Grenzschichten, Kräfte und Momente an umströmten Körpern (original) (raw)

Grenzziehungen und Körperpraktiken.

Bd. 5 Nr. 1 Die desinfizierte Gesellschaft. Zwischen Schutz des Sozialen und Entsozialisierung in (post)pandemischen Zeiten, 2022

Biblische Vorstellungswelten vor allem der Reinheitsbestimmungen in Levitikus initiieren (grenzziehende) Körperpraktiken und dienen somit als Krisenbewältigungsmodell, nicht zuletzt im Kontext der Covid-19-Pandemie. Dies nimmt der Beitrag als Ausgangspunkt, um die Rezeptionsgeschichte der biblischen Reinheitsbestimmungen, wie sie sich in die Sprache, Pandemie-und Medizingeschichte eingeschrieben haben, darzulegen. Denn der immunologische Diskurs und die gegenwärtige (virologische) Rede im Kontext der Covid-19-Pandemie ist von älteren (u. a. biblischen) Vorstellungen überlagert. Dies gilt es zu verstehen und kritisch zu beleuchten vor dem Hintergrund des spezifischen Körperwissens von Lev 13-14, das in einem zweiten Schritt herausgearbeitet wird. Das so gewonnene enzyklopädische Körperwissen wird daraufhin befragt, ob und wie es zu einem transformativen Wissen zur Krisenbewältigung beitragen kann.

Grenzsetzende Macht

Berliner Journal für Soziologie, 2010

Mit hilfe einer historisch-vergleichenden Perspektive wird in dem beitrag die These aufgestellt, dass die politisch wirksamsten und strategisch langlebigsten grenzziehungen der Moderne weniger die zwischen nationalstaaten waren als vielmehr diejenigen, deren orientierungs-und identitätsbildende Funktion auf der Aufrechterhaltung eines Machtgefälles basierte, durch das kulturelle, religiöse oder wirtschaftliche differenzen essenzialisiert wurden. Dabei wird argumentiert, dass die historisch einzigartige Definitionsmacht, die den verschiedenen Versionen der West/Rest-bzw. nord/Süd-erklärungsmodelle bis heute gültigkeit verliehen hat, auf zwei elemente zurückgeht: zum einen auf die konstitutive beziehung zwischen westlichen Vorstellungen kultureller differenz und der weltweiten westlichen herrschaft ("Okzidentalismus"), zum anderen auf die universalisierende Perspektive, die in diesem herrschaftskontext zur einzig gültigen wissenschaftlichen darstellung des Raumes erklärt wurde ("hybris des nullpunkts"). die historischen und aktuellen Auswirkungen dieser diskursiven politischen Strategie für die Konstruktion essenzialisierter Räume werden an den beispielen lateinamerikas und Osteuropas als typische Produkte asymmetrischer grenzziehungen exemplarisch aufgezeigt. Schlüsselwörter: "Mental maps" • lateinamerika • Osteuropa • Okzidentalismus • europäisierung Border-setting power-Geopolitical strategies of European identity building Abstract: using a historical and comparative perspective, the present article argues that the politically most effective and strategically most enduring boundaries of modernity were not those between nation-states, but rather those whose orienting and identity building function were based on the maintenance of a power imbalance essentializing cultural, religious or economic differences. The main argument is that the historically unique power of definition, which has conferred validity to the different versions of the West/Rest or north/South explanatory models up to this day, can be traced back to two elements: on the one hand, to the constitutive relationship between Western notions of cultural difference and the global Western power ("Occidentalism"), on the other hand, to the universalizing perspective which in this power context was declared as the only valid scientific representation of space ("hubris of the zero point"). The historical and

Grenzerfahrungen. Zur Bedeutung von Leib und Körper für die personale Identität

Psychologie & Gesellschaftskritik, 2001

Es gibt wohl nur wenige Themen in den Sozialwissenschaften, die so breit untersucht worden sind wie das Thema Identität. Die psychologische und soziologische Literatur zur Identität des Individuums nimmt inzwischen jedenfalls einen Umfang an, der kaum mehr zu überblicken ist. Versucht man dennoch, einige generelle Aussagen über den Stand der Forschung anzustellen, lässt sich zumindest zweierlei sagen. Zum einen, es besteht in der Identitätsforschung nach wie vor kaum Konsens darüber, was unter Identität eigentlich zu verstehen sei. Ein Blick in die einschlägige Forschungsliteratur der vergangenen gut 30 Jahre erweckt vielmehr den Eindruck, dass sich die Begriffsverwirrung verselbständigt und als Identitätsmerkmal der Identitätsforschung etabliert hat. 1 Zum anderen stehen kognitive, evaluative und soziale Faktoren im Mittelpunkt sozialwissenschaftlicher Identitätstheorien. Das heißt, für die Entwicklung und Aufrechterhaltung personaler Identität werden Kategorien wie Anerkennung, Kohärenz, Kontinuität, Selbsrwert, Authentizität, Selbstreflexion, Narration, Wissen, sozio-kulturelles Umfeld oder Diskurs als zentral hervorgehoben. 1 So zutreffend diese Kategorien ohne Zweifel sind, geht mit ihnen bzw. mit den Ansätzen, die sie verwenden, zugleich ein Problem einher. Diese Ansätze übergehen oder übersehen nämlich, dass der Mensch ein leiblich verfasstes Wesen ist, dessen Denken und Handeln nicht nur von Weltbildern, Deutungsmustern, Normen, Werten etc. geprägt sind, sondern auch von Empfindungen und Affekten. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Empfindungen und Affekte sind zwar sehr wohl in psychologischen (insbesondere psychoana-P&G 1/01

Grenzspektakel und Abschiebung

Martin Sökefeld: Grenzspektakel und Abschiebung. In: Barbara Schellhammer, Lena Schützle (eds.): Philosophie der Grenze. Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft: 196-207. , 2022

Körper-Kräfte

KörperKulturen, 2004

In kulturwissenschaftlicher Perspektive steht der Körper nicht nur im Schnittpunkt unterschiedlicher physikalischer Krafteinflüsse, sondern ist seinerseits Ausgangsort von Kräften. Diese Kräfte werden als aktiv und als reaktiv beschrieben. Auch scheinbar »passive« Kräfte, wie Wachstum und Trägheit, gehören zu den dem menschlichen Körper eigenen Kräften. Ihre Diskursivierung zeigt die hierarchische Wertung auf, die den Potenzialen des Körpers eingeschrieben wird. Die Beiträge des Bandes untersuchen den Begriff der Kraft im Hinblick auf den Diskurs der Macht über den Körper und entwickeln damit einen der prominentesten Ansätze in Philosophie und Kulturwissenschaft weiter. Mit Beiträgen von Friedrich Balke, Gunter Gebauer, Elisabeth von Samsonow, Mirjam Schaub und Stefanie Wenner.

Tanzend die Grenzen des Körpers sprengen

2020

This thesis addresses the question as to how dancing bodies and the inherent concepts of sex, gender, and desire are being represented in early 20th century German literature. By doing so, I make use of the methodological approach of queer reading. Analyzing parallels and differences between Frank Wedekinds Lulu, Gerhart Hauptmanns Und Pippa tanzt!, Else Lasker-Schülers Die Nächte der Tino von Bagdad, and Klaus Manns Der fromme Tanz, a trend can be identified, namely that the dance theme illustrates a complex, nuanced, fragmented, ecstatic, and queer image of identity. Despite many critics' conception of the literary dace theme being a symbol of normative female sexuality, heteronormative gender performance, and heterosexual desire, which are equally encoded in the dominant patriarchal order, the Dionysian dancers (Pippa, Huhn, Tino, Minn, and Paulchen) illustrate a new way of writing the dancing body. Since these bodies seem to deny any form of clear categorization, they engage...

Der Körper als Schnittstelle: Ambivalente Taktilität

Maske und Kothurn 58:4 (2014): 99-118 (trans. Werner Rappl)

In einem Flugzeug fühlt sich Joe, ein amerikanischer Handlungsreisender mittleren Alters, zu Anna Maria hingezogen, einer schönen aber naiven italienischen Stewardess. Während eines Zwischenstopps in Bangkok filmt er sie (Abb. 1) und klebt an ihren Fersen wie in Kind, das um mütterliche Zuneigung buhlt. Um seine andauernden Werbungen abzuwehren, rät ein Psychiater ihrem Verlobten, sie solle ein lasziveres Verhalten an den Tag legen, da Joe als Psychopath auf ihre Reinheit fixiert sei. Anna Marias plötzliche promiskuitive Art und Aufmachung in einer Bar enttäuschen Joe daraufhin so sehr, dass er schließlich den Verlust seines ›Traummädchens‹ betrauert, indem er ihr jungfräuliches Bild an seine Zimmerwand projiziert. Er küsst und umarmt das auch auf seinem eigenen Körper flimmernde Trugbild scherzhaft und doch leidenschaftlich (Abb. 2-6). Illibatezza [Unberührtheit] ist der Titel des ersten Beitrags eines eigenartigen Episodenfilms namens Ro.Go.Pa.G. (IT 1963) -das Akronym setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Namen der Regisseure zusammen: Rossellini, Godard, Pasolini, und Gregoretti. Diese beeindruckende Autorenriege entwirft vier voneinander unabhängige Teile zum weit gespannten Überthema »der fröhliche Beginn des Endes der Welt«. Rossellinis Illibatezza wurde heftig als der »schwächste und uninteressanteste« Teil des Films kritisiert, eine »frivole und schrecklich fantasielose Screwball-Comedy, die im Ton und Stil nicht weiter vom unverfälschten Neorealismus entfernt sein könnte, dem er seinen Namen verdankt«. 1 Doch da die Filmvgeschichte revidierbar ist und übersehene oder verworfene Teile vor dem Verges-Eine ausführlichere Version dieses Artikels erschien 2013 unter dem Titel Cinematic Interfaces: Film Theory After New Media bei Routledge.