Der politische und wissenschaftliche Umgang mit den Polizeiarchiven des Kommunismus in Deutschland und in Polen: Versuch eines Vergleichs (original) (raw)
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in: A. Bensussan, D. Dakowska, N. Beaupré (eds.), Die Überlieferung der Diktaturen. Beiträge zum Umgang mit Archiven der Geheimpolizei in Polen und Deutschland nach 1989, Essen, Klartext, 2004, p. 11-33., 2004
Neophyten, Häretiker, Dissidenten: Polnische Linksintellektuelle und der (Anti-) Kommunismus
Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung, 2011
bekannter polnischer »Dissident«, äußerte sich einmal zu seinem Vater wie folgt: »Er hieß Ozjasz Szechter, 2 er war Jude und Kommunist; ich bin Pole und Antikommunist. Er verbrachte acht Jahre im Gefängnis, weil er Kommunist war; ich verbrachte sechs Jahre im Kerker, weil ich Antikommunist war.« Gleichwohl haben weder Vater noch Sohn jemals mit der Linken gebrochen. Allerdings bemerkt Michnik auch, der Kommunismus sei »die falsche Wahl gewesen«. 3 Welcher Art aber waren die Erfahrungen, die in der Zeit des »real existierenden« Kommunismus lebende Linksintellektuelle mit dieser Staatsform machen konnten? Worin war ihr Antikommunismus begründet? Die Vorstellung von einem kruden und vermeintlich reaktionären Antikommunismus, wie sie etwa in den Worten Thomas Manns, der ihn als »Grundtorheit unserer Epoche« apostrophierte, zum Ausdruck kommt, basiert auf bestimmten, in westlichen intellektuellen Kreisen noch immer vorherrschenden Missverständnissen. 4 Demgegenüber will der nachstehende Artikel zeigen, wie drei Generationen der polnischen Intelligenz im östlichen Mitteleuropa zur Entwicklung eines starken und intellektuell gut fundierten Antikommunismus der Linken beigetragen haben.Mag der zeitliche Ablauf dieses ideellen Wandels von Land zu Land unterschiedlich ausfallen, so bildet die von Aneignung und Überwindung des Sowjetkommunismus geprägte Gesamtorientierung doch einen gemeinsamen Erfahrungsschatz der in diesem Teil Europas heimischen Intellektuellen.
(2011) Neophyten, Häretiker, Dissidenten: Polnische Linksintellektuelle und der (Anti-) Kommunismus
"Does anti-Communism imply rightwing views? Not necessarily, although such an oversimplified judgment is popular. This article looks at three generations of Polish Left (socialist and liberal) intellectuals, and their ideational trajectories towards and away from Soviet Communism. The first generation is that of pre-War leftists, symbolized by the poet Czesław Miłosz. The key to understanding this generation's initial fascination and, later, disillusionment with Communism is his political/philosophical essay "The Captive Mind". The second generation, which grew up on the wave of the early post-war enthusiasm, is symbolized by the pedagogue and oppositionist Jacek Kuroń. The key book is his The Evil I cause, a re-evaluation of leftist idealism in a Communist reality. The third generation is one who, from the beginning, were influenced by forms of political opposition and who soon became the leaders of anti-Communist (yet still leftwing) dissent, exemplified by Adam Michnik‟s essays. Such a history of "heresy" within the Left is therefore an attempt to problematize the notion of anti-Communism as the "cardinal folly of our time" and as a reactionary and predominantly conservative ideational standpoint. It also gives a brief overview of the evolution of Polish dissidence."
Die deutsch-polnischen Schulbuchgespräche entwickelten sich im Rahmen der 1972 gegründeten Gemeinsamen Deutsch-Polnischen UNESCO-Kommission. Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg trafen sich Historiker aus Polen und der Bundesrepublik, um gemeinsam über die Darstellung der bilateralen Beziehungen in den Schulbüchern zu diskutieren und inhaltliche Veränderungen vorzuschlagen. Die Gründung (und spätere Tätigkeit) dieser Kommission wäre ohne die radikale Veränderung der Politik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Polen zur Wende der 1960er und 1970er Jahre, deren Höhepunkt die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages vom Dezember 1970 war, nicht möglich gewesen. Dieser Vertrag beendete die langjährige diplomatische Beziehungslosigkeit zwischen der Bundesrepublik und Polen, regulierte Grenzfragen und öffnete den Weg zur Normalisierung der Kontakte zwischen beiden Staaten. Die Unterzeichnung des Vertrags vom Dezember 1970 löste selbstverständlich nicht alle Probleme in den gemeinsamen Beziehungen. Allerdings konnte der damals begonnene Prozess der Annäherung zwischen der Bundesrepublik und Polen nicht mehr aufgehalten werden. Wir können dies u. a. in der Kommissionsarbeit beobachten, die im Laufe der Jahre zu einem wichtigen Instrument dieses Prozesses wurde. Die vor Jahren erzielten Ergebnisse besitzen darüber hinaus bis heute Modellcharakter für die Arbeit anderer nationaler Schulbuchkommissionen. Wie kam es zur Gründung dieser Kommission und warum kam es erst so spät dazu? Gab es frühere Initiativen für deutsch-polnische Schulbuchgespräche? Wie sah die Arbeit der Kommission aus und welche Ergebnisse brachte sie hervor? Hat die offizielle Regierungspolitik die Arbeit der Kommission beeinflusst? Diese Fragen sollen im Folgenden beantwortet werden, um den Charakter dieses Gremiums näher zu bestimmen und seinen Stellenwert im Vergleich zu anderen internationalen Schulbuchkommissionen richtig einzuordnen. Für diesen Artikel wurden sowohl Archivmaterialien ausgewertet als auch die vorhandene Sekundärliteratur herangezogen. Besonders hilfreich waren dabei die Ergebnisse einer schriftlichen Umfrage, die der Verfasser Anfang der 1990er Jahre unter den ständigen Mitgliedern dieses Gremiums in Polen und der Bundesrepublik durchführte. Die verhältnismäßig späte Aufnahme der Schulbuchgespräche zwischen der Bundesrepublik und Polen war zweifellos durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges bedingt, die überhaupt das ganze Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Staaten belasteten. Die großen Verluste, die Polen infolge der Kriegshandlungen und der deutschen Okkupationspolitik während des Zweiten Weltkrieges zu verzeichnen hatte, die Verfolgung, die Aussiedlung und der Tod von Millionen polnischer Staatsbürger sowie enorme Einbußen im nationalen Vermögen bildeten keine gute Grundlage für die Wiederaufnahme der Beziehungen zum besiegten Deutschland. Aber schon zuvor war das deutsch-polnische Verhältnis alles andere als gut. Einen frühen Schatten auf die gegenseitigen Beziehungen warf die negative Polenpolitik Preußens (später Deutschlands) in den Jahren 1795-1918 (die Zeit der Teilungen, d. h. der Nicht-Existenz des polnischen Staates), deren Ziel die Entnationalisierung der Polen war. Die Wiederherrichtung des polnischen Staates nach 1918 stieß auf beim deutschen Nachbarn weithin auf Ablehnung. Polen wurde nicht nur das Recht zu der im Versailler Vertrag und infolge der schlesischen Aufstände errungenen neuen Westgrenze, sondern auch das Recht zur Existenz als selbständiger Staat abgesprochen. Der Nichtangriffspakt von 1934, den Polen mit dem nationalsozialistischen Deutschland schloss, versprach nur auf den ersten Blick eine positive Wende in den gemeinsamen Beziehungen. Sehr bald schon sollte sich dieser Pakt als wertlos erweisen. Nach der anfänglichen Verbesserung in den gemeinsamen Beziehungen begannen die Nationalsozialisten nach und nach eine Reihe von Forderungen an Polen formulieren, die für Polen inakzeptabel waren (u.a. den sog. Korridor betreffend). Nota bene in diese Zeit fielen die ersten Versuche zur Aufnahme des deutsch-polnischen Dialogs in Schulbuchfragen. Es kam zu zwei Treffen im Jahre 1937, die allerdings mit einem Fiasko endeten. Aufgrund des immer mehr in Erscheinung tretenden Strebens Deutschland nach Unterordnung Polens wurde die Fortsetzung der weiteren Gespräche über die Revision der deutsch-polnischen Schulbuchinhalte gegenstandslos. Belastend für die Nachkriegsbeziehungen zu Deutschland waren nicht nur die schlimmen Kriegserfahrungen und die daraus resultierende Angst und Feindschaft, die im Geschichtsbild der seit 1944/45 in Polen regierenden kommunistischen Machthabern zur jahrhundertelangen Erbfeindschaft verdichtet wurde, sondern auch die sich in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre vollziehende Teilung der Welt in zwei sich gegeneinander bekämpfende politische Blöcke, auf der einer Seite dominiert von den USA, auf der anderen von der UdSSR. Polen und der östliche Teil Deutschlands (die Sowjetische Besatzungszone und nach 1949 die Deutsche Demokratische Republik) befanden sich im Einflussbereich der UdSSR, und die Politik Moskaus übte seither großen Einfluss auf die Beziehungen Polen zum Ausland, darunter auf die deutsch-polnischen Beziehungen aus. In der Bundesrepublik standen der Aufnahme normaler Beziehungen zu Polen auf außenpolitischer Ebene lange Zeit die Frage der Zugehörigkeit zum anderen politischen Block und die konsequente Nicht-Anerkennung des zweiten deutschen Staates, der Deutschen Demokratischen Republik (die sog. Hallstein-Doktrin) entgegen. Innenpolitische Hemmschuhe waren die Nicht-Anerkennung der deutsch-polnischen Nachkriegsgrenze an Oder und Neiße und der große politische Einfluss der deutschen
During the Polish-German war in September 1939 about 4000-5000 Volksdeutschewere killed by Poles in anti-German riots. These events, which in some cases were a reaction to engagements between Polish troops and German subversives, suited German propaganda well: Newspaper articles about the incidents accused the Poles and their government of atrocities against the German minority and claimed that the killings aimed at the extinction of the whole German population in Poland. Therefore the numbers of victims was declared to amount to 58 000 in February 1940. The “September crimes” were used to intensify the negative image of the Poles. Newspaper articles about the alleged Polish atrocities were designed to justify the German occupation and the German reprisals against the Polish civilian population. In the context of propaganda, court trials played a central role. German special courts were set up in the occupied territories right after the Wehrmacht had invaded Poland. Their most important duty in 1939-40 was to penalize the alleged murder of Volksdeutsche by Poles. Because court proceedings followed a formal “legal corset”, they were assigned a high degree of credibility and were seen as objective. It was their purpose to prove the incidents and to punish the perpetrators. Moreover, the courts were asked to verify that the “mass murder” of Volksdeutsche was ordered by the Polish government and military and that “the whole Polish people were guilty” of this. With these conclusions the courts confirmed the propaganda tale. Therefore, especially in the annexed Polish territories, but also in the Reich, newspapers reported constantly about the trials. The account of the Polish crimes took up most of the space in these articles, but they also told the reader that the proceedings were held according to the law and thus emphasized the supposed objectivity of the trials. The public of the proceedings and their depiction in the newspapers enabled the courts to fulfil their core task: to legitimate the occupation and the anti-Polish measures.