Die feindlichen Unterschiede: Konfliktpolitik und Mobilisierungskritik in zerstreuter Film-Wahrnehmung ("Little Joe" und "Us") – Vortrag 8. Juli 2022, 11.40h, Konferenz "Matters of Difference. Filmische, mediale und diskursive Differenzverflechtungen", FU Berlin 7.-9.7.2022 (original) (raw)
Das Etikett Mobilisierung verwende ich in zwei Bedeutungen, die different, vielmehr: divergent sind und zunächst nur einen Bereich für beschreibende, interpretierende, polemische, begriffsskizzierende... Operationen abstecken. Zum einen Mobilisierung als Dynamik neoliberalen Regierens, die gängiger unter Flexibilisierung, Entfesselung und Optimierung gefasst ist. Zum anderen Mobilisierung in Form politischer Bewegungen bzw. der politischen Artikulation sozialer Konflikte. Anhand der Mainstream-Filme Little Joe (2019) von Jessica Hausner und Us/Wir (2019) von Jordan Peele schneide ich dreierlei an: 1) Mobilisierung in der Bedeutung neoliberaler, auch neonationalliberaler, disruptivkonservativer Entregelung-inwieweit stößt Kritik an ihr auf das Problem, dass sie "intakte Normalzustände" behauptet und naturalisiert? Seien diese wohltemperierte bürgerliche Demokratie (die mit rassistischen und elitistischen Machtformen einige Übereinstimmungen hat) oder unentfremdetes, "gesundes" Mensch-Sein. Little Joe gibt da Antworten. 2) Kritik an identifizierenden Verhärtungen von Protestbewegungen und am Überhöhungs-und Offenbarungs-Pathos popularer Mobilisierung - inwieweit lässt sich sowas im Horizont einer Bewegung artikulieren, auch mit ihr artikulieren? Also ohne Pathos und Konflikt-Sinn aus der Politik auszuschließen? Us gibt da Antworten. 3) Anhand beider lassen sich Beobachtungen zu politischen Einsätzen von Mainstream-Spielfilm thesenhaft zuspitzen und differenztheoretisch aufbrezeln. Wie positioniert sich Film zur Politik, ohne sich auf Repräsentation zu bescheiden, aber auch abseits der Dogmatik von Versinnlichung oder aber Reflexion? Lösungen, zu denen Little Joe findet, rufen Deleuze´sche Film-Begriffe der Aktions/Situations-Differenz im Licht seiner Logik des Sinns auf den Plan; Lösungen, die Us in den Raum stellt, gewinnen mit Laclau/Mouffes Populismus-Theoremen, mit Ruth Sonderegger und von Denkfiguren politischer Differenz her an Kontur. Beide Male geht es auch um Treue zur ZersTreuung, die sie enthält. Als Lösungen sind beide Kracauer´sche nonsolutions-also erstens keine, aber zweitens unvermeidlich.