Kästchen oder Quader? Zur Sitzstatue des Lorenzo De' Medici in der Sagrestia Nuova und zum Problem der Materialität in den Skulpturen Michelangelos (original) (raw)

Michelangelos inventio einer Stigmatisation des Hl. Franz von Assisi in San Pietro in Montorio und ihr Fortleben in Druckgrafik, Malerei und Skulptur

transcript Verlag eBooks, 2019

Kunstwerke, die auf Michelangelos inventio oder auf seinen Ratschlag zurückgehen, gibt es in San Pietro in Montorio mehrere: Zu ihnen zählen die bekannten Ausstattungen der Cappella Borgherini sowie der Grabkapellen Del Monte und Ricci. 1 Doch nur wenigen Spezialisten der Michelangeloforschung war es bisher vorbehalten, um ein verlorenes Werk des Florentiners in San Pietro in Montorio zu wissen. Es handelt sich um die frühe Stigmatisation des Hl. Franz von Assisi in der Cappella delle Stimmate, die der Cappella Borgherini links vom Eingang gegenüberliegt. 2 Heute legt sich ein gleichnamiges Fresko des Giovanni de'Vecchi in die Rundung der Nische (Abb. 1). 3 Dieser ergreifenden Szene des Empfangs der Stigmata wohnt nicht nur der aus den Viten des Hl. Franz bekannte Gefährte bei, sondern es begleiten sie auch zwei Ordensbrüder und zwei Klarissen, die sich lesend in dieses Ereignis von größter Tragweite für die Auslegung der Regel versenken. 4 De'Vecchis Hl. Franz entfernt sich in seiner leidenschaftlichen Bewegtheit in einer Weise von der ikonografischen Tradition, dass sich mir seit langem die Frage nahegelegt hatte, ob in dieser Konzeption nicht eine Erinnerung an das verlorene Werk Michelangelos enthalten sein könnte. 5 Dieses hatte man vor Anfertigung der Fresken De'Vecchis, die 1608 erstmals erwähnt werden, 6 vermutlich beschädigt in die Sakristei von San Pietro in Montorio verbracht. 7 Dort hatte es Padre Resta gesehen und aus dem Gedächtnis eine winzige Skizze angefertigt. 8 Die Publikation zweier bisher unbekannter Stiche nach Michelangelos Stigmatisation im Escorial erlaubt es nun, nicht nur ihre Vorbildhaftigkeit für De'Vecchis Fassung, sondern auch für weitere Kunstwerke des Cinquecento zu beweisen (Abb. 2-3). 9 Möglicherweise wäre die Beschäftigung mit Michelangelos verlorenem Frühwerk intensiver gewesen, hätte man nicht mit einer etwas widersprüchlichen

Vorbilder und Nachbilder. Michelangelos Maus in der Medicikapelle als hermeneutischer Testfall

Antworten auf Michelangelo, ed. by Georg Satzinger and S. Schütze, pp. 135-52 , 2020

Vorbilder und Nachbilder Michelangelos Maus in der Medicikapelle als hermeneutischer Testfall Der Titel meines Beitrags führt etwas in die Irre. Es geht nicht um Vor-und Nach-bilder im formalen Sinne, sondern darum, die konzeptuellen Inspirationsquellen eines Kunstwerkes mit dessen Rezeption bzw. Rezeptionsgeschichte in Beziehung zu setzen. Als hermeneutischer Testfall dient dabei Michelangelos Medicikapelle, deren Vorbilder nicht immer offensichtlich sind und deren Wirkungsgeschichte zum Verständnis ihrer komplexen Sinnstruktur beitragen kann. Es geht also um die sich gegenseitig korrigierenden hermeneutischen Parameter von Vorbild und Nachbild, von Voraussetzung und Folge. Hierbei werde ich ausgehend von anti-ken Konzepten zur plastischen Darstellung der Allegorie der Zeit einen herme-neutischen Referenzrahmen für das Verständnis der Medicikapelle skizzieren, um dann nach einer möglichen Konzeptualität zu fragen, die Michelangelo während der Entwurfsphase entwickelte und die im Fortgang der Arbeiten zu einer Reduk-tion symbolisch gemeinter Elemente in der Medicikapelle führte. Zudem werde ich nach dem Echo dieser Reduktion des Symbolischen in der Rezeptionsge-schichte fragen. Hierbei spielt abschließend auch Michelangelos Maus eine Rolle.

Verschiedene Aspekte der Vielansichtigkeit: eine Fallstudie über die Ansichtigkeit bei Michelangelos Skulpturen

Keio University Art Center Annual Report/ Bulletin 27, 2020

Unlike relief, perspective plays an important role in freestanding statues that stand on their own in space. This is because the sculptor must consider where the viewers will stand and from which direction they will look at the statue when the sculptor decides on the form of the work. During the Renaissance, statues with multiple points of view were favored. However, careful consideration must be given to what statues were perceived to be with „multiple viewpoint“s at the time. In today’s sense, it is natural to think that the viewers can look at something to be seen from any viewpoint, whether it is the content of the subject or the body of the figure itself. In the Renaissance, on the other hand, as Vasari notes, a freestanding figure with anatomical accuracy could be rated as having“multiple viewpoints”. Michelangelo, a contemporary of Vasari’s, probably had a similar perception of the statue’s perspective, but if we observe it from the modern notion of multiple viewpoints, we can see that his works are shaped beyond the framework of such an understanding. With this in mind, this paper will show how multiple viewpoints are ensured and developed in Michelangelo’s work. Already in Bacchus, Michelangelo has set up multiple view- points on the statue. Nevertheless, it is clear that the main viewpoint is that, from which the action of Bacchus and the satyr are instantly recognizable, and when the viewer stands in front of each statue, the other statue turns away from the eyes of the beholder. Furthermore, since only the back of both statues can be seen from the opposite side of the main view, it can be judged that the image has surely multiple viewpoints, but they divide into a main view and secondary views. In Hercules and Cacus, which, scholars think, have been conceived as a counterpart to David, Michelangelo’s consideration of multiple viewpoints is further deepened. In this work, the backs of both figures are placed against the wall, so that the dynamism of the struggle and the muscularity of their bodies are clearly presented in three directions. Therefore, it can be said that this work is a sculpture with several main viewpoints. The most notable of Michelangelo’s works on the subject of multiple viewpoints is the small bronze statue of Samson and the Philistines, based on his model. What is important to note in this work is that the multiple main viewpoints created by the complex intertwining of figures are connected each other by the movement of the body and figurative motifs, so that the statue get to have a continuous viewpoints. Although this form is based on the same principle as Giambologna’s the Rape of the Sabine Woman, Michelangelo’s concetto predates Giambologna’s work by half a century, demonstrating how far-sighted Michelangelo was in his perception of the point of view. Thus, Michelangelo’s statues had multiple viewpoints not only in the cognition of their time, but also in the modern sense. Furthermore, it became clear that he had used several sorts of multiple viewpoints, although it had received little attention until now.

Zur Deutung der Kathedra-Szenen: Die ›mappa‹, der ›Weihrauchschwenker‹ und die Kathedren im Kuppelmosaik von Centcelles

A. Arbeiter / D. Korol (eds), Der Kuppelbau von Centcelles. Neue Forschungen zu einem enigmatischen Denkmal von Weltrang. Iberia Archaeologica 21, 2016

The Interpretation of the Cathedra Scenes: ›Mappa‹, ›Censer‹ and Cathedra in the Mosaic of the Centcelles Cupola Within the discussion on the interpretation of the four cathedra scenes in the mosaic dome at Centcelles the depicted realia are readily used as arguments for controversial interpretative approaches. A critical analysis of the three central realia has provided significant evidence: as for the so-called censer, the conserved finding does not support such an interpretation. ›mappa‹ and cathedra form no viable arguments for an episcopal or an imperial interpretation, whereas they could be easily defined in an aristocratic representation context.

Das Bildprogramm des Doms von Monreale und die Liturgie der Quadragesima: Zur Deutung des südlichen Querhauses

Text und Bild. Tagungsbeiträge. (= FS Kurt Smolak; Hg. V. Zimmerl-Panagl / D. Weber; Österreichische Akademie der Wissenschaften: Philosophisch-historische Klasse. Sitzungsberichte 813), Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften, 2010

Das komplexe Verhältnis von Text und Bild wird durch zusätzliche Dimensionen bereichert, wo der betreffende Text selbst nicht eine statische Größe, sondern eine lebendige Wirklichkeit darstellt; ein besonders aufschlußreiches und faszinierendes Beispiel dafür ist die Liturgie, welche sich in einer dynamischen Verschränkung von Raum und Zeit entfaltet. In Kirchenräumen, für deren Ausstattung a priori ein Bezug zum Gottesdienst angenommen werden darf, stellt sich darum die Frage nach dem Verhältnis von Raum und Ritus, Bild und Text. In diesem Sinne fragt die vorliegende Untersuchung nach der Beziehung eines besonders prominenten liturgischen Raumes zum Gottesdienst im Rhythmus der Zeit: konkret danach, ob und, wenn ja, inwiefern das Bildprogramm des Doms von Monreale von der Liturgie der Quadragesima bestimmt ist. Dazu ist zunächst der relevante Teil der Mosaike zu beschreiben und die kunsthistorische Diskussion um ihre Deutung zu referieren; im zweiten Schritt soll erörtert werden, ob ein prägender Einfluß der quadragesimalen Leseordnung auf das ikonographische Programm des südlichen Querhauses zu erkennen ist und welche Probleme mit einer solchen Interpretation verbunden sind.

Weisheitliche Phantasie". Romanische Figurenkapitelle in der Kathedrale von Chartres

2020

Als der Nord(west)turm der Kathedrale von Chartres entstand, ließen die Bauherren sein Erdgeschoss mit Halb-und Dreiviertelsäulen schmücken, die von kostbar gearbeiteten pflanzlichen und figuralen Kapitellen gekrönt werden. Sie sind heute die ältesten in situ erhaltenen Skulpturen der Kathedrale. Befänden diese Kapitelle sich in einer Abteikirche im Süden Frankreichs oder im Burgund, sie würden prominent als Meisterwerke romanischer Kunst gezeigt. In der hochberühmten Kathedrale von Chartres fristen sie dagegen ein wenig beachtetes Dasein, überstrahlt von so vielen wichtigeren Kunstschätzen der beginnenden Gotik.