Wahrnehmungen und Deutungen der Zeit im Buch Kohelet (original) (raw)

Melancholie bei Kohelet und Marc Aurel

„Vergänglichkeit und Melancholie. Zu einer Gemeinsamkeit bei Kohelet und Marc Aurel“, in: Musik, Melancholie und Tod / Schriftstücke Bd. 3 (2020), hrsg. v. Michael Neecke u. Rainer Barbey, Berlin 2020, S. 7‒36., 2020

Eine queere Lesart von Kohelet 4,9-12

Scandinavian Journal of the Old Testament 28/1, 2014

A Queer Reading of Qohelet 4,9-12 Qohelet 4,9-12 can be interpreted today as a queer counter­text in relation to conservative exegeses of the biblical second creation account. To answer the question, which partners we need in order not to be alone or to be able to survive, Qoh 4,9-12 suggests also other models than an exclusive man-woman relationship. It can be argued from a queer perspective that a sexual relation between men is mentioned in Qoh 4,11: That two men warm up while lying, can imply that they sexually arouse each other. Within the framework of a queer reading Qoh 4,11 may also trigger associations about other, diverse, queer companions, who sexually arouse each other while lying. Various things can be associated with the threefold cord, which is not so quickly torn apart, mentioned in Qoh 4,12. Not only future children, as asserted in the Midrash on Qohelet, may form a basis for partnership – perhaps also queer –, affection and sexual desire also play an important role. It follows from later Jewish interpretations, namely from the Babylonian Talmud Qiddushin, i.e., bQid 82a, and from parallel passages, that Jewish scholars have not previously forbidden that two unmarried men sleep with each other under the same cloak. Kohelet 4,9-12 kann heute als queerer Gegentext zu konservativen Auslegungen des biblischen zweiten Schöpfungsberichts interpretiert werden. Auf die Fragestellung, welche Partner_Innen wir brauchen, um nicht allein zu sein oder überleben zu können, legt Koh 4,9-12 auch andere Modelle als eine ausschließliche Mann-Frau Beziehung nahe. Aus queerer Sicht kann behauptet werden, dass ein sexuelles Verhältnis zwischen Männern in Koh 4,11 erwähnt wird: Dass sich zwei Männer beim Liegen wärmen, kann bedeuten, dass sie sich sexuell erregen. Im Rahmen einer queeren Lesart könnten in Koh 4,11 womöglich auch andere, unterschiedliche, queere Gefährt_Innen assoziiert werden, die einander beim Liegen sexuell erregen. Mit dem in Koh 4,12 erwähnten dreifachen Faden, der nicht so schnell zerrissen wird, kann Verschiedenes gedanklich verbunden werden. Nicht nur Kinder, wie im Midrasch zu Kohelet behauptet wird, festigen – eventuell auch queere – Paarbeziehungen, sondern Zuneigung und sexuelles Begehren spielen eine wesentliche Rolle. Aus späteren jüdischen Interpretationen, nämlich aus dem babylonischen Talmud Qidduschin, aus bQid 82a, und aus Parallelstellen geht hervor, dass es jüdische Gelehrte bisher nicht verboten haben, wenn zwei unverheiratete Männer miteinander unter demselben Mantel schlafen.