Einführung: Moscheeleben in Deutschland erforschen (original) (raw)
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transcript Verlag eBooks, 2020
Grundsätzlich stammen alle Übersetzungen aus dem Türkischen ins Deutsche von mir. Übersetzungen von Begriffen sind mit ›‹ gekennzeichnet, bei Zitaten bleiben »«. Längere Zitate aus dem Türkischen und Erläuterungen zur Übersetzung erscheinen im Fußnotenteil. Die deutschen Artikel vor türkischen Begriffen richten sich nach der hier im Text verwendeten deutschen Übersetzung (z.B. die Diyanet wegen ›die Religionsbehörde Diyanet‹). Türkische Originalzitate wurden in ihrer Orthographie so belassen, auch wenn sich dadurch Unstimmigkeiten ergeben (z.B. akaid, akâid). Wörter, die im Duden aufgenommen sind, werden in der deutschen Schreibweise wiedergegeben (z.B. Hadsch, Hadith oder Umma). Um die Mehrsprachigkeit im Forschungsfeld wiederzugeben, gebe ich bei der ersten Nennung eines islamisch-theologischen Begriffs die arabische und türkische Bezeichnung an und verwende dann nur die arabische (z.B. taqlīd, türk. taklit). Religiöse Feiern bezeichne ich bei der ersten Nennung auf Deutsch, Arabisch und Türkisch (z.B. Nacht der Wünsche/Laylat ar-Raġāʾib/Regaib Kandili), im Text gebe ich zur besseren Lesbarkeit nur noch die arabische und türkische Bezeichnung an. Die Transkription arabischer Begriffe folgt den Regeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG). Wenn es sich nicht um Eigennamen oder spezielle Termini handelt, sind arabische und türkische Wörter klein geschrieben. Türkische, arabische, fremdsprachliche Begriffe (z.B. ordinary muslims) sowie Hervorhebungen im Deutschen sind im Fließtext kursiv gesetzt. Generell sind in Zitaten für Auslassungen und für Einfügungen von mir eckige Klammern verwendet worden: […]. Abkürzungen von häufig vorkommenden Namen im Text werden bei der ersten Nennung aufgelöst und sind im Abkürzungsverzeichnis aufgeführt.
Alltag in der Moschee. Eine Feldforschung jenseits von Integrationsfragen
2021
Was macht eine Moschee aus? In ihrer Untersuchung der Strukturen und zentralen Angebote »Gebet«, »Bildung« und »öffentliche Veranstaltungen« gibt Veronika Rückamp Einblicke in das Alltagshandeln in Moscheen. Anhand qualitativer Interviews und Feldforschung in Zürich und Wien zeigt sie, dass sich Moscheen in einem Spannungsfeld zwischen sich wandelnden Mitgliedererwartungen und externen Einflüssen befinden und sich dabei immer wieder neu definieren müssen. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag, um Moscheen in der Schweiz und in Österreich jenseits von Integrationsfragen besser zu verstehen.
Schlussbetrachtung: Moscheeleben, Religiöse Autorität und Islamisches Wissen in Deutschland
Moscheeleben in Deutschland, 2020
Ausgangspunkt dieser Studie war, dass die Moschee ein Ort ist, in dem islamisches Wissen autorisiert wird und der zugleich Ausdruck dieser Autorisierung ist. Wie diese Prozesse von statten gehen, habe ich vor dem Hintergrund untersucht, dass alle in Moscheen vorzufindenden Personen als integrale Teile der selbstorganisierten Gemeinden das religiöse Leben gestalten, islamisches Wissen vermitteln, annehmen, unterschlagen, verwerfen, kritisieren oder selbst Richtungen vorgeben und damit Bedeutungs-und Geltungsverschiebungen von islamischem Wissen vornehmen. Das jeweils gültige islamische Wissen oszilliert somit zwischen Kontinuität eines schon vorhandenen Wissens und seinem Wandel durch die Herausforderungen der sich verändernden sozialen Umgebungen und Bedingungen. Mit dem konkreten Blick auf die Ebene aller religiösen Akteur*innen in Moscheen mit ihren unterschiedlichen Bezügen, Praktiken, Bedürfnissen und Religionsverständnissen sowie der ethnographischen Herangehensweise entstand ein pluralistisches Bild vom Moscheeleben in Deutschland. Das in der Öffentlichkeit und teilweise auch innerhalb der Forschung vorherrschende Bild von Moscheen als Orte, in denen Freitagspredigten und männliche Imame normativ den Glauben der Menschen bestimmen, die als unkritische Rezipierende eines als fest gedachten islamischen Wissens wahrgenommen werden, kann mit den hier diskutierten empirischen Befunden nicht aufrecht erhalten werden. Mit der vorliegenden Forschung habe ich offen gelegt, dass sich die religiöse Arbeit von Muslim*innen in der Moschee nicht nur auf das Hören der Freitagspredigten beschränkt. Andere religiöse Feiern wie die Feier der Geburt des Propheten oder die Nacht der Vergebung, die Aktivitäten im Ramadan oder die wohlfahrtlichen und karitativen Handlungen im Moscheekontext sowie die unterschiedlichen Unterrichtsformate zeugen davon, dass Religiosität in der Moschee weder eine blinde Befolgung von religiösen Regeln noch das Ergebnis von Zwang ist. Stattdessen offenbart sich in Moscheen ein aktiver und dynamischer Prozess, in dem
Täbris-Istanbul-Hamburg. Stationen im Leben eines Moscheekorans
Sammlungsgeschichten. Islamische Kunst im MK&G; Isabelle Dolezalek, Tobias Mörike, Wibke Schrape und Tulga Beyerle (Hrsg.), 2022
Dieser Koran gehört zu meinen glücklichsten Käufen", schrieb Justus Brinck mann am 4. November 1893 an einen Mäzen des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe (MK&G). ² Der Museumsdirektor war offensichtlich stolz auf seine neu erworbene großformatige Koranhandschrift (Abb. 1). ³ Mit dem Manuskript brachte Brinck mann ein Meisterwerk ⁴ islamischer Kunst in das Museum, das vermutlich 1893 erstmals ausgestellt wurde ⁵ und auch heute wieder als Teil der Sammlung gezeigt wird. Justus Brinck mann ging beim Erwerb der Handschrift noch davon aus, dass diese im Osmanischen Reich entstanden sei. ⁶ Eine Fehlattribution, denn der Kalligraf des Manuskriptes selbst hatte den Entstehungsort vermerkt: Täbris im damaligen Safawidenreich. Der Koran gelangte von dort zunächst an den osmanischen Hof und wurde dann an eine Moschee in Istanbul gestiftet. Laut Stiftungsurkunde war diese Stiftung für die Ewigkeit gedacht, doch Ende des 19. Jahrhunderts gelangte der Koran erneut in den Handel. Dieser Text rekonstruiert die Stationen im Leben des Moscheekorans sowie die historischen Umstände, unter denen das Buch auf den europäischen Markt kam. Er erläutert Brinck manns Motive für den Erwerb und beschreibt die Kontexte der ersten öffentlichen Ausstellungen. Zum Teil lassen sich die Stationen des Manuskripts aus Schreiber-und 1 Ich danke Isabelle Dolezalek, Konrad Hirschler und Claus-Peter Haase für Ihre wertvollen Kommentare zu früheren Versionen dieses Texts. Mein Dank gilt ebenso Nicola Verderame, Konrad Hirschler, Hend Refky und Farid el-Ghawaby für Ihre Hilfe beim Entziffern des Kolophons und des Stiftungsvermerks.
Moscheeführungen in Deutschland: Angebot – Gäste – Reichweite
2021
Zusammenfassung <br> Hintergrund: Von Moscheeführungen für Nichtmuslimïnnen in Deutschland wird ein Beitrag zum Abbau von Vorurteilen gegenüber dem Islam und den Muslimïnnen erwartet. Es fehlt jedoch bislang an Erkenntnissen über die Reichweite und die Teilnehmerschaft der Führungen. <br> Ziel: Der Beitrag soll eine Vorstellung davon geben, wie viele nichtmuslimische Personen Moscheen im Rahmen von Führungen besuchen, wer die Besucherïnnen sind, in welchen Regionen die Besuche stattfinden und welche Moscheen besucht werden. <br> Methoden: 177 Personen, die Führungen anbieten, aus 134 verschiedenen Moscheen wurden 2016 online mit einem standardisierten Fragebogen befragt. <br> Ergebnis: Schätzungsweise eine Viertelmillion Menschen besucht jährlich eine Moschee im Rahmen einer Führung für nichtmuslimische Gäste. Die Besucherschaft setzt sich vorwiegend sich aus Schülerïnnen, christlichen religiösen Gruppen und bestimmten Berufsgruppen wie Lehrerïnnen, Pflegeber...
Lebenswelten junger Muslime in Deutschland
2012
„Man geht raus, und wenn ich rausgehe, sehe wie jemand trinkt und jemand macht das und das, was in meiner Religion verboten ist, und ich sehe das und manchmal ist man so deprimiert, man ist so fertig, dass man als Einziger das nicht darf und alle anderen machen das. Du bist so durcheinander zwischen den Welten.“(Auszug aus einem Interview mit dem Mitglied einer muslimischen Familie; siehe auch
Muslimische Jugendliche in Österreich am Beispiel Graz. Ein Leben zwischen Moschee und Diskothek
2014
Die Masterarbeit beschaftigt sich mit der Situation junger Muslime der Zweiten Generation in Osterreich und speziell in Graz. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie die religiosen Anforderungen und Gebote wie zum Beispiel: die Kleidungsvorschriften, das Tragen des Kopftuches, das Alkohol- und Schweinefleischverbot, sowie die Keuschheit, einerseits und das Leben in einer sakularen Gesellschaft andererseits miteinander zu vereinen sind, welche Auswirkungen dies auf ihre Identitat hat und wo sich Konflikte ergeben. Die religiosen Anforderungen werden dabei von der Herkunftskultur und damit vom Elternhaus verkorpert, die sakularen hingegen werden oft von osterreichischen Freunden, Schul- und Arbeitskollegen gepragt. Eine wichtige Frage in dieser Hinsicht war, ob es sich wirklich um zwei Welten handelt, so wie oft im Integrationsdiskurs behauptet wird, oder ob die Jugendlichen dieses Problem vielleicht als gar nicht so gros und bedeutsam ansehen. Als Forschungsdesign wurde die qualita...
Muslimische Herausforderung in Deutschland
2018
Obwohl im Prinzip eine Seelsorge unter Muslimen auf persönlicher und individueller Ebene in traditionellen Sozialstrukturen stattgefunden hat, bedarf die muslimische Gemeinschaft in Deutschland einer institutionalisierten und professionalisierten Seelsorge. Denn auch Muslime haben seelsorgerische Bedürfnisse und stecken in Konflikt-und Krisensituationen, die sie nur mit Hilfe von professionell ausgebildeten und institutionell begleiteten Seelsorgern bewältigen könnten. Bei der Betrachtung der muslimischen Strukturen in Deutschland fällt zudem auf, dass die Ressource "persönliche Seelsorge" immer knapper wird. "Die Migration aus ländlichen Gebieten in Städte und Großstädte hat viele Muslime mit Problemen konfrontiert, die sie in dieser Form bisher nicht gekannt haben. Dabei macht es nicht einmal einen großen Unterschied, ob sie in die anonyme Mega-Metropole Istanbul oder in die anonyme Metropole Köln gezogen sind. [...] Das anonyme Leben in den Städten, die Abwesenheit schnell erreichbarer Verwandter und die fehlende Erfahrung mit Notsituationen machen auch die Notfallbegleitung für Muslime zur Notwendigkeit-in solch einer Situation ist die Notfallbegleitung keine Option mehr. [...] Dabei stehen wir jedoch vor einigen besonderen Problemen. Zum einen gibt es das Problem des teilweise fehlenden Bewusstseins für die Notwendigkeit der institutionalisierten Notfallbegleitung-nicht weil keine Notwendigkeit für Hilfe gesehen wird, sondern weil es oftmals noch ein zu großes Vertrauen in alte Strukturen gibt (Familie, Nachbarn, Freunde), die aber so nicht mehr vorhanden, oder zumindest in der akuten Notfallsituation nicht erreichbar sind" (Karahan, 2011, S. 41ff). Durch migrationsspezifische Umbrüche und Veränderungen im Familienverbund ist "persönliche Seelsorge" nicht mehr überall leistbar. Laut Aries wurden jedoch solche Veränderungen, wie der Zerfall der Familienstrukturen, und die Seelsorge als Konzept bisher nicht konzentriert aufgegriffen. "In Deutschland geschah dies erst unter dem Druck christlicher säkularer Versorgungssysteme. So riefen wie selbstverständlich Altersheime und Krankenhäuser in der nächsten ihnen bekannten Moschee an, um jemanden zu bitten, sich um einen vereinsamten Muslim zu kümmern, was anfangs die Angesprochenen in Verlegenheit brachte" (Aries, 2017. S. 93). Seelsorge,