Die politische Aufgabe der Kirche im Anschluss an das reformierte Modell der »Königsherrschaft Christi«. Beobachtungen politischer Ethik (original) (raw)

2011, Die politische Aufgabe von Religion

Beobachtungen politischer Ethik 1. Vorbemerkungen Weil wir ein Machtstaat sind, und weil wir also, im Gegensatz zu jenen ›kleinen‹ Völkern, unser Gewicht in dieser Frage der Geschichte in die Waagschale werfen können,-deshalb eben liegt auf uns, und nicht auf jenen, die verdammte Pflicht und Schuldigkeit vor der Geschichte, das heißt: vor der Nachwelt, uns der Überschwemmung der ganzen Welt durch jene beiden Mächte entgegenzuwerfen. […] Der Pazifismus amerikanischer ›Damen‹ (beiderlei Geschlechts!) ist wahrlich der fatalste ›cant‹, der-ganz gutgläubig!-jemals, vom Niveau eines Teetisches aus, verkündet und vertreten worden ist, mit dem Pharisäismus des Schmarotzers, der die guten Lieferungsgeschäfte macht, gegenüber den Barbaren der Schützengräben […]. Das Evangelium aber möge man aus diesen Erörterungen draußen lassen-oder: Ernst machen. Und da gibt es nur die Konsequenz Tolstois, sonst nichts. Wer auch nur einen Pfennig Renten bezieht, die andere-direkt oder indirekt-zahlen müssen, wer irgendein Gebrauchsgut besitzt oder ein Verzehrsgut verbraucht, an dem der Schweiß fremder, nicht eigener, Arbeit klebt, der speist seine Existenz aus dem Getriebe jenes liebeleeren und erbarmungsfremden ökonomischen Kampfs ums Dasein, den die bürgerliche Phraseologie als ›friedliche Kulturarbeit‹ bezeichnet: eine andere Form des Kampfes des Menschen mit dem Menschen, bei der nicht Millionen, sondern Hunderte von Millionen jahraus, jahrein an Leib und Seele verkümmern, versinken oder doch ein Dasein führen, dem irgendein erkennbarer ›Sinn‹ wahrhaftig unendlich fremder ist als dem Einstehen aller (auch der Frauen-denn auch sie ›führen‹ den Krieg, wenn sie ihre Pflicht tun) für die Ehre, und das heißt einfach: für vom Schicksal verhängte geschichtliche Pflichten des eigenen Volkes. […] Die Stellung der Evangelien dazu ist in den entscheidenden Punkten von absoluter Eindeutigkeit. Sie stehen im Gegensatz nicht etwa gerade nur zum Krieg-den sie gar nicht besonders erwähnen-, sondern letztlich zu allen und jeden Gesetzlichkeiten der sozialen Welt, wenn diese eine Welt der diesseitigen ›Kultur‹, also der Schönheit, Würde, Ehre und Größe der ›Kreatur‹ sein will. Wer die Konsequenzen nicht zieht-und das hat Tolstoi selbst erst getan, als es ans Sterben ging-, der möge wissen, daß er an die Gesetzlichkeiten der diesseitigen Welt gebunden ist, die auf unabsehbare Zeit die Möglichkeit und Unvermeidlichkeit des Machtkrieges einschließen,