Einer Tierethik Des Mitgefühls (original) (raw)

Normalerweise geht man davon aus, dass die Tierethik ein typisches Problem der gegenwärtigen philosophischen Diskussion ist. Doch die ersten Grundlagen einer Tierethik wurden bereits während des 19. Jahrhunderts von Arthur Schopenhauer erarbeitet. Schopenhauers Ansatz hierzu ist dabei eng mit den allgemeinen Prinzipien seiner Moralphilosophie verknüpft. Das Wesen der Ethik besteht nach Schopenhauer darin, dass das Mitleid das einzige moralische Fundament der Ethik sei. Darüber hinaus hängt seine Theorie des Mitleids mit einem spezifischen Weltkonzept (die Welt als Wille und Vorstellung) zusammen. 1 Ein innovativer Aspekt dieser Moralphilosophie liegt darin, dass sich das Gefühl des Mitleidens nicht allein auf Menschen, sondern auch auf die Tiere sowie auf alle lebendigen Wesen bezieht. Wie begründet Schopenhauer seine Theorie? Warum soll das moralische Gefühl unseres Gewissens sich auch für die Tiere interessieren? Grundlegend muss man voraussetzen, dass der Mensch in Schopenhauers Ansatz in einer Umwelt lebt, die aus einem komplexen Zusammenhang zwischen Willen und Vorstellen gebildet ist. Fundamental für seine Moral ist also eine Weltanschauung, in der die Menschen als von anderen Lebewesen abhängig gedacht sind. Deshalb sind Menschen auch für die anderen Lebenswesen verantwortlich. Schopenhauer geht davon aus, dass das Mitleid das einzig richtige ethische Leitprinzip sei. Mitleid und moralische Verantwortung dürfen sich nicht allein auf menschliches Handeln gegenüber anderen Menschen beschränken, sondern es habe auch Tiere zu berücksichtigen. Zunächst seien die kritischen und positiven Grundlagen von Schopenhauers Tierethik skizziert, bevor deren einzelnen Elemente vorgestellt werden. Schopenhauer erhebt gegenüber der abendländischen Philosophie den Vorwurf, dass sie die Tierrechte missachtet habe (Teil 1). Alternativ dazu entfaltet er Grundzüge einer Ethik, die in ihrem Ansatz die Tierrechte mit einbezieht (Teil 2). Abschließend sei auf wichtige Impulse für die gegenwärtige Ethikdiskussion verwiesen (Teil 3). 1. Schopenhauers Kritik an der abendländischen Kultur im Hinblick auf die Anerkennung der Tierrechte In seiner "Preisschrift über das Fundament der Moral" kritisiert Schopenhauer unnachgiebig die europäische philosophische Tradition. Er selbst geht dabei von der indischen und buddhistischen Lebensweisheit aus, in der ein achtsamer Umgang mit Tieren eine zentrale Rolle spielt. 2 Zunächst seien Grundzüge dieser Kritik vorgestellt, um anschließend deren weiterführende, aber auch problematische Aspekte zu diskutieren. Schopenhauer konstatiert, dass die Tierrechte im Verlaufe der abendländischen Geschichte in Vergessenheit geraten seien, da die europäische Kultur den Tieren in ihrem Status als Lebewesen kaum Beachtung geschenkt habe. Seine Kritik verknüpft dabei zwei Aspekte miteinander: a) den Antropozentrismus der abendländischen Philosophie sowie einen von ihm behaupteten Einfluss jüdischer Theologie, der heute allerdings differenzierter diskutiert werden müsste, als