Erziehung nach und über Auschwitz. Eine empirische Student_innen-Befragung zum Umgang mit Nationalsozialismus und Holocaust. Ergebnisse eines Freiburger Forschungsprojekts (original) (raw)
Erziehung nach / über Auschwitz
2010
This diploma thesis deals with the conveyance of the subject of National Socialism and the persecution and extinction of Jews and other groups to school pupils in Austria. Since the 1980s the term "Holocaust Education" is used worldwide for the educational work in this field as well as for the discourse about it. A central objective related to this thesis was to determine the character – self-conception, contents and didactic approaches – of Holocaust Education in Austria and to answer the question whether it represents a contribution to the development of critical and mature subjects in the understanding of Critical Theory as described by Adorno. For this purpose the critical-theoretical foundation of education after Auschwitz was outlined and categories for a qualitative content analysis were generated. Then the set of categories was adapted to a comprehensive scope of material, won through qualitative, semi-structured, problem-centered interviews with actors of Holocaus...
Die Welt als Bühne mit doppeltem Boden, 2018
Zusammenfassung Die psychoanalytische Fallrekonstruktion aus einem Frankfurter Forschungsprojekt zur Schul-und Unterrichtsforschung zeigt exemplarisch, wie sich mit Hilfe der Tiefenhermeneutik hinter den manifesten Intentionen der Akteure verborgene latente Sinnzusammenhänge aufdecken lassen: Obwohl eine Lehrerin in einer Schulstunde über die kollektive Abwehr der Shoa durch die Deutschen im Jahre 1945 aufklären will, verkehrt sich ihre Absicht ins Gegenteil. Die Folge ist, dass sich in diesem politischen Unterricht die kollektive Abwehr der Shoa wie unter dem Druck eines Wiederholungszwangs auf neue Weise reproduziert. Ein emotionales Sich-Einlassen auf das Thema wird nämlich dadurch verhindert, dass es zerredet wird. Das bruchstückhafte narrative Interview zeigt, dass sich die intellektualisierende Abwehr der Lehrerin auf unbewältigte Probleme der eigenen Biographie zurückführen lässt, aufgrund derer sie trotz ihres 68er Selbstverständnisses einem deutschen Nationalismus gegenüber ambivalent gegenübersteht. Die Fallrekonstruktion offenbart, wie nicht zuletzt Professionalisierungsdefiztite in der Lehrerausbildung dazu führen, dass die unbewältigte Erfahrung des Holocaust unbewusst an nachfolgende Generationen weitergegeben werden, obwohl die Lehrkräfte sich darum bemühen, über Auschwitz aufzuklären.
Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erzie-hung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begrün-den zu müssen noch zu sollen. Ich kann nicht verstehen, dass man mit ihr bis heu-te so wenig sich abgegeben hat. Sie zu begründen hätte etwas Ungeheuerliches angesichts des Ungeheuerlichen, das sich zutrug. Dass man aber die Forderung, und was sie an Fragen aufwirft, so wenig sich bewusst macht, zeigt, dass das Ungeheuerliche nicht in die Menschen eingedrungen ist, Symptom dessen, dass die Möglichkeit der Wiederholung, was den Bewusstseins-und Unbewusstseinsstand der Menschen anlangt, fortbesteht. Jede Debatte über Erziehungsideale ist nichtig und gleichgül-tig diesem einen gegenüber, dass Auschwitz nicht sich wiederhole. Es war die Barbarei, gegen die alle Erziehung geht. Man spricht vom drohenden Rückfall in die Barbarei. Aber er droht nicht, Auschwitz war er; Barbarei besteht fort, solange die Bedin-gungen, die jenen Rückfall zeitigten, wesentlich fortdauern. Das ist das ganze Grauen. Der gesellschaftliche Druck lastet weiter, trotz aller Unsichtbarkeit der Not heute. Er treibt die Menschen zu dem Unsäglichen, das in Auschwitz nach weltgeschichtlichem Maß kulminierte. Unter den Einsichten von Freud, die wahrhaft auch in Kultur und Soziologie hineinreichen, scheint mir eine der tiefsten die, dass die Zivilisation ihrerseits das Antizivilisatorische her-vorbringt und es zunehmend verstärkt. Seine Schriften "Das Unbehagen in der Kultur" und "Massenpsychologie und Ich-Analyse" verdienten die allerweiteste Verbreitung gerade im Zusammenhang mit Auschwitz. Wenn im Zivilisationsprinzip selbst die Barbarei angelegt ist, dann hat es etwas Desperates, dagegen aufzubegehren. Die Besinnung darauf, wie die Wiederkehr von Auschwitz zu verhindern sei, wird verdüstert davon, dass man dieses Desperaten sich bewusst sein muss, wenn man nicht der idealisti-schen Phrase verfallen will. Trotzdem ist es zu versuchen, auch angesichts dessen, dass die Grundstruktur der Gesellschaft und damit ihre Angehörigen, die es dahin gebracht haben, heute die gleichen sind wie vor 25 Jahren. Millionen schuldloser Menschen-die Zahlen zu nennen oder gar darüber zu feilschen, ist bereits menschenunwürdig-wurden planvoll er-mordet. Das ist von keinem Lebendigen als Oberflächenphänomen, als Abirrung vom Lauf der Geschichte abzutun, die gegenüber der großen Tendenz des Fortschritts, der Aufklärung, der vermeintlich zunehmenden Humanität nicht in Betracht käme. Dass es sich ereignete, ist selbst Ausdruck einer überaus mächtigen gesellschaftlichen Tendenz. Ich möchte dabei auf eine Tatsache hinweisen, die sehr charakteristisch in Deutschland kaum bekannt zu sein scheint, obwohl ein Bestseller wie "Die 40 Tage des Musa Dagh" von Werfel seinen Stoff daraus zog. Schon im ersten Weltkrieg haben die Türken-die so genannte Jungtürkische Bewegung unter der Führung von Enver Pascha und Talaat Pascha-weit über eine Million Armenier ermorden lassen. Höchste deutsche militärische und auch Regierungsstellen haben offensichtlich davon gewusst, aber es strikt geheim gehalten. Der Völkermord hat seine Wurzel in jener Resurrektion des angriffslustigen Nationalismus, die seit dem Ende des 19.Jahrhunderts in vielen Ländern sich zutrug. Man wird weiter die Erwägung nicht von sich abweisen können, dass die Erfindung der A-tombombe, die buchstäblich mit einem Schlag Hunderttausende auslöschen kann, in densel-ben geschichtlichen Zusammenhang hineingehört wie der Völkermord. Die sprunghafte Be-völkerungszunahme heute nennt man gern Bevölkerungsexplosion: es sieht so aus, als ob die historische Fatalität für die Bevölkerungsexplosion auch Gegenexplosionen, die Tötung ganzer Bevölkerungen, bereit hätte. Das nur, um anzudeuten, wie sehr die Kräfte, gegen die man angehen muss, solche des Zuges der Weltgeschichte sind. Da die Möglichkeit, die objektiven, nämlich gesellschaftlichen und politischen Voraussetzun-gen, die solche Ereignisse ausbrüten, zu verändern, heute aufs äußerste beschränkt ist, sind Versuche, der Wiederholung entgegenzuarbeiten, notwendig auf die subjektive Seite abge-drängt. Damit meine ich wesentlich auch die Psychologie des Menschen, die so etwas tut. Ich glaube nicht, dass es viel hülfe, an ewige Werte zu appellieren, über die gerade jene, die für solche Untaten anfällig sind, nur die Achseln zucken würden; glaube auch nicht, Aufklärung darüber, welche positiven Qualitäten die verfolgten Minderheiten besitzen, könnte viel nut-zen. Die Wurzeln sind in den Verfolgern zu suchen, nicht in den Opfern, die man unter den armseligsten Vorwänden hat ermorden lassen. Nötig ist, was ich unter diesem Aspekt einmal die Wendung aufs Subjekt genannt habe. Man muss die Mechanismen erkennen, die die Menschen so machen, dass sie solcher Taten fähig werden, muss ihnen selbst diese Mecha-nismen aufzeigen und zu verhindern trachten, dass sie abermals so werden, indem man ein allgemeines Bewusstsein solcher Mechanismen erweckt. Nicht die Ermordeten sind schuldig, nicht einmal in dem sophistischen und karikierten Sinn, in dem manche es heute noch kon-struieren möchten. Schuldig sind allein die, welche besinnungslos ihren Hass und ihre Angriffswut an ihnen ausgelassen haben. Solcher Besinnungslosigkeit ist entgegenzuarbeiten, die Menschen sind davon abzubringen, ohne Reflexion auf sich selbst nach außen zu schlagen. Erziehung wäre sinnvoll überhaupt nur als eine zu kritischer Selbstreflexion. Da aber die Charaktere insge-samt, auch die, welche im späteren Leben die Untaten verübten, nach den Kenntnissen der Tiefenpsychologie schon in der frühen Kindheit sich bilden, so hat Erziehung, welche die Wiederholung verhindern will, auf die frühe Kindheit sich zu konzentrieren. Ich nannte Ihnen Freuds These vom Unbehagen in der Kultur. Sie ist aber umfassender noch, als er sie verstand; vor allem, weil unterdessen der zivilisatorische Druck, den er beobachtet hat, sich bis zum Unerträglichen vervielfachte. Damit haben auch die Tendenzen zur Explosion, auf die er aufmerksam machte, eine Gewalt angenommen, die er kaum absehen konnte. Das Unbehagen in der Kultur hat jedoch-was Freud nicht verkannte, wenn er dem auch nicht konkret nachging-seine soziale Seite. Man kann von der Klaustrophobie der Menschheit in der verwalteten Welt reden, einem Gefühl des Eingesperrtseins in einem durch und durch vergesellschafteten, netzhaft dicht gesponnenen Zusammenhang. Je dichter das Netz, desto mehr will man heraus, während gerade seine Dichte verwehrt, dass man heraus kann. Das verstärkt die Wut gegen die Zivilisation. Gewalttätig und irrational wird gegen sie aufbe-gehrt. Ein Schema, das in der Geschichte aller Verfolgungen sich bestätigt hat, ist, dass die Wut gegen die Schwachen sich richtet, vor allem gegen die, welche man als gesellschaftlich schwach und zugleich-mit Recht oder Unrecht-als glücklich empfindet. Soziologisch möch-te ich wagen, dem hinzuzufügen, dass unsere Gesellschaft, während sie immer mehr sich integriert, zugleich Zerfallstendenzen ausbrütet. Diese Zerfallstendenzen sind, dicht unter der Oberfläche des geordneten, zivilisatorischen Lebens, äußerst weit fortgeschritten. Der Druck des herrschenden Allgemeinen auf alles Besondere, die einzelnen Menschen und die einzelnen Institutionen, hat eine Tendenz, das Besondere und Einzelne samt seiner Wider-standskraft zu zertrümmern. Mit ihrer Identität und ihrer Widerstandskraft büssen die Men-schen auch die Qualitäten ein, kraft deren sie es vermöchten, dem sich entgegenzustem-men, was zu irgendeiner Zeit wieder zur Untat lockt. Vielleicht sind sie kaum noch fähig zu
RaumGeschichten schreiben: Schüler/innen erforschen den Holocaust in Wien
GW-Unterricht, 2020
In den letzten Jahren wurden große Teile der Daten des Holocaust-der Vertreibung europäischer Juden und anderer Minderheiten-digital aufbereitet und nicht selten auch mit Geokoordinaten versehen. Dies eröffnet in Verbindung mit historischen Wikis die Möglichkeit mit Schülerinnen und Schülern Erinnerungsräume medial zu gestalten und Geschichte öffentlich zu schreiben. Dieser Beitrag diskutiert zunächst die Verbindungen zwischen dem GW-Unterricht und der Konzeption der Holocaust Education im Allgemeinen. Im weiteren beschreibt er Didaktiken zu Erinnerungsorten und stellt eine Lernumgebung vor, in der Schülerinnen und Schüler, im Alter von 14 Jahren, betreut die Geschichte einzelner deportierter Personen und Orte schreiben.
Überlegungen zu den Ansprüchen einer "Erziehung nach Auschwitz" im Sinne Adornos
Ausgehend von einer Rekonstruktion der Vorstellungen Adornos über eine "Erziehung nach Auschwitz" wird ein Blick auf bundesdeutsche Debattenbeiträge unter diesem Schlagwort geworfen, um eine Positionsbestimmung zur Frage, welche Ansprüche an die schulische Praxis im Sinne Adornos und des durch ihn geprägten Schlagworts gestellt werden können, vorzunehmen.
Gedenkdienst 2/2018, 2018
Dieser Beitrag in der Zeitschrift "Gedenkdienst" fasst einige zentrale Resultate der gleichnamigen Publikation aus dem Jahr 2017 im Hermagoras/Mohorjeva Verlag (Danglmaier, Hudelist, Wakounig, Wutti) zusammen. Erinnerung und Gedächtnis heute, bald 75 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus und zugleich nahezu 100 Jahre nach der Kärntner Volksabstimmung, dürften für junge Menschen auch durch ihr grundsätzliches Potential an Grenzüberschreitung und der Exploration von Neuem ansprechend sein. Gerade in diesem Bereich warten noch viele Grenzregionen im geographischen, aber auch kulturellen und sprachlichen Sinn darauf, über neue, inklusivere Narrative von einer jüngeren Generation – gegebenenfalls angeleitet von engagierten und innovativen Lehrpersonen – erarbeitet und in den Diskurs gebracht zu werden.