(Verfassungs-)Richterliches Entscheiden (original) (raw)
2018, Interdisziplinäre Rechtsforschung
Folgt man den Thesen über die Verrechtlichung moderner Gesellschaften (grundlegend hierzu Stone Sweet 2000; Hirschl 2008), spielen Gerichtsentscheidungen eine stetig wachsende Rolle bei der Regelung sozialer, politischer und wirtschaftlicher Probleme. Die Frage, wie RichterInnen entscheiden, ist deshalb keineswegs nur für die rechtswissenschaftliche Forschung von Bedeutung. Während die Interpretation und Kommentierung von Urteilen hier von jeher breiten Raum einnimmt, beschäftigen sich SozialwissenschaftlerInnen erst in jüngerer Zeit (wieder) vermehrt mit Gerichtsforschung. Im Zeichen des oft beschriebenen judicial turn, der sich insbesondere in der Politikwissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat, traten sowohl das individuelle und kollektive Verhalten von RichterInnen als auch die institutionelle Dimension von Gerichtsentscheidungen ins Blickfeld der Forschung. Für den deutschsprachigen Raum sei hier-stellvertretend für viele Veröffentlichungen, die sich diesen Themen aus interdisziplinärer Perspektive widmen-auf die richtungsweisenden Sammelbände "Wie wirkt Recht" (Cottier et al. 2010), "Die Politik des Verfassungsrechts. Interdisziplinäre und vergleichende Perspektiven auf die Rolle und Funktion von Verfassungsgerichten" (Wrase und Boulanger 2013a), "Politik und Recht. Umrisse eines politikwissenschaftlichen Forschungsfeldes" (Frick et al. 2017) sowie die beiden Bände "Die Sprache des Rechts: Recht verstehen" (Lerch 2004) und "Die Sprache des Rechts: Recht verhandeln" (Lerch 2005) verwiesen. Diese Aufsatzsammlungen haben viel dazu beigetragen, "die scharfe disziplinäre Trennung" (Hirschl 2018, S. 23) zwischen juristischen und sozialwissenschaftlichen Forschungsansätzen aufzubrechen, die die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Rechtsprechung nach wie vor mitunter kennzeichnen. Am ehesten wurde das interdisziplinäre Verständnis bisher mit Blick auf Verfassungsgerichte umgesetzt,