Gengnagel (2017): Als Kulturkapital noch cool war. Das Hipsterklischee als Echo des Bildungsversprechens (original) (raw)

2017, Destruktive Charaktere. Hipster und andere Krisenphänomene

Der Hipster führt uns – wie schon vor ihm Emos, Nerds oder andere (sub-)kulturelle Phänomene – eine Bedrohung vor Augen. Nerds don’t have a life – sie sind fett und pickelig, Single, leicht zu verachtende Computernostalgiker mit zero social skill. Andererseits ist es nur logisch, sich vor ihnen zu fürchten: Be nice to nerds. You may end up working for them. We all could. Darin klingt die Furcht an, mit all dem ständig Neuen nicht Schritt halten zu können und einfach nicht (mehr) zu verstehen, wofür es heutzutage denn eigentlich die gut bezahlten Jobs gibt womöglich für nerdige IT-Geschichten? Auf der kulturellen Seite stellt der Nerd allerdings keine Bedrohung dar; er kann zwar Linux auf seinem Toaster installieren und weiß alles über sein Paralleluniversum aus Sammelkarten, aber er baut sich daraus ein festes Wertesystem – er ist wertkonservativ und nicht auf Distinktion aus – und genügt sich damit (vielleicht eben weil er ja einen Job in der IT-Branche bekommt) selbst. Er weiß um seine Macken und er lässt anderen ihre. Das ist beim Hipster anders: Wie schon Heidecker sagte (nein, der amerikanische Comedian): »Nobody hates hipsters more than hipsters.« [...] Der Hipster muss sich also als eine tragische Figur inszenieren: Das ganze Geheimwissen über das jeweils neueste Ding wird ihm permanent weggenommen und in den Mainstream gespeist – sei es die abgefahrene Band, das ironische T-Shirt, der gesunde Reisersatz, der exotische Kageeersatz, der exotische Tabakersatz oder der extravagante Autoersatz. [...] Der Hipster ist jedoch nur die konsequenteste Ausprägung der allgemeinen und permanenten Entwertung von Kultur bei bleibenden Erwartungen auf Bildungserfolg und den Wert des Neuen; das ruft Faszination und Ekel hervor, vor allem bei Kulturschaffenden und insbesondere solchen, die davon leben wollen. Sein destruktiver Charakter kann als eine Familiengeschichte erzählt werden: In ihr hat es sich einmal gelohnt, der Coolness hinterherzujagen.

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Gengnagel/Hirschfeld (2017): Fremdeln in der Öffentlichkeit: Haben wir der Gesellschaft nichts mehr zu sagen?

In: Stephan Lessenich (Hrsg.): Geschlossene Gesellschaften. Verhandlungen des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bamberg 2016, 2017

Im Unterschied zu heute war die Soziologie der Nachkriegszeit ganz selbstverstandlich ‚offentlich‘. Das lag vor allem daran, dass die Disziplin Bestandteil eines lebendigen intellektuellen Feldes war. Heute ist die Moglichkeit einer soziologischen Offentlichkeit vollig anderen strukturellen Voraussetzungen unterworfen: So ist das politisierte burgerliche Publikum, vor dem man sich als ‚kritisch‘ heroisieren konnte, weitgehend verschwunden. Das Verhaltnis zwischen Soziologie und Offentlichkeit, so unsere These, hat sich damit ins Gegenteil verkehrt. Dies druckt sich im soziologischen Habitus aus – offentliches Auftreten erzeugt Unbehagen statt charismatisches Selbstbewusstsein. Auf Grundlage dieser Diagnose illustrieren wir anhand des ‚DGS-SozBlogs‘ die heutigen Moglichkeiten und Grenzen des ‚going public‘.

Zwischen Dazugehören und Fremdsein: (Un)Sinn des Leitkulturgedankens - Jan Huebenthal

In der politischen Diskussion in Deutschland um die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund scheint der Konsens der meisten Stimmen klar zu sein: Migranten stellen ein soziales Problem dar, dessen es Herr zu werden gilt, um interkulturelle Konflikte zu minimieren und ihnen entgegenzuwirken. Nationale Identität, allgemein in Deutschland ein kontroverses Thema, scheint im öffentlichen Diskurs untrennbar mit einer Art kultureller Kollektividentität verknüpft, die durch die Ambivalenzen des Multikulturalismus in Gefahr gerät. Ein "Gefühl von grundsätzlicher Distanz" 1 zwischen Migranten und anderen Deutschen charakterisiert vielfach die öffentliche Wahrnehmung interkulturellen Zusammenlebens, was Begriffe wie Integration oder Assimilation mit stark negativen Konnotationen belegt, belegen sie doch die Existenz interkultureller Konflikte und Probleme und die Notwendigkeit einer Lösung derselben. Diese Distanz, ob nun real oder lediglich als solche wahrgenommen, schürt Gefühle der "Überfremdung" und Unverständnis gegenüber Mitbürgern, die zwar in Deutschland leben, arbeiten und Familien haben, aber trotzdem keine bedingungslose Zugehörigkeit bzw. Akzeptanz genießen. Der gegenwärtige öffentliche Diskurs um kulturelle Vielfalt und Differenz trägt zu einer erhöhten Problematisierung der Thematik bei, die Forderungen nach einem funktionalen und praktikablen Gesellschaftskonzept laut werden lässt. Einwanderer bzw.

Genisa – Die materielle Kultur des deutschen Judentums im Spiegel neu entdeckter synagogaler Ablageräume, in: Nathanael Riemer (Hrsgl), Einführungen in die materiellen Kulturen des Judentums, Jüdische Kultur 31, Wiesbaden 2016, 173–202.

Nathanael Riemer (Hg.), Einführungen in die materiellen Kulturen des Judentums, Jüdische Kultur 31, Wiesbaden 2016, 173–202., 2016

Einleitung: Diskussionen im Anschluss an Joseph Vogls Das Gespenst des Kapitals

So why is it that intelligent, seemingly well-informed economists can have such different views of their subject? To put it another way, how can one economist take the view that the discipline is successfully solving the problems confronting society, whilst another sees the discipline as engaging in abstract theorizing that has no bearing on the real world?

Gengnagel, Witte & Schmitz (2017): Die zwei Gesichter der Autonomie. Wissenschaft im Feld der Macht

Julian Hamann/Jens Maeße/Vincent Gengnagel/Alexander Hirschfeld (Hrsg.): Macht in Wissenschaft und Gesellschaft. Diskurs- und feldanalytische Perspektiven, Wiesbaden: Springer VS, S. 383-423.

1 Einleitung Beschreibungen der Wissenschaft als eines gesellschaft lichen Teilbereichs stellen meist einseitig entweder auf die autonome Eigenlogik des Wissenschaft sbetriebs ab, oder auf außerwissenschaft liche Einfl üsse, die wissenschaft liche Praxis in vielfältiger Weise durchkreuzen und diese vor allem von ihren gesellschaft lichen Einbettungen her denken lassen . Letztere können wiederum entlang der Frage unterschieden werden, ob die sozialen Einbettungen und Abhängigkeiten der Wissenschaft in erster Linie kritisch gedeutet und als Herrschaft seff ekte bewertet werden, d . h . als Bedrohung einer zu verteidigenden wissenschaft lichen Autonomie und Freiheit, oder ob in den gesellschaft lichen Verwendungszusammenhängen, ‚Funktionen' und ‚Leistungen' der Wissenschaft gerade deren Legitimation behauptet wird . Sofern man sich nicht für eine dieser Positionen zu Ungunsten der anderen entscheiden will, stellt sich die Frage, vor welchem theoretischen Hintergrund die unterschiedlichen Perspektiven sowie deren Verhältnis berücksichtigt werden können . Hier bietet sich ein relationaler Zugriff an, wie ihn die Feldanalyse prominent vertritt . Dabei werden die verschiedenen Sphären des Sozialen als Arenen spezifi scher Machtansprüche und Auseinandersetzungen verstanden . Die Perspektive sozialer Felder ist damit geeignet, auch die Sphäre der Wissenschaft relational zu anderen Feldern als eine gesellschaft liche Ordnung neben anderen zu beschreiben . Wissenschaft als ein Feld im Sinne Bourdieus Bernhard und Schmidt-Wellenburg 2012a, b) zu fassen und als konstitutiven Teil gesellschaft licher Machtverhältnisse zu beschreiben, bietet so einen fruchtbaren Mittelweg, der den punktuell zutreff enden (Teil-)Beschreibungen von Wissenschaft gerecht wird: Wissenschaft stellt sich so als ein (lediglich) relativ autonomer sozialer Handlungs-und Teilbereich dar, der jeweils historisch und kulturell auf spezifi sche (‚heteronome') Einfl ussfaktoren und Eff ekte befragt werden kann, ohne hierdurch

(2018) Die "Tragödie der Kultur" und die Relevanzkrise der Spätmoderne

Soziopolis, 2018

Je mehr der Mensch „Buch an Buch, Kunstwerk an Kunstwerk, Erfindung an Erfindung“ reiht, desto geringer wird seine Chance, diese Kulturgüter zu überblicken und aufzunehmen. Das hat der Philosoph und Soziologe Georg Simmel schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts festgestellt. Vielleicht verwundert es, dass diese Diagnose bereits über hundert Jahre alt ist, beschreibt sie doch unsere heutige Gegenwart nur zu treffend. Simmel bringt damit eine genuine Dynamik der modernen Gesellschaft und ein spezifisch modernes Gefühl auf den Punkt, das er als „Tragödie der Kultur“ bezeichnet. „Tragisch“ nennt Simmel diesen Zusammenhang erstmals 1909 in einem kurzen Debattenbeitrag, in dem er über „Die Zukunft unserer Kultur“ nachdenkt. Bereits hier spricht er von einem „immer weiter klaffenden Abgrund zwischen der Kultur der Dinge und der der Menschen“. In dem Aufsatz „Der Begriff und die Tragödie der Kultur“ von 1911 gründet er seine Diagnose auf eine Reflexion des Wesens der Kultur. Er wird sich mit dem Thema in weiteren Texten bis zu seinem Tode im Jahr 1918 immer wieder auseinandersetzen.

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Dorschel/Allmendinger (2019): Über die sozialen Fesseln unserer Sprache

Dorschel, Robert/Allmendinger, Jutta (2019): Über die sozialen Fesseln unserer Sprache. In: Eichinger, Ludwig / Plewnia, Albrecht (Hrsg.): Neues vom heutigen Deutsch. Empirisch – methodisch – theoretisch. Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache 2018. Berlin / Boston: de Gruyter, S. 313-23.