleiht, der ihre Schutzwürdigkeit vor anderen Gefahren begründet.

Der Boden als kulturelles Gedächtnis

Bulletin SAGW, Dossier Kulturerbejahr, 1/2018, 2018

Archäologie erforscht auf der Basis materieller Hinterlassenschaften die Kultur und das Leben früherer Generationen, von den Anfängen der Menschheit bis in unsere Tage. Sie hilft damit den Menschen, ihre Geschichte und Herkunft zu verstehen und die Zukunft zu gestalten: Woher kommen wir, wohin gehen wir?