Die Rhetorik des Vorurteils - Sprachkritische Untersuchungen zur deutschen Literatur über den Spanischen Bürgerkrieg 1936 - 1939 (original) (raw)
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Die Literatur des Spanischen Bürgerkriegs. Eine Einführung
Eine Einführung von GÜNTHER SCHMIGALLE Der Spanische Bürgerkrieg dürfte wohl das in Geschichtsschreibung, Publizistik und Literatur am häufigsten dargestellte und analysierte, am heftigsten diskutierte und umstrittene Ereignis des 20. Jahrhunderts sein. Auf etwa 25.000 wird die Zahl der selbständigen Publikationen (Bücher und Broschüren), die ihn ganz oder teilweise zum Gegenstand haben, geschätzt. Wir groß ist dann wohl die Zahl der literarischen Werke, die vom Spanienkrieg handeln? Maryse Bertrand de Muñoz, eine der besten Kennerinnen der Materie, hat erklärt, ihr seien mehr als 2000 literarische Werke ("obras de creación fiteraria"), die sich ganz oder teilweise auf dieses Thema beziehen, bekannt 1 . Sie bezieht sich dabei jedoch nur auf die "klassischen" literarischen Gattungen. Wenn wir einen erweiterten Literaturbegriff zugrunde legen, der auch die Testimonialliteratur mit einbezieht (d.h. den weiten Bereich von Erlebnis-und Augenzeugenberichten, in Buchform vorliegenden Reportagen, Lebenserinnerungen usw.) -was sich bei diesem Thema geradezu aufdrängt -so kommen wir leicht auf eine Zahl von etwa 3000 Büchern. Wie kann man sich in dieser Flut von Texten orientieren? Wie soll man dieses Material gliedern? Konventionelle Gliederungen nach literarischen Gattungen, nach Nationalität und Sprache der Autoren wären denkbar, Im folgenden haben wir uns, was die Globalstruktur angeht, zu einer Gliederung nach historisch-politischen Gesichtspunkten entschlossen und stellen in den Abschnitten 1-3 die profranquistische Literatur, die Literatur der Volksfront und die Literatur der sozialen Revolution vor, wobei wir in allen drei Abschnitten die spanische und die ausländische Literatur des Bürgerkriegs unterscheiden. Dabei gehen wir von folgender Überlegung aus. Der Spanische Bürgerkrieg war nicht nur ein Konflikt zwischen dem franquistischen und dem republikanischen Lager und ihren jeweiligen internationalen Verbündeten. Der Konflikt innerhalb der spanischen Republik, zwischen den Anhängern einer bürgerlichen Demokratie (Republikaner, Rechtssozialisten, Kommunistische Partei), die sich um das Volksfrontprogramm scharten, und den Vertretern der sozialen Revolution (Anarchisten, Linkssozialisten, POUM), ging über den Rahmen eines bloßen Machtkampfs (wie er sich auch in der franquistischen Zone abspielte) weit hinaus und hatte (obwohl er sich nur zeitweise in offenen bewaff-1 Bertrand de Muñoz, La guerra civil española... I,5. Günther Schmigalle: Die Literatur des Spanischen Bürgerkriegs 78 neten Konflikten ausdrückte) den Charakter eines "Bürgerkriegs im Bürgerkrieg" Es ist -von Felix Morrow über Pierre Broué bis Andy Durgarn immer wieder argumentiert worden, daß die Existenz und der Verlauf dieses inneren Bürgerkriegs letztlich auch entscheidend dafür waren, daß Franco den Krieg überhaupt gewinnen konnte: durch die Rückgängigmachung (Zerschlagung) der sozialen Revolution, bei der die KP die Hauptrolle spielte, wurde jene Begeisterung des Volkes zunichte gemacht, die das Pronunciamento Francos im Juli 1936 zunächst scheitern ließ und die auch weiterhin der stärkste Trumpf der Republik im Kampf gegen Franco hätte sein können. So bestechend diese Argumentation ist, so muß sie doch, wie alle derartigen Überlegungen, spekulativ bleiben. Tatsache ist jedoch die innere Spaltung der Republik durch einen internen Bürgerkrieg, der in den Straßenkämpfen in Barcelona (Mai 1937) und in der Unterdrückung des POUM (Juni 1937) ihren Höhepunkt fand. Und damit ist es auch Tatsache, daß man die gesamte Bürgerkriegsliteratur, soweit sie während oder unmittelbar nach dem Konflikt entstanden ist, einem jener drei Lager zurechnen kann: dem des Franquismus, dem der Volksfront oder dem der sozialen Revolution. Das bedeutet auch, daß man in fast allen diesen Werken zwei grundlegende thematische Elemente findet: die Selbstdarstellung des eigenen Lagers und die (explizite oder implizite) Polemik gegen die beiden anderen. Die literarischen ebenso wie die nichtliterarischen Texte des Spanischen Bürgerkriegs lassen sich nur im Kontext der internationalen Meinungsschlacht, die dieser Konflikt entfachte, adäquat interpretieren. Für den Literaturhistoriker ist es freilich von größtem Interesse, wie weit es den einzelnen Autoren gelungen ist, Selbstdarstellung und Polemik in Richtung auf die Darstellung allgemeinmenschlicher Probleme und Werte zu transzendieren. Möglicherweise wird man zu dem Schluß kommen, daß dies, im Verhältnis zu der großen Gesamtzahl doch nur in relativ wenigen Werken gelungen ist -in einer Handvoll von "Klassikern", die auch dem späteren Lesepublikum, das keine einschlägigen Erfahrungen und Vorkenntnisse mehr besitzt, auf einer bestimmten Ebene unmittelbar zugänglich sind. Das durch den Bürgerkrieg und mit Hilfe Hitlers und Mussolinis etablierte Francoregime bestand bekanntlich noch bis zum Jahre 1975 und versuchte bis zuletzt mit allen Mitteln, die Spaltung Spaniens in Sieger und Besiegte, im Lande geduldete und ins Exil verbannte, aufrechtzuerhalten. Noch bis in die sechziger Jahre gibt es daher in der spanischen Bürgerkriegsliteratur eine deutliche Spaltung in profranquistische und prorepublikanische Autoren und Günther Schmigalle: Die Literatur des Spanischen Bürgerkriegs 79
Eisler-Mitteilungen, 2022
The article deals with an bundle of papers that Eisler brought back from wartime Spain to Paris in 1937 and kept until the end of his life. The text source, which has hitherto been overlooked by scholars, contains drafts and clean copies of six poems that Renn wrote in Spain in the first months of the Spanish Civil War. These poems can be divided into three distinct groups: two poems are Kampflieder lyrics about the anti-fascist struggle of the German interbrigadists in Spain, two are ironic recollections of lile in (Nazi) prison, and two are personal poems about Renn's feelings and fears at the time regarding his homosexuality. These literary works shed light on significant aspects of cultural life within the German Thälmann Battalion of the International Brigades, as well as on Renn's biography. The documents are kept today in the Hanns-Eisler-Archiv in Berlin, catalogued as "Nicht vertonte Texte”.
Der gesamte Band ist in Open Access erschienen und lässt sich unter folgendem Link kostenlos herunterladen: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110771008/html Abstract des Sammelbands: Das Verhältnis zwischen Literatur und Wissen(schaft) wird seit Jahrzehnten rege beforscht, allerdings wurde die DDR-Literatur dabei fast völlig außen vor gelassen. So blieb unentdeckt, dass die ‚Produktivkraft Wissenschaft‘ zu einem ihrer wichtigsten Gegenstände avancierte. Das Verhältnis der DDR-Autor*innen zur gesellschaftlich zentralen, ja revolutionären ‚Produktivkraft‘, wie es offiziell hieß, stand von Beginn an unter ambivalenten Vorzeichen: Einerseits galt die Schlüsselrolle von Wissenschaft und Technik als verbindlich, und kulturpolitische Direktiven verfolgten das Ziel, die Literaturproduzent*innen eng(er) an die Wissenschaften zu binden. Andererseits entdeckten die Schriftsteller*innen die Wissenschaften durchaus auch aus eigenem Interesse heraus und erfüllten die offiziellen Schreibaufträge auf ihre eigene, mitunter eigenwillige Weise. In diesem Spannungsfeld bewegen sich die einzelnen Fallstudien, die den literarischen Aneignungsweisen der Wissenschaften bei Schriftsteller*innen wie Sarah Kirsch, Franz Fühmann, Johannes R. Becher, Dieter Noll, Brigitte Reimann, Maxie Wander, Christa Wolf, Hildegard Maria Rauchfuß, Christoph Hein, Fritz Rudolf Fries, Helga Königsdorf und Heiner Müller gewidmet sind.
Einige alte und neue Kommentare zur Rezeption der spanischen Literatur in Deutschland
2017
Seit 1968 lebe ich in Spanien, seit 1974 beschäftige ich mich beruflich (im Suhrkamp-Verlag) und aus Leidenschaft (wann immer sich eine Gelegenheit bietet-auf Universitäts-Symposien, Kongressen, in zahl reichen Artikeln, Materialienbänden, Anthologien oder bei der Organi sation diverser Veranstaltungen) mit der Vermittlung der spanischen, portugiesischen und lateinamerikanischen Literatur und Kultur nach Deutschland, versuche mitzuhelfen, damit möglichst viele Brücken zum gegenseitigen Verständnis (aus-)gebaut werden. Über bald 30 Jahre konnte ich so viele Informationen und Erfah rungen Zusammentragen, und kontinuierlich kommen neue Einsichten oder Fakten hinzu, so dass ich die wichtigsten Aspekte dieses Themas stets mit neuen Varianten und Zusätzen wiederholen muss. Auch der heutige Beitrag ist eine Erweiterung, eine zusätzliche Pirouette. 1984 habe ich für die Stadtbücherei Dortmund im Rahmen der dortigen Aus landskulturtage, die erstmals Spanien gewidmet waren, eine (damals relativ vollständige) Bibliographie Spanische Literatur des 20. Jahr hunderts in deutschen Übersetzungen zusammengestellt. Es war eine Sisyphos-Arbeit-und ein Schock: Das Ergebnis war derart armselig, die Liste der Lücken so gewaltig und oft unverständlich (im Vergleich zu den anderen großen europäischen Kulturnationen England, Italien, Frankreich, Russland), dass man den Eindruck gewann, hier müsse ein fach alles getan werden.
Krieg im Mittelalter und seine Kritik in literarischen Werken des deutschsprachigen Raumes
Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, 1998
Kriege sind schrecklich und haben schon immer eine Geisel der Menschheit dargestellt, auch wenn sie manchmal notwendig waren oder unschuldigen Völkern aufgezwungen wurden. Wer Kriege führen muß, sieht sich meist einer auswegslosen Situation gegenüber, auf die man nur noch mit militärischen Maßnahmen zu reagieren vermag. Zwar hat es immer Befürworter des Krieges gegeben, Säbelrassler und Eroberungslüsterne, Ideologen und Fanatiker, und manchmal haben sich die Massen, psychologisch aufgepeitscht, voll Begeisterung in den Krieg gestürzt, aber überwiegend haben sich die Menschen zu allen Zeiten gegen den Krieg bzw. den Kampf als Lösung für Konflikte und Meinungsunterschiede ausgesprochen und alles darangesetzt, Frieden als Grundlage für gesellschaftliche Existenz innerhalb einer Gemeinschaft anzustreben. Der große Schatz von Sprichwörtern, der uns aus allen Zeiten überliefert ist, liefert einen überzeugenden Beweis dafür, daß die Erfahrung des Krieges als etwas Schreckliches angesehen und dementsprechend verurteilt wurde. 1 Philosophische, politologische, religiöse und kulturhistorische Betrachtungen waren stets noch gegen den Krieg gerichtet. 2 Selbst wenn eine betroffene Seite als Sieger aus dem Krieg hervorkommt, gibt es letztlich doch nur Verlierer, nämlich Tote, Verletzte, Witwen und Waisen. Krieg führt allemal noch grauenhafte Zerstörung und maßloses Leid mit sich und mündet in ein alle treffendes Elend, auch wenn die Kriegspropaganda auf beiden Seiten zu insinuieren bemüht gewesen sein mag, daß durch die militärischen Strategien ein bedeutender Erfolg errungen wurde. Die Bewertung
Die sprechende Wunde der Toten in der frühneuzeitlichen Literatur Spaniens
Die ewige Wunde. Beiträge zu einer Kulturgeschichte unheilbarer Wunden in der Vormoderne, 2023
This article examines the motif of the cruentatio in early modern Spanish literature. The phenomenon of corpses bleeding when the murderer is present again is known in legal history as the Bahrprobe. It was mainly practiced in German-speaking countries in the Middle Ages and early modern period as a means of establishing the truth in cases of violent crime; in southern Europe it is only documented in isolated cases. It is therefore even more astonishing that around the year 1605 three masterpieces of Spanish literature include cruentatio as a motif. The picaresque novels Guzmán de Alfarache and La Pícara Justina as well as Cervantesʼ Don Quijote each condense symbolic wounds in the cruentatio: the ethnically questionable status of the convert, the rejected physicality of the syphilitic prostitute and the mortification of the rejected lover. In all three cases, the accusing blood corresponds to the social obsession with blood purity in early modern Spain, from which the texts develop a casuistry of honour and revenge. The intertextual references between the three works reveal a shift in emphasis from the category of race in Guzmán de Alfarache to the category of gender and thus to sexual morality in Don Quijote. In Pícara Justina, these two semantics intertwine in a mode of total satire. Finally, the reconstruction of the network of relationships around the authors of these texts points to the vulnerability of the literary system.