Unversöhnte Anerkennung und die Politik der Toleranzkonflikte (original) (raw)

Zur Normativität in Anerkennungsverhältnissen Politiken der Anerkennung bei Honneth und Butler

Anerkennung gilt spätestens seit Hegel als einer der zentralen Begriffe der Sozialphilosophie und der politischen Theorie. 1 Die Grundthese, die aktuelle Positionen -trotz vielfacher Unterschiede -teilen, lautet, dass sich subjekt-und gesellschaftskonstitutive Fragen sowie eine Reihe von sozio-politischen Auseinandersetzungen nur dann angemessen analysieren und interpretieren lassen, wenn sie als »Kämpfe um Anerkennung« verstanden werden.

Tolerante Rassist*innen: Kämpfe um Anerkennung in der deutschen Stadt

sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung

Der rezensierte Sammelband markiert den Auftakt für ein neues Forschungsfeld kritischer, deutscher Stadtforschung. Das ist nicht nur zeitgemäß, sondern überfällig. Die Autor*innen der Studie fokussieren insbesondere das städtische Moment rechter Narrative in der Stadtpolitik, entlang von Fragen städtischer Sicherheit, der Verkehrspolitik und der Wohnungsfrage in Leipzig und Stuttgart. Während sich die politisch Verantwortlichen ratlos zeigen, verschieben die Forscher*innen ihren Fokus auf die Mikrokonflikte der Lebenswelt: Eine dichte Beschreibung des städtischen Alltagslebens, die sich mit Blick auf Politikverdrossenheit – Resonanz versus Entfremdung –, vor allem aber durch die Unterscheidung zwischen Toleranz und Anerkennung rechter Narrative in der deutschen Stadt analytisch noch schärfen ließe. In Anbetracht bevorstehender Untersuchungen zur diskursiven Rahmung rechter Bewegungen (DFG-Netzwerk) ist das Forschungsfeld hiermit jedoch bestellt.

Jenseits von Toleranz: Respekt. Versuch einer Abhandlung.

2005

In: Widerspruch Nr. 43 Wertestreit um Europa (2005), S. 73-80 Autorin: Julia Hölzl Artikel Julia Hölzl Jenseits von Toleranz: Respekt Versuch einer Abhandlung I. Von der Toleranz als (post)moderner Tugend "Allgegenwart ist ein Attribut des Göttlichen" (Virilio 1993, 68) Beschäftigt man sich mit dem Begriff der Toleranz, so fällt diese zuvorderst durch die ihr immanente Größe auf. Bedrohlich erhaben ihre moralische Unwiderlegbarkeit ins Felde führend, breitet sie ihre apodiktischen Syllogismen behände über alle(s) aus, sich ihrer selbst dabei derart sicher, dass sie wohl als einer der letzten Vorposten großer Erzählungen Lyotardschen Zuschnitts gelten kann; trotzig auf dieser Erzählform beharrend, ist sie somit eine der widerständigsten Bastionen der (Post)Moderne. Sie ist moderner noch als modern, weil sie sich vorderhand doch so klein, bescheiden und rein, so unbedeutend gibt, ihre universalen Begehrlichkeiten erst bei näherer Betrachtung offenbart. Die philanthropische Maske ist dabei eine überaus gut gewählte, eine, die den Zeitgeistigkeiten entspricht, weswegen sie die Moderne auch wie wohl keine andere Erzählung vor ihr zu korrigieren, zu redigieren vermag, versteht sie sich doch selbstverliebt als emanzipatorisches, subversives Element, wo sie doch aber eigentlich nichts weniger

Spiegelnde Anerkennung und narzisstischer Rückzug

Journal für Psychoanalyse

Die digitale Quantifizierung bringt neue instrumentelle Zwänge für die Individuen, aber auch Möglichkeiten der individuellen Selbstkontrolle und Leistungssteigerung hervor, die subjektiv sehr verschieden aufgegriffen und psychisch verarbeitet werden. Selftracking repräsentiert dabei eine praktische Form der quanti­fizierenden Selbstoptimierung. In der Forschung wird Selftracking bisher entweder als Ausdruck von Kontrolle und Heteronomie oder als Möglichkeit gesteigerter Autonomie und Emanzipation verhandelt. Wenige Studien haben sich bisher der Frage gewidmet, wie sich die Nutzung von Selftracking auf Menschen mit spezifischen psychischen Störungen auswirkt. Noch seltener kommen hierbei psychodynamische Ansätze zum Tragen. Basierend auf zwei Fallvignetten aus dem Forschungsprojekt «Das vermes­sene Leben» werden Idealtypen der psychischen Verarbeitung von Selftracking bei Depression und Burnout präsentiert.

Verletzende Anerkennung. Über das Verhältnis von Anerkennung, Subjektkonstitution und ‚sozialer Gewalt’ (bei Butler und Honneth)

Es gehört zur conditio humana, dass der Mensch auf bestimmte Weisen verletzlich ist und sich bestimmten Sorten der Gewalt ausgeliefert sieht, die über die rein körperliche Gewalt und die rein physische Verletzlichkeit hinausgehen, welche er, da er ein körperliches Wesen ist, mit den Tieren teilt. Menschen sind verletzlich, da sie gedemütigt, erniedrigt und beleidigt, missachtet, verspottet und gekränkt werden können. Und häufig sind die Schmerzen, Wunden und Traumata, die durch diese Formen der Gewalt verursacht werden, intensiver und langwieriger als eine rein körperliche Verletzung. 1 Sogar die körperlichen Verletzungen, die Menschen von anderen Menschen zugefügt werden, sind meist nicht nur aufgrund ihrer physischen Wirkungen schmerzhaft, sondern auch aufgrund des symbolischen Gehalts, der abwertenden, diffamierenden und unterdrückenden Geste, die durch körperliche Attacken exekutiert und kommuniziert wird. Ri-1 »Worte schmerzen mehr als Schläge«, antwortet beispielsweise Yussuf, ein arbeitsloser Jugendlicher, im November 2005 auf die Frage, warum er sich an den gewalttätigen Ausschreitungen beteilige, bei denen zunächst in den Pariser Vorstädten und später in ganz Frankreich die Menschen auf die Straße gingen und jede Nacht neue Rekorde bezüglich der Anzahl brennender Autos aufgestellt wurden, und bezieht sich dabei auf die Worte des Innenministers Sarkozy, der die ›Aufrührer‹ mehr oder weniger explizit als ›Dreck‹ bezeichnet hatte (in: Die Zeit, Nr. 46, 10. November 2005, S. 2). 276 | STEFAN DEINES chard Rorty konstatiert auf der Suche nach Merkmalen, die allen Menschen gemeinsam sind, dass wir »nur durch Schmerzempfindlichkeit mit der übrigen spezies humana verbunden [sind], besonders durch die Empfindlichkeit für die Art Schmerz, die die Tiere nicht mit den Menschen teilen -Demütigung.« 2 Rorty geht sogar so weit, zu behaupten, dass die moralisch relevante Definition einer Person, eines moralischen Subjekts laute: »etwas, das gedemütigt werden kann.« 3

Toleranz und die Existenz als Ḏimmī oder Gute Nachbarschaft jenseits der Normen

Toleranz in transkultureller Perspektive, 2020

Toleranz und die Existenz als Ḏimmī oder Gute Nachbarschaft jenseits der Normen »Kein Zwang ist in der Religion.« Der Koran, 2: 256 »Sie achten einem Gläubigen gegenüber weder Vertrag noch Schutzverhältnis. Sie sind es, die Übertretung begehen.« Der Koran, 9: 10 »Wer jemanden, der unter dem Schutz des Paktes steht, tötet, wird den Duft des Paradieses nicht riechen, obwohl er aus der Distanz einer vierzigjährigen Reise wahrgenommen werden kann.« Ḥadīṯ des Propheten »Warum sich so unterscheiden von den anderen Bürgern?« Voltaire, Traité sur la tolérance Einleitung: Die ›Ḏimmī-Existenz‹ 1 oder der Pakt der Toleranz Die einzige Sure, in der der Koran das Wort ḏimma 2 , d. h. ›Pakt‹ verwendet, ist unbestreitbar atTauba 3 ; der Name wird auf vielfache Weise mit 1 Da eine Übersetzung des französischen Begriffs dhimmité (Arabisch: ḏimma) mit ›Dhimmität‹ im Deutschen keinen Sinn ergäbe, wird der Begriff im Text in unterschiedlichen Paraphrasierungen verwendet [Anm. d. Übers.]. 2 Ḏimma (Schutz(-vertrag), Obhut, Garantie) ist ein Begriff des islamischen Rechts, das den juristischen Status nichtmuslimischer ›Schutzbefohlener‹ unter islamischer Herrschaft festlegt [Anm. d. Übers.].

Grenzziehung und Anerkennung

2015

Grenzziehung und Anerkennung: Dynamiken alevitischer Identitätspolitik in der Diaspora 1 Einleitung Wenn ich vor einigen Jahren einen Vortrag über Aleviten in Deutschland gehalten habe, musste ich immer mit der Frage anfangen »Wer oder was sind Aleviten?«-diese Formulierung fand sich auch auf zahlreichen alevitischen Websites. Inzwischen kann man zumindest das Wissen voraussetzen, dass es eine Gruppe gibt, die sich ,Aleviren, nennt. AJeviten sind so weit ins öffentliche und politische Bewusstsein in Deutschland durchgedrungen, dass zum Beispiel alevitiseher Religionsunterricht eingeführt wurde und es Überlegungen zur Etablierung eines »Instituts für a.levitische Studien« an der Universität zu Köln gibt. Und das ist einer höchst erfolgreichen alevitischen Anerkennungspolitik zu verdanken. Auch wenn Aleviten nicht mehr eine weitgehend unbekannte Gruppe sind, bleibt ihre Bestimmung doch umstdtten. Sind Aleviren eine Kultur? Eine ethnische Gruppe? Eine Religionsgemeinschaft? Und falls Letzteres zutrifft, sind Aleviten eine islamische Religionsgemeinschaft? Eine heterodoxe Gemeinschaft? Oder eine nichc-muslimische Religion? Für alle diese Zuordnungen gibt es Beispiele. Ist es schwieriger, Aleviten zu definieren als irgendeine andere Gruppe? Vermutlich nicht. Aber im Fall der Aleviten wird-vor allem von alevitischer Seite selbst-nach einer möglichst eindeutigen Definition verlangt, die aber, ebenfalls unter Aleviten selbst, sehr umstritten ist. Die Dieser Beitrag beruht in weiten 'feilen auf den bereits veröffentlichten Texten M. Sökcfeld, Einleitung: Afeviten in Deutschland-von ,takiye{ zur a!e:vitischl!n Bewegung, in: der:s. {Hg,), Alevire.n in DeutscWand. Identitätsprozesse einer Religionsgemeinschaft .in der