Das Bild der Türken im deutschen Humanismus am Beispiel der Werke Sebastian Brants (1456-1521) (original) (raw)
Das Bild der Türken im deutschen Humanismus am Beispiel der Werke Sebastian Brants (1456-1521) Antje Niederberger Aber ich hoff alle christenheyt Werd willig zu dem fryd bereyt Vor uß die tutsche nation Sich rusten mit der romsche kron Durch selen heyl und gottes ere Und mit den kunigen uber mere Ziehen, die yetz des willens sindt Wie durch geschrifft ist uß verkundt Das in brochmond in disem iar Zusamen kumbt ein grosse schar […] So wurt ungern und engellandt Von schotten und hyspanien Von polandt und germanien Der edlen tutschen keck und frumen Und so vil christen zusamen kumen Das man wol mag gots gnaden hoffen Der heylig babst wurt nit verschlossen All seine schatz thut er uff ßchliessen Darauß die geistlich gaben flyessen Mit aploß und der gnaden zeichen Jn zytlichem wurt er auch reychen Und an sich handt das creutz genommen Den sollt, den christen die do kummen Das thut er yetz offentlich verkunden Romsch aploß fur pein und fur sunden Was man wurt sammlen und uffheben Das wurt zu disem zugk als geben […] 1 . 1 Sebastian Brant, Zu eren romscher kuniglicher maiestat von der vereyn der kunigen und anschlag an die turchen. Sebastianus Brant [Straßburg, um 1502]. Zitiert nach Sebastian Brant, Kleine Texte, hg. von Thomas Wilhelmi, 3 Bände (Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur 3.1.1, 3.1.2 und 3.2, Stuttgart 1998) (im folgenden zitiert: Wilhelmi und laufende Nr.), hier 1.2, Nr. 386, Verse 94-103 und 119-135. Antje Niederberger Die Verse, deren Inhalt in die Hochzeit der Kreuzzüge zu versetzen scheint, stammen aus der Feder des oberrheinischen Humanisten Sebastian Brant. Die Ungläubigen, gegen die hier zu Feld gezogen werden soll, sind nicht die Araber, Sarazenen oder Mamluken, sondern die Türken (V. 136 und 138f.): Man wurt damit die turchen kriege | […] | So ist der anschlag recht und gut | Was man zuhilff des glaubens thut. Jerusalem, das eigentliche Ziel der hochmittelalterlichen bewaffneten Pilgerfahrten, scheint vergessen. Wie und wen können solche Verse am Ausgang des Mittelalters zum heiligen Krieg gegen die Osmanen überzeugen? Sebastian Brant hat sich weniger als Nostalgiker denn als Pragmatiker einen Namen gemacht. Zitterte ihm die Hand, liefen ihm beim Schreiben die Tränen des Entsetzens und Schreckens über die Türkengreuel herab, wie er an anderer Stelle kundtat? Oder sind hier Beispiele aus der rhetorischen Trickkiste eines bekannten Literaten überliefert, der vor allem im Sinn hatte, handfeste politische Ziele zu propagieren? Es fällt sogleich ins Auge, daß zwar der Papst großzügig in seine Schatulle greift, die Ungarn, Engländer, Schotten und Spanier mitmachen wollen und -beruhend auf hier nicht zitierten Textstellen -der König von Frankreich seinen Frieden mit den Habsburgern macht, Mailand und das Königreich Neapel an Burgund fallen und alle anderen, die sich noch nicht entschlossen haben, dem großen Friedensbündnis beizutreten -Venedig, Geldern und andere -sich wohl noch besinnen werden, aber daß unzweifelhaft Maximilian als römischer König und seine herausragende tutsche nation allen vorangehen und das Kommando geben. Es klingt also nach politischer Propaganda; in der Tat bezieht sich das Gedicht auf den zwischen Ludwig XII. und Maximilian I. geschlossenen Friedensvertrag vom 31. Oktober 1501 2 . Brant drückt darin erneut seine Hoffnung aus, es möge nun endlich die Voraussetzung für einen gemeinschaftlichen Kriegszug gegen die immer weiter nach Europa vorrückenden Osmanen geschaffen sein. Damit dieser Zug gelingen kann, ist seiner Auffassung nach nicht nur der Friede unter den europäischen Regenten, sondern auch die Oberhoheit Maximilians I. von Habsburg über das Reich und seine Nachbarn Voraussetzung. Glaubt man den Ausführungen Sebastian Brants, die mehr oder weniger sein ganzes Werk durchziehen, so bleibt die einzige Lösung des "Türkenproblems" ein organisierter Kreuzzug unter der Schirmherrschaft Maximilians I. von Habsburg. An Bemühungen seitens des Königs hat es während seiner Regentschaft nicht gemangelt, allein die politischen Querelen mit Frankreich, Ungarn, den Reichsständen und den Eidgenossen haben solche Pläne meist vereitelt. Ein Türkenkreuzzug war seit Jahrzehnten geplant und immer wieder in Angriff genommen worden -auch von den Päpsten -, so daß Sebastian Brant nicht als Erfinder dieser Pläne oder gar als rückständiger Träumer gelten kann. 2 Die Verse dürften wohl im November 1501 entstanden sein. In dem Gedicht wird der Friedensschluß zwischen den beiden Königen ausdrücklich genannt, außerdem ist von der geplanten Ehe zwischen Maximilians Enkel Karl V. und Ludwigs XII. Tochter (Claudia) die Rede, also einem Gegenstand des Vorvertrags von Trient. Die Ehe sollte das habsburgisch-spanische Heiratsbündnis ergänzen und die christlichen Mächte gegen die Türken einigen. Der Vertrag sollte von Maximilian auf dem Frankfurter Reichstag im Dezember 1501 ratifiziert werden (was nicht geschah), Ludwig XII. von Frankreich verkündete die Ratifikation am 12. Dezember desselben Jahres öffentlich. Die schon kurze Zeit danach beginnenden Nachverhandlungen und Verstimmungen werden von Brant nicht angesprochen, was für eine Abfassung der Verse noch im Jahr 1501 sprechen dürfte. Vgl. Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit 3: Auf der Höhe des Lebens. 1500-1508. Der große Systemwechsel. Politischer Wiederaufstieg (München 1977) 77-97.