Bildung und Freizeit im Alter (original) (raw)

2001, Zeitschrift für Gerontopsychologie & -psychiatrie

Soviel Hitler war nie". Norbert Freis inzwischen fast ein Jahrzehnt altes Diktum aus dem Jahre 2005 ist und bleibt so aktuell wie eh und je. "Die Literatur über den großen Unheilstifter der deutschen Geschichte ist Legende; über keine Figur der Weltgeschichte dürfte inzwischen mehr geschrieben worden sein. 120 000 Arbeiten über Hitler verzeichneten mittlerweile die Bibliotheken", schrieb Frank Schirrmacher in seiner Besprechung von Ian Kershaws monumentaler zweibändiger Biographie aus den Jahren 1998/2000 in der FAZ. "Gibt es [...] überhaupt noch einen Bedarf an einer neuen ?", fragt der Journalist und langjährige Leiter des Ressorts "Politisches Buch" der "Zeit", Volker Ullrich, in der Einleitung zum ersten, fast 1100 Seiten starken Band seiner Biographie Adolf Hitlers, den er exakt mit dessen 50. Geburtstag im Frühjahr 1939 enden lässt. Offenbar spürt der Autor den Rechtfertigungsdruck für sein Unterfangen und zählt zu Dutzenden jene seit Kershaws großem Wurf erschienene deutschsprachige Hitler-relevante Literatur auf, die "aufzunehmen und zu einer Synthese zu bringen [...] allein schon die Anstrengung einer neuen Hitler-Biographie rechtfertigen" (S. 14) würde. Worum es Ullrich hauptsächlich geht, erklärt er uns eingangs. Er möchte die Persönlichkeit Hitlers, die in Kershaws oder anderen eher struktur-und sozialgeschichtlich pointierten Lebensbeschreibungen des Diktators "bemerkenswert blass bleiben musste, wieder in den Mittelpunkt" rücken. Dabei müsse man, gewisse allzu lang gepflegte Klischees hinter sich lassen, wie etwa das von der "privaten Unperson" des "Führers". Ullrich hält dagegen : "Hitlers Privatleben war reicher, als sich das manche Zeitgenossen und späteren Historiker vorgestellt haben. Davon, dass er prinzipiell beziehungsunfähig gewesen sei, kann keine Rede sein" (S. 17). Es gelte, seine "eigentümliche Doppelnatur-das Nebeneinander von gewinnenden Zügen und kriminellen Energien", seine "unbestreitbar großen Begabungen und Talente" wie auch seine "tiefsitzenden Komplexe und Affekte" aufzuzeigen mit dem Ziel, "den Hitler-Mythos, der als ‚negative Faszination durch das Monstrum' in der Literatur und öffentlichen Diskussion nach 1945 in vielfältiger Weise nachwirkte, zu dekonstruieren" (S. 21). Hitler "als menschliches Wesen zu zeichnen", ihn, so gesehen, gewissermaßen zu "normalisieren", liefere, wie Ullrich betont, "keine völlig neue Deutung", erweitere jedoch unsere Kenntnisse und lasse "die Persönlichkeit mit ihren frappierenden Widersprüchen und Gegensätzen schärfer hervortreten, als das bisher geschehen ist" (ebd.).