Das "Dritte Rom" : Zerstörung und Konstruktion von Geschichte im Dienste nationaler Erinnerung, 1870-1950 (original) (raw)
Related papers
Die nützliche Erinnerung: Geschichtsschreibung," mos maiorum" und die römische Identität
Historia: Zeitschrift fur Alte Geschichte, 2004
JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact support@jstor.org.
Die Stadt als Erinnerungslandschaft: Rom in der Spätantike.
In: Karl-Joachim Hölkeskamp - Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.), Erinnerungsorte der Antike: Die römische Welt (2006) 438-456, 2006
Die Römer sind aber … von allen Menschen, die wir kennen, ihrer Stadt in treuester Liebe zugetan und eifrig bemüht, sämtliche Denkmäler der alten Zeit zu pfl egen und zu schützen, damit nichts von dem früheren Glanze Roms zugrunde geht. Und obwohl sie schon eine ziemlich lange Zeit unter Barbarenherrschaft gestanden hatten, haben sie tatsächlich die öffentlichen Bauten und die meisten Kunstwerke vor dem Verfall zu retten vermocht, soweit man eben dank deren gediegener Ausführung imstande war, der Länge der Zeit und der Vernachlässigung zu begegnen.» 2 So charakterisiert noch um die Mitte des 6. Jahrhunderts n. Chr. Prokop von Kaisareia den Umgang der Römer mit ihrer Stadt. Um diesen zu belegen, verweist er auf ein einziges, aber um so außer ge wöhnliche res Beispiel: das Schiff des legendären Ahnherrn der Römer, Aeneas, das als kostbares Symbol der mythischen Vergangenheit in einem Schiffshaus am Ufer des Tibers aufbewahrt wurde. Keine Frage: Dieses angebliche Schiff des Aeneas war die fi ktive Kon struktion eines Relikts aus der mythischen Vorzeit Roms. Nicht von ungefähr wundert sich der Historiker über den perfekten Erhaltungszustand des Schiffes, daswollte man es auf Aeneas beziehen -über 1000 Jahre hätte alt sein müssen: «… das Schiff … hat sich, wie wenn es eben erst aus der Hand seines unbekannten Meisters gekommen wäre, bis auf meine Zeit wunderbar frisch erhalten», so berichtet Prokop. Wieweit ihm bzw. seinen römischen Gewährsmännern, die ihm von diesem Schiff erzählten, Zweifel hinsichtlich der Authentizität des Schiffes kamen, läßt sich dem Bericht nicht entnehmen. Aber vielleicht kam es für sie auch gar nicht so sehr darauf an. Wichtiger an diesem Schiff war sein Symbolcharakter. Denn als Symbol der altehrwürdigen Bedeutung Roms war es eine geniale Konstruktion, aller Fiktivität zum Trotz. Weiter zurück als auf die Zeit des Aeneas konnte man schlichtweg nicht greifen, gab es doch jenseits der Ankunft des Troianers in Italien keine Anknüpfungspunkte, über die man die mythischen Ursprünge Roms in der Stadttopographie hätte verankern können.
Die Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 setzte dem tausendjährigen Bestehen des Byzantinischen Reiches endgültig ein Ende: Das zweite Rom fiel in die Hände eines nichtchristlichen, asiatischen Reiches. Die Byzantiner selbst betrachteten das unrühmliche Ende ihres Staates als Gottes Strafe für eine wiederholt begangene, schwerwiegende Sünde, nämlich für die zwei Kirchenunionen von Lyon im Jahre 1274 bzw. von Florenz im Jahre 1439. Es wurden Meinungen laut, nach denen die Türkenherrschaft das orthodoxe Christentum vor dem Einfluss des Papstes bewahren sollte, und die Einwohner Konstantinopels hätten lieber den Turban des Sultans in der Stadt gesehen, als die Mitra des Papstes. Zahlreiche Klagelieder entstanden zu dieser Zeit, in denen die öffentliche Meinung klar zum Ausdruck kommt: "Es war Gottes Wille, dass die Stadt in die Hände der Türken fiel". 1 Die Türkenherrschaft sei aber diesen Vorstellungen nach eine vorübergehende Phase göttlicher Züchtigung, nach der das Byzantinische Reich durch einen erneuten göttlichen Eingriff wiederhergestellt werde. Die Furcht vor Gottes Strafe hinderte aber die orthodoxen Untertanen des Osmanischen Reiches daran, für die Rückeroberung Konstantinopels selbst etwas zu unternehmen: Aus diesem Grunde erhofften sie seit jeher fremde Hilfe. Diese wurde entweder als göttlicher Eingriff oder als militärische Intervention eines fremden Staates vorgestellt. Die diesbezüglichen Hoffnungen wurden durch die messianischen Erwartungen der Zeit noch verstärkt: Die ersehnten Erlöser manifestierten sich immer mehr in der Gestalt der blonden Rasse (nach einer antiken Prophetie), die bis zum Fall Konstantinopels die Bedrohung durch die nördlichen Barbarenvölker bzw.
Wo liegt Rom? Und wer sind die Barbaren? Und was ist eigentlich mit Karthago? Und vor allem: wer ist der neue Erzfeind, nachdem Karthago zerstört wurde? Es soll Strategen geben in den USA, die sich solche Fragen stellen. Abgesehen natürlich von der ersten. Die Selbstidentifikation mit dem römischen Reich ist vorausgesetzt, spätestens seit dem zweiten Weltkrieg, nach dem die Weltmacht-Staffel von Mitteleuropa nach Amerika weitergereicht werden musste. Nach Rom I, dem römischen Reich, und Rom II, dem römischen Reich deutscher Nation, liegt Rom III nicht mehr in Europa. So weit ist das Bild stimmig und weist exakt den Platz an, den das überwundene Europa in der Außenpolitik der USA einzunehmen hat. Denn Amerika sieht sich in diesem Bild nicht mehr als eine europäische Sekundärkultur. Schon das neuzeitliche Europa verstand sich im Bild einer translatio imperii nicht nur als legitimer Erbe der Antike, sondern hoffte auch, in diesem Bild sein Minderwertigkeitsgefühl zu überwinden, im Schatten der antiken Größe zu stehen. Um sich von der Antike zu emanzipieren, musste die Selbstbeschreibung von Rom I, im Zentrum der Welt zu stehen, von Rom II überboten werden. Bekanntlich begann Europa, als es tatsächlich in der Kolonialzeit zu einer zentralen Macht geworden war, sich selbst zu zerstören. -Wenn uns heute bei manchen Reden amerikanischer Politiker die alteuropäische Semantik des Barbaren und Zivilisierten oder sogar die der Kreuzzüge wieder begegnet, beruhigen wir uns damit, dass das nicht so gemeint sein kann. Dass der tatsächliche Adressat solcher Reden die amerikanische Nation sei. Wir tun das, weil wir es selbst so nicht mehr meinen könnten. Und das deshalb, weil wir
Die verfehlte Nation. Warum Mommsens Rom nicht ans geschichtliche Ziel gelangte
Die verfehlte Nation. Warum Mommsens Rom nicht ans geschichtliche Ziel gelangte, in: A. Demandt / A. Goltz / H. Schlange-Schöningen (Hgg.), Theodor Mommsen. Wissenschaft und Politik im 19. Jhs, Berlin / New York 2005, S. 181-200, 2005
Mommsen's Roman History does not treat the History of Rome, but the History of Italy. Italy should find his national unity, because the ultimate aim of history is the coexistence of national states. But this did not happen. Unfortunedly Rome built up an Imperium instead of a national state. What went wrong? Mommsen explains this brillant historical failure by the absence of any principle of representation in the Ancient World. Peoples Sovereignty without being tempered by a representative system will inevitably lead to monarchic systems of the Principate-type.
In der Nacht vom r8. auf den 19. Juli 64 n. Chr. begann die Hauptstadt des Imperium Romanum zu brennen. In Verkaufsbuden am Circus Maximus, in der flachen Senke zwischen dem palatinischen und dem caelischen Hügel, setzte das Feuer ein, und, so schreibt der Historiker Tacitus, «es erfaßte sofort, gewaltig lodernd und vom Wind angefacht, die ganze Länge des Circus; denn weder durch Brandmauern geschützte Paläste noch mit Mauern umgebene Tempel oder sonst etwas, was die Flammen aufhalten konnte, lag dazwischen. Machtvoll durchraste der Feuersturm zunächst die ebenen Stadtteile, stieg dann die Anhöhen hinauf und verwüstete daraufhin wieder die tiefer liegenden Gebiete .. "» Sechs Tage und Nächte lang fraß sich das Feuer durch Rom, dann gelang es, am Fuß des Esquilin die Flammen zum Stehen zu bringen; ganze Häuserzeilen hatte man hier zu diesem Zweck niedergerissen. Doch flammte das Feuer wenig später erneut auf und verheerte nun auch die weiträumigeren Stadtteile. Hier fielen ihm zwar kaum noch Menschen, aber um so mehr Tempel und andere öffentliche Gebäude zum Opfer. Erst nach drei weiteren Tagen erlosch es schließlich. Nur vier der vierzehn städtischen Regionen waren unversehrt geblieben; überwiegend rauchende Ruinen standen in sieben weiteren, drei waren vollständig niedergebrannt. Das alte Rom existierte weitgehend nicht mehr. 1 Dabei hatte das Feuer nicht nur Tausende von Menschen das Leben gekostet und private und öffentliche Gebäude sonder Zahl vernichtet. Einige der ältesten Bauten und Kultstätten Roms und hochbedeutende Denkmäler aus der Frühzeit der Republik, Zeugen der glorreichen Vergangenheit der alten res publica, waren unwiederbringlich verloren: so die Königsburg Numas, der Tempel des Iuppiter Stator, den angeblich noch Romulus gestiftet hatte, das Heiligtum der Vesta mit den Penaten des römischen Volkes, aber auch von siegreichen Feldherren gestiftete Tempel, gefüllt mit Meisterwerken griechischer Kunst, die in zahllosen Triumphzügen in die Stadt gebracht und den Göttern Roms geweiht worden waren. Die Monumente und Räume des kollektiven Gedächtnisses des römischen Volkes und seines Adels und ebenso die Symbole der jüngsten Geschichte und der
During the inauguration of the Walhalla in 1842, King Ludwig I of Bavaria spoke of his hope that “the German will exit it more German, better than when he came”. Writer Karl Gutzkow, however, denounced the Walhalla as a cultural memorial calling it instead the “private chapel of an individual”. This article explores how such divergent evaluations of the Walhalla came into being and how the growing collection of busts related to the changing images of Germany. By way of a long-term perspective – marked by the fall of the monarchy, the end of the NS-era, and German reunification – it shows that even if the Walhalla was time and again touted as a “national monument”, it often represented an understanding of the German nation that due to the manifold of national ideas could neither be enforced nor represent the majority. It was not just the repeated references to the Christian-Catholic Abendland, to the Great-German idea with Bavaria at is centre, and to patriarchy, but also the symbolic suppression of important episodes in German history such as the Reformation and the Holocaust that created a rift between the commemorated and other public concepts of the nation. Indeed, the historical narrative on display in the Walhalla was appropriated by Ludwig, and subsequently by those who were in charge of the admission of new busts after his death, such as the state council, the Reich chancellery, and the Bavarian ministry. While this article shows, through an analysis of the collection of busts against its socio-political backdrop, the altogether peripheral status of the Walhalla within the German monumental landscape, it simultaneously queries the suitability of the concept “national monument” when used for commemorative cultures that were impressed by particularistic interests and individual actors.