Schmitt, Rudolf (2011). Metaphernanalyse in der Erziehungswissenschaft (original) (raw)
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Schmitt, Rudolf (2011). Metaphern für Lernen und Lehren: Drei Annäherungen.
Zusammenfassung: Die deutschsprachige Erziehungswissenschaft hat eine lange Tradition, die denkleitende Funktion von Metaphern zu reflektieren, bisher jedoch keinen Zugang zur modernen kognitiv-linguistischen Metapherntheorie gefunden. Damit mag zusammenhängen, dass kaum qualitative Forschung in der Pädagogik existiert, die Metaphern als alltägliche Deutungsmuster eruiert. Drei Dissertationen aus dem Kontext der Lehrer/innenbildung haben sich dieses Rückstands angenommen: Peter GANSEN elaboriert in dichten Beschreibungen die Rolle der Metapher im kindlichen Denken, um eine "pädagogische Metaphorologie" zu begründen. Sabine MARSCH skizziert die bildlich verfassten subjektiven Theorien von Biologie-Lehrenden in Hinblick darauf, welche Metaphern ein aktives Lernen der Schüler/innen ermöglicht. Kai NIEBERT rekonstruiert am Thema des Klimawandels die metaphorische Vorstrukturierung sowohl des zu vermittelnden Wissens als auch des Vorwissens der Lernenden, um aus dem Abgleich der Denkmuster Folgerungen für eine gelingende Didaktik abzuleiten. In ihrer methodischen und thematischen Verschiedenheit eröffnen diese drei Arbeiten ein Feld metaphernanalytischer Forschung in der Erziehungswissenschaft, dem viele Folgearbeiten zu wünschen sind.
Zentrale Annahmen der kognitiven Metapherntheorie lassen sich als Elemente einer qualitativen Forschungsmethodik in den Sozialwissenschaften nutzen. Der Aufsatz skizziert das Potenzial des Ansatzes von Lakoff und Johnson für eine hermeneutisch orientierte Metaphernanalyse, für deren Durchführung Regeln und Gütekriterien angegeben werden können. Als sozialwissenschaftliche Metaphernanalyse wird sie nicht dazu beitragen, in der innerlinguistischen Debatte Fortschritte zu erzielen. Ihre Aufgabe ist es, in sozialwissenschaftlichen Problemfeldern neue Sichtweisen zu erzeugen und sich im Verhältnis zu anderen Auswertungsmethoden zu bewähren.
Metaphernanalyse und helfende Interaktion Der Aufsatz führt in das Phänomen alltäglicher Metaphorik praktisch wie theoretisch ein, bevor er an einem Fallbeispiel die Möglichkeiten der Metaphernanalyse in der Supervision und einen Überblick über Möglichkeiten metaphorischer Intervention in Beratungsgesprächen zeigt. Der Ablauf der Metaphernanalyse als Forschungsmethode wird skizziert. 1. Metapher und Alltag; oder: Verstehen und Nichtverstehen An einem meiner ersten Arbeitstage in einer psychiatrischen Klinik führte mich eine Kollegin in den schwierigen Umgang mit einer noch akut psychotisch kranken Patientin erzählend ein: Diese Patientin hatte sie vor der Stationstür um einen kleinen Geldbetrag angebettelt, und sie hatte das mit der Notlüge (so ist der Alltag) abgelehnt: Das ginge nicht, sie sei selbst im Moment "abgebrannt". Die Patientin wäre sehr erschrocken und hätte dann versucht, einen Feuerlöscher aus seiner Halterung an der Flurwand zu reißen, um, wie meine Kollegin dann verstand, sie zu löschen. Wenn unsere alltäglichen Bilder nicht mehr verstanden werden, stoßen wir darauf, daß es Bilder sind, die zwar noch einen engen Zusammenhang mit dem gemeinten Sinn haben, jedoch nicht wörtlich zu nehmen sind: "Abgebrannt" zu sein bedeutet real wie bildlich eine empfindliche Verminderung unserer materiellen Ressourcen. Dieses Vermögen der Metaphorik, mit kräftigen Bildspendern ("Brand") alltägliche Phänomene zu beschreiben, läßt sich jedoch auch in Formen erkennen, in denen diese Trennung zwischen "wörtlicher" und "übertragener" Bedeutung verschwimmt. An einem transkribierten Interview will ich dies im mikroskopischen Ausschnitt zeigen. Eine Sozialarbeiterin beschreibt, wie die von ihr betreute ältere Frau versucht, die Helferin zu bemuttern (Schmitt 1995/181ff): Helferin: ... oder wenn sie die Stimmen hört, die reden ihr ja manchmal auch ein, Rabenmutter zu sein, und dann hat sie eben Gewissensbisse, weil die Ehe damals halt so schlimm war, und sie denkt, daß das Kind viel davon abgekriegt hat von ihrem Frust. Und daß sie jetzt halt versucht, bei mir keine Rabenmutter zu sein, jetzt halt eine richtige Mutter zu sein, aber es ist schwierig. Interviewer: Und Dir ist das zu dicht? Helferin: Mir ist es, mir ist es zu dicht, ja. Sie weiß es aber auch, also sie nimmt mich in den Arm, und sagt dann gleich: "Ich weiß, ich weiß .." oder so, so war es zumindest gestern. "Aber ich freue mich halt so, daß Sie da sind." Mir ist es zu dicht, auf jeden Fall. Was ist an dieser Stelle passiert? Der Interviewer versucht nach den Regeln der Interviewführung von Witzel (1989) durch Reformulieren und Spiegeln des Gesagten das Interview in Gang zu halten. Schneller als es seine theoretischen Überlegungen zulassen, hat er das für die Sozialarbeiterin zu enge Verhältnis zur Betreuten in der Metapher, es sei "zu dicht" reformuliert-also eine räumliche Metaphorik für das Beziehungsverhalten gewählt. Und da zögert die Sozialarbeiterin zunächst-die Kommata stehen in der Transkriptionsanleitung für eine kleine Pause mit Stimmsenkung-und erzählt dann, daß diese
In: Dieter Nittel, Cornelia Maier: Persönliche Erinnerung und kulturelles Gedächtnis. Einblicke in das lebensgeschichtliche Archiv der hessischen Erwachsenenbildung (S. 359-369). Opladen: Barbara Budrich., 2006
Der Aufsatz zeigt am Beispiel eines Interviews, dass unser alltägliches Nachdenken über uns und unser Handeln in hohem Maße von Metaphern geprägt ist. Jede Metapher hat das Vermögen, bestimmte Aspekte deutlicher zu fassen - dabei muss sie andere notwendigerweise ausblenden. Eine Metaphernanalyse eines narrativen Interviews mit einer Erwachsenenbildernin kann nun zeigen, welche Aspekte pädagogischen Handelns von ihr metaphorisch begriffen werden und welche Verzerrungen und Auslassungen zu verzeichnen sind. Damit dient eine Metaphernanalyse der biographischen wie professionellen Selbstaufklärung und bietet sich nicht nur als qualitative Forschungsmethode an.
Sozialwissenschaftliche Metaphernanalyse 2021/03 (3.11.2021
Sozialwissenschaftliche Metaphernanalyse, 2021
Die Rundmail 2021/03 versammelt neue Publikationen zu einer sozialwissenschaftlichen Metaphernanalyse, auch Workshops, und enthält eine themenspezifische Sammlung zu Metaphern im Kontext von Covid-19
Zeitschrift Fur Padagogik, 1999
Der Text geht aus von der konstruktivistischen These der kognitiven Linguistik, das Metaphern nicht nur dem rhetorischen Schmuck dienen, sondern ein wichtiges Instrument sind fur unseren Umgang mit Wirklichkeit - dies nicht nur im Alltag, sondern auch im Rahmen wissenschaftlicher Konzepte. Die These wird entwickelt und fur die Fachsprache der Erziehungswissenschaft konkretisiert. Eine detaillierte Analyse verschiedener zentraler Texte zeigt, das unser Zugang auch dort, wo Metaphern nicht der Vermittlung der Theorie dienen, sondern nur den Text attraktiv machen, interessante Aussagen daruber ermoglicht, auf welche Aspekte der didaktischen Vermittlung in einem Text besonderes Gewicht gelegt wird. Auserdem wird demonstriert, das das Nachdenken uber die Bildersprache einer Disziplin auch ein Beitrag zu ihrer Selbstreflexion und Standortbestimmung ist. (DIPF/Orig.) The authors proeeed from the constructivist thesis of cognitive linguistics proclaiming that metaphors do not only serve as ...
Metaphernanalyse (Soziale Arbeit) (2010)
Alkohol ist ein 'guter Tropfen' dann einmal ein Gläschen Wein und dann auch als Besonderheit ein Gläschen Sekt (B2) dass also ein guter Tropfen zählt, aber wenig. Also, nicht, nicht die Masse Alkohol (B2) sie [die Mutter] schenkt mir zwar öfters mal Weinflaschen, teurere (B6) Die Verkleinerungsformen "Gläschen" oder "Tropfen" werden in diesen Beispielen aufgewertet durch adjektivische oder adverbiale Bestimmungen (ein 'guter' Tropfen, 'teurere', 'als Besonderheit'), die dem Alkohol einen besonderen Wert als flüssige Kostbarkeit zuweisen. Auf der Handlungsebene lässt dieses Konzept des 'guten Tropfens' eine Ritualisierung der Alkoholmengen zu, die im visuellen Konzept, dass Trunkenheit zur Dunkelheit führt, nicht denkbar war. -Stärker auf eine Wirkung zielt ein drittes metaphorisches Konzept: