Zwischen digitalem Antichrist und digitaler Eucharistie (original) (raw)

Sakramentaler Realismus nach dem Ende des Gutenbergzeitalters: Christsein in einer postdigitalen Welt

2022

Abstract: In the last centuries our modern world oscillated between the belief in disenchanted strategies of bureaucratic control and surveillance, and the celebration of iconoclastic ruptures that were supposed to preserve our sense of freedom and dignity. Yet, the equilibrium between these poles has fallen out of balance after the turn of the millennium. While the obsession with control has released concerted efforts to replace our supposedly irrational intelligence by the ‘artificial intelligence’ of digital technologies, the implementation of ICT technologies in our everyday life has undermined the iconoclastic conviction that artefacts are merely tools. Our smartphones have a ‘magic life’ on their own – be it that they afford a life that we appreciate, or that they nudge us into a life that we abhor. This challenge requires us to recover our ability to distinguish between idolatrous attachments, and the prudent use of ‘magic objects’, that is consistent with our natural desire to transform our life for the better. The following essay will discuss the question to what extent the basic assumptions of the confessionalized religions of the post-Reformation era distract us from the task to engage with this challenge. Moreover, it will question the modern inclination to replace the engagement with sacramental objects by the engagement with pious ‘master signifiers’: authoritative substitutes of the ‘body of Christ’, like the Eucharistic host, the Bible or secular party books, that reduce the attachment to religious traditions to a matter of formal belief and the submission to an authoritative system of clerical, bureaucratic, or (today) robotic surveillance. Abstract: In den letzten Jahrhunderten oszillierte unsere moderne Welt zwischen dem Glauben an entzauberte Strategien der bürokratischen Kontrolle und Überwachung und der Begeisterung für ikonoklastische Brüche, die unser Gefühl von Freiheit und Würde bestärkten. Doch das Gleichgewicht zwischen diesen Polen ist nach der Jahrtausendwende verloren gegangen. Während wir in den Sog digitaler Kontrolltechnologien gerieten, hat die Implementierung digitaler Technologien in unser Alltagsleben die ikonoklastische Überzeugung untergraben, dass Artefakte lediglich Werkzeuge seien. Unsere Smartphones haben ein „magisches Eigenleben“. Diese Herausforderung verlangt uns ab, zwischen idolatrischen Anhänglichkeiten und einem weisen Umgang mit „magischen Objekten“ zu unterscheiden, der unserem natürlichen Verlangen nach einem guten Leben förderlich ist. Der folgende Essay geht der Frage nach, inwieweit die Grundüberzeugungen der konfessionalisierten Religionen des Gutenbergzeitalters von der Aufgabe ablenken, sich dieser Herausforderung zu stellen. Darüber hinaus stellt er die moderne Neigung in Frage, den alltäglichen Umgang mit sakramentalen Objekten durch die Fokussierung auf fromme „Herrensignifikanten“ zu ersetzen: autoritative Substitute des „Leibes Christi“ oder andere identitätsstiftende Artefakte, die religiöse Überzeugungen auf eine Frage des formalen Glaubens sowie der Unterwerfung unter ein autoritatives System klerikaler, bürokratischer oder (heute) roboterhafter Überwachung reduzieren.

Zur Wiederentdeckung des Heiligen. Theologie nach der digitalen Transformation

2022

Abstract: In the last centuries our modern world oscillated between the belief in disenchanted strategies of bureaucratic control and surveillance, and the celebration of iconoclastic ruptures that were supposed to preserve our sense of freedom and dignity. Yet, the equilibrium between these poles has fallen out of balance after the turn of the millennium. While the obsession with control has released concerted efforts to replace our supposedly irrational intelligence by the ‘artificial intelligence’ of digital technologies, the implementation of ICT technologies in our everyday life has undermined the iconoclastic conviction that artefacts are merely tools. Our smartphones have a ‘magic life’ on their own – be it that they afford a life that we appreciate, or that they nudge us into a life that we abhor. This challenge requires us to recover our ability to distinguish between idolatrous attachments, and the prudent use of ‘magic objects’, that is consistent with our natural desire to transform our life for the better. The following essay will discuss the question to what extent the basic assumptions of the confessionalized religions of the post-Reformation era distract us from the task to engage with this challenge. Moreover, it will question the modern inclination to replace the engagement with sacramental objects by the engagement with pious ‘master signifiers’: authoritative substitutes of the ‘body of Christ’, like the Eucharistic host, the Bible or secular party books, that reduce the attachment to religious traditions to a matter of formal belief and the submission to an authoritative system of clerical, bureaucratic, or (today) robotic surveillance. Abstract: In den letzten Jahrhunderten oszillierte unsere moderne Welt zwischen dem Glauben an entzauberte Strategien der bürokratischen Kontrolle und Überwachung und der Begeisterung für ikonoklastische Brüche, die unser Gefühl von Freiheit und Würde bestärkten. Doch das Gleichgewicht zwischen diesen Polen ist nach der Jahrtausendwende verloren gegangen. Während wir in den Sog digitaler Kontrolltechnologien gerieten, hat die Implementierung digitaler Technologien in unser Alltagsleben die ikonoklastische Überzeugung untergraben, dass Artefakte lediglich Werkzeuge seien. Unsere Smartphones haben ein „magisches Eigenleben“. Diese Herausforderung verlangt uns ab, zwischen idolatrischen Anhänglichkeiten und einem weisen Umgang mit „magischen Objekten“ zu unterscheiden, der unserem natürlichen Verlangen nach einem guten Leben förderlich ist. Der folgende Essay geht der Frage nach, inwieweit die Grundüberzeugungen der konfessionalisierten Religionen des Gutenbergzeitalters von der Aufgabe ablenken, sich dieser Herausforderung zu stellen. Darüber hinaus stellt er die moderne Neigung in Frage, den alltäglichen Umgang mit

Mit Gotthelf ins digitale Zeitalter

2017

Bericht uber Stand und Perspektiven der Historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke und Briefe von Jeremias Gotthelf. Insbesondere werden digitale Arbeitsweisen und digitale Edition vorgestellt.

Digitale theologische Öffentlichkeiten

2019

Als Mitherausgeber_innen von Cursor_ blicken Thomas Renkert und Frederike van Oorschot auf digitale Öffentlichkeiten und welche ersten Erkenntnise das erste Jahr des Zeitschriftenprojekts Cursor_ über digitale Kommunikations- und Informationsmedien der Gegenwart liefert. Es handelt sich um ein Vortragsmanuskript. Einige weitere Illustrationen sind auf der pubpub-Seite von Cursor_ zu finden.

Evangelikalismus zwischen Moderne und Postmoderne

2020

Evangelikale Christen gelten in der öffentlichen Wahrnehmung und im umgangssprachlichen Sinn oft als typisches Beispiel für eine Religion mit antimoderner Haltung, die moralisch und politisch konservativ sowie weltanschaulich rückständig ist. Andererseits scheinen Evangelikale gewisse Ideale einer soziologisch definierten ›Moderne‹ wie Selbstoptimierung und Effizienz geradezu zu verkörpern und moderne Entwicklungen wie digitale Medien und organisatorische Professionalisierung für sich zu nutzen. Diese Modernität des Evangelikalismus wird wiederum teilweise von evangelikalen Akteuren selbst kritisiert und zwar sowohl von konservativen als auch von postmodernen Vertretern. Damit verorten wir den Evangelikalismus in einem doppelten Spannungsverhältnis: In der Außenperspektive zwischen Anti-Modernität und Modernität und in der Innenperspektive zwischen Moderne und Postmoderne. Diese ambivalente Position zwischen Moderne und Postmoderne verleiht dem Evangelikalismus eine eigenwillige Dynamik und Vielfalt, die wir hier skizzieren möchten. bEgriffsklärungEn Den Begriff ›Evangelikalismus‹ verwenden wir in diesem Kapitel, um damit in heuristischer Weise einen protestantischen Diskurs sowie die damit verbundene Praxis zu bezeichnen, die die direkte, persönliche Beziehung zu Gott und Jesus betont, dabei den steten Bezug auf die Bibel als göttlich inspirierter Schrift anstrebt und die Konversionserfahrung zum zentralen Moment der individuellen Biographie macht. Die Bezeichnung Evangelikalismus beinhaltet entsprechend auch pfingstliche und charismatische Bewegungen im Protestantismus, die in der Regel die genannten Glaubensgrundsätze teilen, sich jedoch in der Frömmigkeitspraxis unterscheiden, indem sie beispielsweise die Manifestationen des Heiligen Geistes besonders hervorheben.

Reale Präsenz – physische Distanz? Beobachtungen zur Debatte um Online-Sakramente

Werz, Joachim, ed, Gottesrede in Epidemien. Theologie und Kirche in der Krise, Münster, Aschendorff, 2021, 337–351.

Die Frage, wie Gottesrede in Epidemien gelingen kann, betrifft nicht ausschließlich Überlegungen, wie Theologie und Kirche im Angesicht von Unheil vom christlichen Gott reden können. Sie schließt auch jenes Sprechen mit ein, mit dem Christinnen und Christen Gott in ihrer Mitte vergegenwärtigen. Hierdurch rückt die performative Sprache des Gebets, der Liturgien und der Sakramente ins Zentrum, mit der sich Christinnen und Christen an Gott wenden, um Trost, Heilung und Heiligung zu erfahren. Wer die theologische Sprachfähigkeit in Epidemien betrachtet, wird die performative Sprache der Kirche und die Frage, inwieweit sie auf pandemische Herausforderungen zu antworten geeignet ist, in den Blick nehmen müssen. Kaum überraschend lag in den Debatten der vergangenen Monate ein auffälliger Fokus auf der Liturgie und den Sakramenten als kirchlichen Vollzügen, die als öffentliche Feiern der Kirche in der Pandemie an ihre Grenzen kamen. Dieser Fokus ist nur prima facie der Tatsache geschuldet, dass Lockdown und Social distancing öffentliche Zusammenkünfte erschwerten oder unmöglich machten. Hinter dieser richtigen, wiewohl trivialen Erkenntnis verbirgt sich eine komplexere Ebene. Sie berührt die von den Herausgebern dieses Bandes geäußerte Vermutung, dass die gegenwärtige Pandemie grundlegende Krisen der Kirche offenbare. Die vielgenutzte Redewendung, Corona wirke als „Brennglas“, erzeuge also kaum neue Krisen, sondern lasse bestehende zu Tage treten, verbindet sich auch mit der Herausforderung, wie Kirche unter Pandemiebedingungen gemeinschaftliche Gottesbegegnung ermöglichen könne. Wenn Liturgien und sakramentale Feiern Mittel und Werkzeuge dieser Begegnung sein sollen, muss sich die Kirche fragen lassen, warum sie wahlweise wortkarg wird oder schrill klingt, wenn ihr kein Zugriff auf die physischen Körper der Gläubigen möglich ist. Der vorliegende Beitrag sichtet dieses Problem anhand zweier Beispiele, der Debatte um virtuelle Eucharistiefeiern und „Fernbeichten“, die ihren Ausgang bereits in den 80er Jahren nahm. Amtskirchliche Stimmen geben sich defensiv. Sie agieren ausweichend, insoweit sich aus der tridentinischen Sakramentenlehre keine Positionierung gegenüber virtuellen Formaten entwickeln lässt. Sie agieren ablehnend, indem sie den konziliaren Fokus auf die Gemeinschaft der Gläubigen und deren „participatio actuosa“ gegen virtuelle Formate in Stellung bringen. Aus der Sichtung kirchlicher Dokumente ergibt sich der Eindruck von Scheindebatten, die die Rede von „wahrer“ Präsenz und „echter“ Gemeinschaft beschwören, um dem Schwund anatomischer Macht Einhalt zu gebieten.

Pro mundi vita : Eucharistiefeier und ethische Lebensgestaltung

2011

Die Feier der Eucharistie greift irdische Materialien und elementare menschliche Vorgänge auf und macht sie zu Zeichen der Präsenz Jesu Christi und seines Heils wirkens. Zugleich will sie in ihren Gebeten und Symbolen auch Stärkung verantwort licher Lebensgestaltung sein und als Ausgangspunkt des Dienstes an der Verwand lung der Welt in Alltag, Beruf und Politik entdeckt werden. Insofern sind Versamm lung, gemeinsames Mahl, Versöhnung und Frieden, Sättigung der Hungrigen nicht nur Inhalte eines Zuspruchs für einen selbst, sondern auch Auftrag zu entsprechen dem Handeln. Um diese Implikationen explizit zu machen und als Profil einer erneu erten eucharistischen Frömmigkeit sichtbar zu machen, dient das Leitwort des Eucharistischen Weltkongresses "Für das Leben der Welt" als programmatischer Aus gangspunkt der folgenden Überlegungen, die auch auf die Festschrift der Theologi schen Fakultät der Universität München Bezug nehmen. Das Motto des Eucharistischen Weltkongresses in München 1960, der großen Brotrede im Johannesevangelium (Joh 6,51) entnommen, ist sprachpragmatisch gleichermaßen Zu sage, die aktivierend vergegenwärtigt wird, wie Bekenntnis, das denen angeboten wird, die diese Zusage glaubend auf sich beziehen. Es will aber ganz offensichtlich auch eine Gesamtrichtung markieren, nach der diejenigen, die in der Eucharistiefeier Gemeinschaft mit Christus und Anteil an seinem Leben erlangen, ihre Lebensführung und ihr Handeln nachfolgend ausrichten sollen, nämlich "für das Leben in der Welt". Die Hingabe Jesu Christi in den Tod und ihre Feier in der Eucharistie werden also als ein "Für" etwas ande res, die Welt, akzentuiert und als Zielform christlicher Existenz genommen. Darin liegt faktisch, wenn auch bloß angedeutet, eine doppelte Distanzierung. Nämlich zum einen von einer Frömmigkeit, die den Sinn der Zusage auf das eigene Heil konzent riert, und zum anderen von einer Frömmigkeit, deren innere Zielrichtung der Rückzug aus der Welt und die Distanz von ihr darstellt. Beide Formen von Frömmigkeit waren am Vorabend des II. Vatikanischen Konzils im Wahmehmungskreis auch der Durchschnitts katholiken durchaus präsent: die eine optisch durch den auf den Volksmissionskreuzen fast aller Pfarrkirchen aufgebrachten Spruch "Rette deine Seele", die andere durch die Sprache des Gebets, in der die Rede von "der Welt" ein Synonym war für Uneigentlich keit, Ablenkung vom Wesentlichen, Verführung bis hin zu Verdorbenheit. "Für das Leben in der Welt" ist demgegenüber das mit dem Evangelium formulierte Programm, mit dem in der Eucharistie gegenwärtigen Christus die Welt am Leben zu er halten und sie zu durchwirken. Oder, wie man mit traditionellen Formeln sagen konnte, die Welt zu "retten", mit dem Geist der Liebe zu "durchdringen", sie "zu erneuern" und "zu heiligen". Solche Formeln rufen allerdings leicht Herrschafts-und Eroberungskonnotationen und Allmachtsfantasien hervor und verstellen dann unter Umständen, dass das 132 Konrad Hilpert "Für" auch stellvertretend, solidarisch, dienend, Verbindung schaffend oder auch bloß akzeptierend gemeint sein kann-aus der Kraft heraus, welche die Teilnahme an der Fei er der Eucharistie freisetzt.1