Butterwegge, Christoph/Rinke, Kuno (Hrsg.): Grundeinkommen kontrovers. Plädoyers für und gegen ein neues Sozialmodell, 260 S., Beltz, Weinheim 2018 (original) (raw)
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Zeitschrift für Politik Sonderheft 7, 2015
1. Einführung Götz Werners Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) hat in der letzten Dekade große Prominenz erlangt. Quer durch das politische Spektrum finden sich Anhänger für dieses Modell gesellschaftlicher Versorgung, das der zunehmenden Produktivität fortgeschrittener Volkswirtschaften und daraus resultierender Abnahme an klassischer Erwerbsarbeit gerecht zu werden versucht. Zwei externe Impulse haben die in soziologischen Kreisen schon seit Mitte der sechziger Jahre diskutierte Idee des BGE 1 in den Fokus gerückt: (1) Die sozialpolitischen Folgen der von Gerhard Schrö-der ins Werk gesetzten Agenda 2010 und (2) die ab September 2008 einsetzende Fi-nanzkrise, die das neoliberale Leitbild einer sich selbst steuernden Ökonomie delegiti-miert hat. Denn sie indizierte mit großer Heftigkeit, in welch hohem Maße der gesell-schaftliche Reichtum durch die Finanzmärkte immer ungleicher verteilt wird 2 ; die Be-ziehung Finanzmarkt-Realwirtschaft erweist sich als zunehmend dysfunktional. Da-zu ist es dem persönlichen Engagement Götz Werners zu verdanken, dass die Diskus-sion um das BGE seitdem auf der gesellschaftspolitischen Agenda verblieben ist. In diesem Artikel werden nach einer Darstellung des Wernerschen Modells in Form von acht Thesen Antworten auf diese Thesen gegeben-in Form eigener Hypothesen zu den Realisierungschancen des Modells im Spannungsfeld von klassischen ökonomi-schen Anreiztheorien wie beispielsweise Joseph Schumpeters Theorie der kreativen Zerstörung einerseits sowie sozialen Gerechtigkeits-und Verteilungstheorien wie der eines John Rawls 3 andererseits. Dazu wird der für die Idee des BGE essenziellen, aber umstrittenen These des zukünftig abnehmenden Arbeitsvolumens einige Aufmerksam-keit gewidmet. Des Weiteren wird untersucht, ob ein schleichender Prozess in Rich-tung auf die Einführung eines BGE praktisch bereits in der Sozialgesetzgebung nach-weisbar ist. Abschließend wird ein Blick auf die potenziellen Risiken im Falle der Ein-führung eines BGE geworfen und mögliche Alternativen skizziert. Einführend ist es jedoch nützlich, der theoretischen Analyse einige Anmerkungen zur Person Götz Werners vorauszuschicken.
Grundeinkommen. Geschichte - Modelle - Debatten
In seiner späteren Schrift von 1797 unterschied Paine zwei verschiedene Formen von Eigentum: Das ursprüngliche Eigentum ist das Eigentum aller Menschen an der Natur, an dem, »das uns vom Schöpfer des Weltalls zugeteilt wurde, z. B. Erde, Luft, Wasser«. (Paine 1798: 7) 30 Paine meinte: »Es ist unleugbar, dass die Erde in ihrem ursprünglichen und unangebauten Zustande das gemeinschaftliche Eigentum der ganzen Menschengattung, ohne Ausnahme, war, und geblieben sein würde. Unter solchen Umständen hätte also jeder Mensch von Geburt an ein Eigentum gehabt; jeder zeitlebens ein gleiches Recht zu dem Nießbrauch des Bodens und seiner gesamten Produkte, sowohl aus dem Pflanzenreiche, als aus dem Tierreiche gehabt. Aber die Erde kann, wie ich schon bemerkt habe, in ihrem natürlichen Zustande nur eine sehr geringe Anzahl von Menschen, im Vergleich mit denen, welche sie erhält, wenn sie angebaut wird, ernähren. Und da es unmöglich ist, die Verbesserungen durch Anbau von dem Boden, auf welchem sie geschehen, zu trennen; hat dieses unauflösliche Band die Idee eines eigentümlichen Bodens hervorgebracht. Es bleibt indessen nicht weniger wahr, dass nichts weiter, als die Verbesserungen, und nicht etwa der Boden, das Eigentum der Individuen ausmacht. Jeder Landbesitzer ist also dem gemeinen Wesen oder der Gesellschaft eine Grundsteuer schuldig; -ich kenne keinem andern Ausdruck, der den Begriff dieser Grundabgabe besser bezeichnete, und diese Grundsteuer ist es, von welcher der Fond herkommen muss, der zu dem Plane von dem meine Schrift handelt, gehört.« (Ebenda: 16 f.) Damit war die Grundrichtung der Schrift klar: »Die Gleichheit des natürlichen Eigentums ist also der Gegenstand des gegenwärtigen Werkchens. Jeder Einzelne, der in der Welt lebt, ist mit gegründeten Rechten auf eine gewisse Art von Eigentum, oder auf einen ausgleichenden Ersatz geboren.« (Ebenda: 5, Hervorhebung R. B.) 31 Paine proklamierte also ein angeborenes Grundrecht aller Menschen auf ein Grundeigentum bzw. Eigentum an der Natur, »wel-30 Die Vorstellung allen Menschen gehörender (Natur-)Güter war nicht neu. Bereits im Alten Testament steht geschrieben: »Der Himmel ist der Himmel des Herrn; aber die Erde hat er den Menschenkindern gegeben.« (Psalm 115, 16). Der Humanist Johannes Ludovices Vives (1492 -1540) erklärte in seiner Schrift »De subventione pauperum, sive de humanis necessitatibus« (1526), dass all jene Dinge, die Gott erschaffen habe, allen Kindern Gottes gemeinsam ist, und begründete damit eine öffentliche Armenhilfe, eine bedürftigkeitsgeprüfte und an eine Arbeitsverpflichtung gebundene soziale Leistung. Der Humanist Hugo Grotius (1583 -1645) legte in seiner Schrift »De jure belli ac pacis« (1625) seine Auffassung dar, dass die Erde der gesamten Menschheit gehöre. Gerrard Winstanlay (1609 -1676), Libertärer und Anarchist, begründete in seiner Schrift »Gleichheit im Reiche der Freiheit« (um 1650), dass die Schöpfung der Vernunft die Erde als Schatzkammer zum Unterhalt aller gemacht habe und der Anspruch aller auf die Erde und deren Früchte geltendes Recht sei. (Winstanley war der Wortführer der Diggers = »Graber«, die die gewaltlose Inbesitznahme brachliegenden Gemeindelandes durch Besitzlose zwecks gemeinsamer Bewirtschaftung in England propagierten und praktizierten -die also nicht nur die Rechtsgleichheit, sondern auch die grundsätzliche Eigentumsgleichheit und kollektive Bearbeitung des allen Eignen forderten.) Auch John Locke (1632 -1704) erklärte um 1689: »Gott gab die Welt den Menschen gemeinsam.« (Locke 2007: 34) Er folgerte aber anderes als die Diggers, nämlich dass die Arbeit Eigentum als privates Eigentum begründe. (Vgl Kapitel 3.6.) 31 Vgl. zur These des Eigentumsrechts aufgrund der Verbesserung des Bodens/der gemeinschaftlichen Güter die Argumentation von John Locke und die Erwiderungen darauf im Kapitel 3.6. 29 ches das gemeinschaftliche Eigentum der ganzen Menschengattung« (Ebenda: 24) sei oder eben auf »einen ausgleichenden Ersatz« für dieses Eigentum aller Menschen. Damit sollte ein gewisses Maß an sozialer Gleichheit garantiert werden. Paine lehnte allerdings die Rückumverteilung des ungerechterweise in privaten Händen liegende Grundeigentums ab: »Diese Ungerechtigkeit kann den gegenwärtigen Besitzern nicht immer aufgebürdet werden. Man kann und man darf ihnen weiter keinen Vorwurf machen, als den, dass sie Mitschuldige werden, wenn sie sich dem Recht widersetzen. Der Fehler hängt an dem System, und er kam in die Welt vermittelst der Besitznehmung mit dem Degen, das heißt, durch das Recht des Stärkeren. Allein dieser Fehler kann von den nachfolgenden Geschlechtern wieder gut gemacht werden, ohne Beunruhigung oder Beeinträchtigung der dermaligen Besitzer […].« (Ebenda: 24) 1.1.3 Arbeit und Privateigentum bei Thomas Paine Weiterhin diskutierte Paine das durch Arbeit »künstliche oder erworbene« Eigentum (Ebenda: 5). Er weiß sehr wohl, dass das durch »verbessernde Arbeit« erworbene Privateigentum nicht reines »Privat»-eigentum ist: »Ich habe bei Verfertigung dieses Planes das Grundeigentum sowohl, als das persönliche Eigentum in Anschlag gebracht. Was das erste betrifft; so sind die Gründe dazu einleuchtend, und ich habe sie bereits auseinander gesetzt. Der Bewegungsgrund aber, der mich zu der Rücksicht auf das persönliche Eigentum vermochte, kann eben sowohl gerechtfertigt werden, obgleich aus anderen Prinzipien. Die Erde ist, wie gesagt, ein Geschenk, welches der gesamten Menschheit von dem Schöpfer gemacht worden ist. Das persönliche Eigentum aber ist Produkt der Gesellschaft. Ohne diese würde kein Mensch ein solches Eigentum haben, so wenig als er die Erde erschaffen kann. Nehmt einen einzelnen Menschen aus der Gesellschaft weg, gebt ihm eine Insel oder ein Stück festes Land, er wird in diesem Zustande nie ein persönliches Eigentum erwerben; er wird nie reich werden. Und so hängen unter allen Umständen Absichten und Mittel zusammen, die letzteren sind nichts, wenn man die ersteren nicht erreichen kann. Es geschieht so zum Vorteil des gesellschaftlichen Lebens, dass der Mensch zur Erwerbung des persönlichen Eigentums verpflichtet wird, welches er bloß und allein mit seinen eigenen Händen nicht hätte zusammenbringen können. Er ist daher nach allen Gründen des Rechts, der Erkenntlichkeit und des Bürgervertrags verbunden, der Gesellschaft einen Teil von dem wieder zurückzugeben, was er bloß durch sie hat. Ich gründe meinen Satz hier bloß auf ein allgemeines Prinzip, und es ist vielleicht gut, sich bloß an dieses Prinzip zu halten, denn wenn man die Sache mehr im einzelnen betrachtete; so würde man finden, dass das persönliche Eigentum gemeiniglich auf Unkosten der Unglücklichen zusammengebracht wird, welche an dessen Erwerbung arbeiteten, aber nur einen sehr kleinen Lohn für ihre Arbeit bekamen. Der Handwerker hun-30 gert im Alter und kommt im Elend um, während derjenige, der ihn anstellte, im Überfluss schwimmt. Es ist freilich unmöglich, den Preis einer Handwerksware mit den Vorteilen, die sie verschafft, genau in Übereinstimmung zu bringen, und man wird, zu Gunsten des verübten Unrechts, nicht unterlassen anzumerken, dass der größte Teil der Handwerker, wenn er auch noch einmal so viel für seine Arbeit erhielte, dennoch nichts für die alten Tage zurücklegen würde, dass also diese Leute im Alter doch eben nicht wohlhabender sein würden. Allein dies ist nur ein Grund mehr, ihnen die Gesellschaft zur Vormünderin zu setzen, und ihnen für ihr Alter eine Einnahme aufzusparen.« (Ebenda: 47, Hervorhebung R. B.) Mit dieser Klarstellung machte Paine deutlich, dass das »künstliche oder erworbene« Eigentum Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse ist. Sie wurden von ihm als gesellschaftliche Vertragsverhältnisse (inkl. rechtlicher Verhältnisse) bezeichnet. Dieser Auffassung war die Erkenntnis immanent, dass dieses persönliche Eigentum im »gemeiniglichen« Fall der politisch-rechtlichen Möglichkeit der Ausnutzung bzw. Ausbeutung von Menschen durch Einzelne oder Gruppen zu verdanken ist -einer Ausbeutung, die zum Reichtum der einen und zur Armut der anderen führt. Von Paine wurde aber nicht die Abschaffung dieser Form der privaten Aneignung erwogen, die einen nicht näher erläuterten Vorteil des gesellschaftlichen Lebens darstelle. Er schlug dagegen eine Entschädigung der Allgemeinheit für das privat angeeignete »Produkt der Gesellschaft« vor -nämlich eine staatliche Erfassung des nichtentlohnten Anteils und eine Rücktransferierung durch eine Art Grundrente, die eine soziale Gleichheit bewirken soll. 32 Der bürgerliche Vertrag besteht also darin, dass persönliches Eigentum unter (Aus-) Nutzung fremder Arbeitskraft angeeignet werden kann, allerdings dafür ein Ausgleich an die Gesellschaft zurückzuzahlen ist, um eine soziale Gleichheit zu bewirken. Eng damit verbunden ist, dass Paine Reichtum nicht grundsätzlich ablehnt: Es sei kein Problem, »dass es Leute von ungeheurem Reichtum gibt, wenn dieser nur nicht auf das Elend der anderen gegründet wäre«. (Ebenda: 39) Paine war auch nicht der Auffassung, dass soziale Gleichheit sich auf die kollektivistische und gleiche Verteilung des allgemein erworbenen bzw. erarbeiteten Eigentums gründen solle: So wäre »Gleichheit etwas unmögliches, denn es müssten, wenn diese Dinge gleich verteilt werden sollten, alle Menschen in gleichem Maße zu denselben beigetragen haben, welches niemals der Fall ist, jeder würde, nach dieser Voraussetzung das Seinige beschützen, und das würde die Teilung unnötig machen«. (Ebenda: 5 f.) Diese Form der Gleichheit würde letztlich also in der Ungleichheit -und im Streit darüber, was jedem Menschen zustünde, enden, so Paine. 32 Diese staatliche vermittelte Rücktransferierung wurde allerdings auch paternalistisch bzw. vormundschaftlich begründet, wie mit dem vorangegangenen Zitat deutlich wird.
Die Forschung zum Bedingungslosen Grundeinkommen kreist bisher vorwiegend um Fragen seiner Auswirkungen auf Arbeitsangebot und Finanzierung. Wenig thematisiert wird, welche Folgen es für die Lebensführung im Allgemeinen haben könnte, ob es sich eher autonomiefördernd oder -hemmend, gemeinwohlfördernd oder -schädigend auswirken würde. Welche Folgen könnte es darüber hinaus für die Sozialisation, das Bildungswesen, das Berufsethos, die Gesundheit oder die Soziale Arbeit haben? Bislang vorgelegte Studien nutzen vorwiegend Modellsimulationen, um etwaige Auswirkungen zu ermessen. Die dafür getroffenen Annahmen sind allerdings selten Gegenstand einer empirischen Überprüfung und setzen somit etwas voraus, das es erst zu untersuchen gilt. Forschung in der Tradition hermeneutisch rekonstruktiver Verfahren gibt es in diesem Zusammenhang bislang kaum. Gerade sie könnten jedoch Erkenntnisse über handlungsleitende Überzeugungen und konkrete Handlungskonstellationen geben, die weitreichende Schlussfolgerungen erlauben. Das Symposium versteht sich als Forum zur Diskussion und Entwicklung von Forschungsfragen rund um das Bedingungslose Grundeinkommen. Es soll dazu beitragen, die vielfältigen, häufig übersehenen Zusammenhänge, in denen das Bedingungslose Grundeinkommen ebenso zu sehen ist, deutlich zu machen. Angesichts unverhältnismäßig großer Erwartungen an wissenschaftliche Expertise soll es auch darum gehen zu erwägen, welchen Beitrag Wissenschaft überhaupt zur Auslotung von Auswirkungen eines Grundeinkommens leisten kann und wo ihre Grenzen sind.
In genau diesem Sinn erscheint das Diktum "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" in der PE Max Webers. Selbstverständlich -so gilt es gleich hinzuzufügen, vielleicht unnötigerweisebesteht was die Verbindung zwischen dem BGE und der PE angeht weiter Klärungsbedarf. Was ich hier skizziert habe, ist nur der Anfang. Ralf Dahrendorf hat unter dem Titel "Nach der Krise: Zurück zur protestantischen Ethik?" Webers Protestantismusthese in Zusammenhang mit dem von ihm für die Entwicklung des Kapitalismus diagnostizierten Wandel der "Mentalitäten" gebracht: der "vorherrschenden Einstellungen zu Wirtschaft und Gesellschaft". Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung habe Weber zutreffend beschrieben: der kapitalistische Geist sei anfangs bestimmt gewesen durch die Bereitschaft, "unmittelbare Befriedigung aufzuschieben, ja eine solche Bereitschaft sei "verlangt" worden. Danach sei es weitergangen nach dem mittlerweile bekannten Muster: vom Arbeiten und Sparen zum Konsumwahn und zum fröhlichen Schuldenmachen. -Doch damit werden -soviel steht fest -die Möglichkeiten, wie sie sich von Webers Protestantismusthese her für die Analyse des Diskurs' um das BGE eröffnen, nicht genutzt. Selbstverständlich ist auch die Diskussion um das BGE eine Diskussion um Mentalitäten. Die Bereitschaft, die eigenen Bedürfnisse, den eigenen materiellen oder immateriellen Vorteil einstweilen -oder für länger -hintanzustellen, steckt auch im "Gefühl, gebraucht zu werden"; ,Überidentifikation mit der Arbeit statt Befriedigung durch Selbstverwirklichung'. Aber diese Bereitschaft macht das "Gefühl, gebraucht zu werden", nicht aus. Denn in ihm steckt auch -der Ausdruck mag erstaunen, passt aber durchaus -das Moment des Berufenseins. Und berufen zu werden ist keine bloß irdische Angelegenheit. Fraglos ist bei der Bezugnahme auf die Webersche Protestantismusthese Zurückhaltung geboten. Der "Geist des Kapitalismus", wie ihn Weber idealtypisch bestimmt hat, ist aus unserer Einstellung zu Arbeit und Beruf entschwunden. Aber er hat etwas zurückgelassen: dieses unbedingte, mit nichts, keiner wirklichen Ursache zu erklärende Gefühl des ,Arbeitens um gebraucht zu werden'. Es ist diese Bestimmung von Arbeit, zu der der Arbeitsbegriff, wie er enthalten ist in der Idee des BGE, in größtmöglichem Gegensatz steht. Was wiederum dessen Verständnis befördert: ,Meine Arbeit ist meine Sache', nicht diejenige ökonomischer Zwänge, unternehmerischer oder höherer, gar überirdischer Interessen. Was ich tue, ist sinnvoll -sinnvoll, weil Ausdruck meines [eigenen] Vermögens zu kreativer Tätigkeit -, von mir eigenverantwortlich gewählt, Teil meines selbstbestimmten Lebens. Ich entscheide, ob ich freiwillige, gemeinnützige -nach dem bisherigen Begriff: unbezahlte -Arbeit leiste oder ob ich ein Arbeitsverhältnis eingehe, also nach bekannter Manier Lohn beziehe. All diese Bestimmungen gehören zum Arbeitsbegriff nach Maßgabe des BGE. Wird dieser Arbeitsbegriff auf denjenigen bezogen, wie er durch die PE bestimmt ist, tut sich ein gewaltiger Unterschied auf. Und nebenbei sei bemerkt: was den Arbeitsbegriff angeht, mutet die Aussage, mit dem BGE werde eine "quasi-religiöse Arena" betreten, etwas sonderbar an. "Religiöse Arena" muss es heißen, und wir sind längst drin. Es ist daher auch alles andere als erstaunlich -wenn ich dies noch ergänzen darf -, wie im Diskurs des BGE unversehens vom "Credo" des je anderen die Rede ist, von etwas, das sich Argumenten entzieht, oder schlicht von "Glaubensfragen", ein eigentlicher moralischer Furor losbricht -und nicht zu vergessen die Feststellung, beim BGE handle es sich um nichts weniger als eine "Erlösungsstrategie". Das macht deutlich: ,es geht um mehr'.
"Perspektiven auf das bedingungslose Grundeinkommen: Eine Analyse
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 2021
Diese Arbeit untersucht die Perspektiven und die praktische Umsetzbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) in Deutschland. Ausgehend von einer historischen Betrachtung des Konzepts analysiert sie verschiedene Modellvorschläge unter ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Aspekten. Die Machbarkeit und potenzielle Auswirkungen eines BGEs auf das bestehende Sozialsystem werden kritisch evaluiert, um zu einer fundierten Einschätzung seiner Implementierung zu kommen.
Das Menschenbild des Grundeinkommens – Wunschvorstellung oder Wirklichkeit?
Das Grundeinkommen. Würdigung, Wertungen,Wege.Herausgegeben von Götz W. Werner, Wolfgang Eichhorn und Lothar Friedrich. Karlsruhe: KIT Scientific Publishing, 2012
Wer die öffentliche wie wissenschaftliche Diskussion über den Vorschlag eines Be dingungslosen 1 Grundeinkommens aufmerksam verfolgt, gelangt bald zu dem Schluss, dass sich Für und Wider -jenseits aller Nebenaspekte -an einer Sache entscheiden: am Menschenbild. Denn alle Einwände zielen auf die grundlegende Frage: Wie viel Engagement zum Wohle des Gemeinwesens ist den Menschen zu zutrauen? Einwände nehmen nicht selten reflexhafte Formen von Abwehr an, so als könne nicht sein, was nicht sein dürfe. 2 Das individuell wie kollektiv vorherrschende, einer Lebenshaltung entsprechende Menschenbild bestimmt, welche Auswirkungen eines Bedingungslosen Grundeinkommens erwartet und welche Folgeprobleme befürchtet werden. Überraschend ist dieser Befund keineswegs. Interessant und aufschlussreich wird er allerdings, wenn wir ihn ins Verhältnis zur politischen Ord nung setzen, auf deren Basis die öffentliche Diskussion stattfindet, wenn wir also nach den Prinzipien und Bedingungen der Möglichkeit von nationalstaatlicher, universalistischer Demokratie fragen, wie sie auch in Deutschland ausgestaltet ist. Um diesen Zusammenhängen nachzugehen, wird zunächst die Frage gestellt, was unter einem Menschenbild zu verstehen ist. Daran anschließend wird das Men schenbild der Demokratie betrachtet, wie es in der politischen Ordnung der Bun desrepublik Deutschland zum Ausdruck kommt. Dabei ist das zu betrachtende Menschenbild keine Besonderheit Deutschlands. Es entspricht demjenigen, das die moderne, universalistische, auf Bürgerrechte und Gewaltenteilung gründende De mokratie, wie sie in je konkreter Gestalt in verschiedenen Ländern realisiert ist, auszeichnet. Zum Schluss werden politische Ordnung, Selbstverständnis als Ge meinwesen und Bedingungsloses Grundeinkommen ins Verhältnis gesetzt. 1 Ich greife seit kurzem zur Großschreibung des Adjektivs, um herauszuheben, dass es sich um ein Schlagwort der öffentlichen Diskussion handelt. Es hat sich durch diese Debatte etabliert, ist begrifflich aber nicht prägnant genug, woher manche Missverständnisse rühren. Versuche, das Adjektiv bedingungslos durch "garantiert" oder "allgemein" zu ersetzen, führen indes auch nicht zu einer begrifflichen Schärfung. Vgl. LIEBERMANN 2010. 2 Siehe z. B. Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen, MdB) im Film Designing Society: "Aber dass es an Leute wie mich, die als Bundestagsabgeordnete achtzigtausend im Jahr verdienen, ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt wird, das sehe ich nicht ein." [Hervorhebung SL] (HEITZMANN/ZGRAJA 2007, S. 156).
Soziologische Revue, 2015
Die 2003 und 2004 verabschiedeten Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarktin der Öffentlichkeit besser bekannt unter dem Namen "Hartz-Reformen"gelten als einer der gravierendsten Eingriffe in das deutsche Sozialsystem seit Jahrzehnten. Gerade "Hartz IV" wird allgemein als Bruchfreilich recht unterschiedlich als Auf-, Durch-oder Dammbruchbewertet, weil mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und der Einführung der Grundsicherungsleistung des Arbeitslosengeldes II das Anfang der 2000er Jahre zwar bereits kräftig lädierte, formal aber immer noch gültige Äquivalenzprinzip (hinsichtlich der Lohnersatzleistung und der "Zumutbarkeit" von Arbeit) im Geltungsbereich des SGB II endgültig entmachtet wurde und sich mit der Inthronisierung des Aktivierungprinzips eine paradoxe Konstruktion ergab: Auch die meisten derer, die früher nur Sozialhilfe bezogen hatten, wurden fortan als potenzielle Erwerbsbürger adressiertund im Gegenzug wurden die Lohnersatzleistungen in eine der Sozialhilfe sehr ähnliche Grundsicherungsleistung umgewandelt. Langzeitarbeitslosigkeit wurde also symbolisch und weitgehend auch finanziell mit Sozialhilfebezug gleichgesetzt, 1 was angesichts der (auch unter Arbeitslosen verbrei-1 Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist dies nicht zwingend mit finanzieller Schlechterstellung gleichzusetzen. Da die Arbeitslosenhilfe faktisch in den meisten Fällen weniger als die Hälfte des früheren Erwerbseinkommens ausmachte, waren beträchtliche Teile der Arbeitslosenhilfe Beziehenden ohnehin auf ergänzende Sozialhilfe angewiesenund diesen Doppelstatus zu beenden, war bekanntlich eines der wichtigsten Motive der "Hartz-Reformen". Analysen zeigen jedenfalls, dass die Zahl der (finanziellen) Gewinner und Verlierer sich in etwa die Waage hält.