Karl der Große, die Dinge und das Reich: Reliquiensammlungen und Kirchenschätze (original) (raw)

Karl der Große, die Dinge und das Reich Reliquiensammlungen und Kirchenschäze Karls Kunst-»große Kunst«? Für eine Ausstellung, welche Karl den Großen gerade anhand prominenter Werke aus seinem eigenen Umfeld vergegenwärtigen möchte, ist die Frage, was dieser Herrscher eigentlich selbst zur Geschichte der Dinge beigetragen hat, von zentraler Bedeutung. Der Titel Karls Kunst impliziert, dass Karl, der bereits zu Lebzeiten als »magnus« qualifiziert wurde, besonders »große« Kunst zusammenbrachte oder anfertigen ließ. Als »groß« können vor allem die klassischen Formen und bedeutenden Materialien antiker Herkunft verstanden werden, deren progressive Aneignung und virtuose Beherrschung die Reaktualisierung des römischen Kaisertums als damals erstrebenswerteste Form der Machtausübung dazustellen vermochte. Der Genitiv in Karls Kunst unterstreicht also die eigene Leistung eines Machthabers, der passende Werke und Künstler um sich zu scharen wusste, um seine herausragende politische Stellung-ja, seine eigene »Größe«-sichtbar zu machen. Tatsächlich besteht Dingpolitik zu einem wichtigen Teil aus Visualisierungsstrategien. So bezeichnete der Historiker Steffen Patzold in einem Aufsatz über »Kunst und Politik« unter den Karolingern und Ottonen die prachtvollen Architekturen, Insignien oder Trachten dieser Könige und Kaiser als »Bühnen und Requisiten«, die ihrer »Vergegenwärtigung« auch fernab ihrer jeweils wechselnden Aufenthaltsorte dienten, und »Medien der Kommunikation« mit den anderen sogenannten Großen in ihrem Reich waren-mit den einflussreichsten Männern aus dem Laienadel und den wichtigsten Geistlichen. Der Autor merkt aber zu Recht an, dass unsere geläufige Auffassung von »Kunst« für die Zeitgenossen wohl nicht begreifbar gewesen wäre. 1 Daher ist es für eine Untersuchung von Vorteil, an dieser Stelle von »Dingen« zu sprechen-in der Absicht, dass die Aufmerksamkeit weniger der Machart, den Formen oder dem Bildgehalt dieser Dinge gelten möge, und in der Hoffnung, auf diese Weise die genuin dingliche Logik-die »Bedingung«-vieler historischer Erfahrungen, Auffassungen und Handlungen hervortreten zu lassen. Diese können dann als Geschichte von Dingen erforscht und nicht zuletzt ausgestellt werden. Der Begriff »Dingpolitik« ist in diesem Zusammenhang einleuchtend. Es handelt sich dabei um eine junge Schöpfung der Sozialwissenschaften, die sich auf die heutige Zeit bezieht: Bruno Latour hat ihn eingeführt, um zu zeigen, wie Dinge allgemein »öffentlich gemacht« werden könnten und auch sollten. 2 Er griff dafür auf den etymologisch-politischen Sinn von »Republik« als res publica beziehungsweise »öffentliches Ding« zurück, und auch auf die alte deutsche Bedeutung von »Ding«: Das Wort bezeichnete für die Germanen eine »Versammlung« von Menschen und zugleich den »Sachverhalt«, der dort verhandelt wurde. Latour plädiert damit für eine Politik, die sich nicht nur im Diskurs erschöpft, sondern ebenso auf die Bedingungen des Lebens eingeht. Er stellt ein Konzept der politischen Repräsentation vor, in dem neben den rein menschlichen Interessen auch die Probleme etwa der Umwelt oder von Tieren berücksichtigt werden können. Was mag also