Die Entdeckung des Entdeckers. : Alexander von Humboldt (1769–1859) zum 250. Geburtstag.Bestandsaufnahme und Aussichten (original) (raw)
2019, Zeitschrift für Germanistik
Die Entdeckung des Entdeckers. Alexander von Humboldt (1769-1859) zum 250. Geburtstag. Bestandsaufnahme und Aussichten "näher kommen uns die Tropen nie." Alexander von Humboldt 1 Wer Venezuela, Kolumbien, Ekuador, Peru, Mexiko oder Kuba bereist, dem begegnet dort, in Form von Statuen oder Straßennamen, ein europäischer Wissenschaftler, der diese Länder zwischen 1799 und 1804 erforschte: Alexander von Humboldt, der "zweite Entdecker Amerikas". Auch in Europa hat man den Namen Humboldt nicht vergessen. Man missbrauchte ihn im deutschen Kaiserreich, im ,Dritten Reich' und in der DDR. Allerdings war in Humboldts Heimat noch in den 1990er Jahren kaum eines seiner Werke in einer vollständigen Neuausgabe erhältlich. Bei keinem anderen Klassiker stand die Bekanntheit des Autors in einem derartigen Missverhältnis zu jener seiner Werke. Das änderte sich nach der Jahrtausendwende. DER SPIEGEL rief 2004 in einer Titelgeschichte Alexander von Humboldts "Wiederentdeckung" aus. Den Anlass boten die Neuausgabe des Kosmos und die erste deutsche Ausgabe der Ansichten der Kordilleren und Monumente der eingeborenen Völker Amerikas in Hans Magnus Enzensbergers "Anderer Bibliothek". Ein Jahr später erschien Daniel Kehlmanns Roman Die Vermessung der Welt, eine Gelehrtensatire auf Alexander von Humboldt und den Mathematiker Carl Friedrich Gauß, die zu einem der größten deutschsprachigen Bestseller der letzten Jahrzehnte wurde. Wie ist diese plötzliche "Wiederentdeckung" zu erklären? Vier Faktoren haben zu ihr beigetragen. 2 Erstens: Der "gute Deutsche". Das wiedervereinigte Deutschland, das seinen Platz in Europa und in der Welt suchte, fand in Humboldt eine liberale Orientierung und einen kosmopolitischen Repräsentanten. Der Forschungsreisende, der den Kolonialismus kritisierte, die Sklaverei verurteilte und sich für die Emanzipation der Juden einsetzte, wurde für das deutsche Selbstverständnis ebenso wie für die kulturelle Außenpolitik zu einer weltoffenen Leitfigur: Alexander von Humboldt ist der "gute Deutsche".