Warum werden Menschen Eltern? : Eher ein Abenteuer als eine bewusste Entscheidung (original) (raw)

„Genitus non factus!“: Über den moralisch relevanten Unterschied, ob Menschenkinder „gezeugt“ oder „erzeugt“ werden

in: F. Eller u. A. G. Wildfeuer (Hrsg.): Problemkontexte kindlicher Entwicklung, Münster 2007, 13-56., 2007

uns der biblische Urbericht von der Erschaffung des Menschen durch Gottes Hand (Gen 1,26). Gott schafft den Menschen nach seinem Abbild (Gen 1,27). Die faszinierende Versuchung, Gott im Schöpfertum (Gen 2,7) gleich zu sein, hat den Menschen seit jeher dazu herausgefordert, sich als Menschenschöpfer zu versuchen. Die in talmudischer Zeit entstandene Geschichte des Golem greift dieses Motiv auf. Vgl. dazu etwa Mayer 1975; Stammler 1987 (orig. 1931). Ein Golem (wörtl.: Ungestaltetes, Unfertiges, Erdkeim) ist ein menschenähnliches Wesen, das von seinem Menschenschöpfer aus Lehm geschaffen wurde, um diesem als Knecht zu dienen. Um den aus Lehm gestalteten künstlichen Menschen zu beleben, kannten einzelne Rabbiner, denen die Kraft und Fähigkeit zugeschrieben wurde, Golems zu schaffen, unterschiedliche Möglichkeiten. Weit verbreitet war es, dem Golem das Wort »emeth« (= Wahrheit) auf die Stirn zu schreiben und ihn so zum Leben zu erwecken. Gleichzeitig waren aufgrund der Körperkraft des Golem bestimmte Sicherungsmaßnahmen nötig, um ihn nicht in die Freiheit zu entlassen. Wurde der Golem zu übermächtig, löschte der Schöpfer den Anfangsbuchstaben (aleph) des Stirnschriftzuges. Übrig blieben die Buchstaben »meth« (= tot), und der Golem verwandelte sich zurück in seine Ausgangsmaterie: den Lehm, aus dem er hervorgegangen war. Die Golemerzählung, die an die biblische Schöpfung Adams erinnert, soll zeigen, dass der Versuch des Menschen, den göttlichen Schöpfungsakt zu imitieren, aus eigener Hand Menschen zu schaffen und das Geheimnis des Lebens zu enträtseln, stets zum Scheitern verurteilt ist.

„Wenn Kinder da sind, kommen die an erster Stelle. Sonst muss man keine Familie haben.“ Berufsidentität und (antizipierte) Mutterschaft: Frauen und der Druck, sich zu entscheiden.

Das Ideal der ‚liebenden Mutter‘, wie es sich mit der Entstehung der bürgerlichen Kleinfamilie entwickelt hat, erwartet von Frauen eine uneingeschränkte Hingabe für die Familie, insbesondere für die Kinder. Traditionell spielt in diesem Lebensentwurf Erwerbstätigkeit nur eine untergeordnete Rolle. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch die Bedeutung des Berufs für Frauen verändert. So zeigt der vorliegende Beitrag auf Grundlage von qualitativen Interviews mit Frauen Anfang 30 aus der deutschsprachigen Schweiz, dass diese in der Phase vor der Mutterschaft eine hohe Identifikation mit ihrem Beruf ausbilden. Die berufliche Entwicklung nimmt auch ohne Karriereambitionen deutlich eine Eigendynamik an. Die Thematisierungen von Mutterschaft bleiben hingegen (fast) unverändert. In der Folge geraten Frauen stark unter Druck, sich zwischen Familie und Beruf entscheiden zu müssen. Die geforderte Priorisierung stellt sie vor vielfältige und auch emotionale Konflikte. Zudem zeigen wir den Zusammenhang dieser hohen Persistenz von Mütterlichkeit mit einem gering ausgebauten Sozialstaat und einer neoliberalen politischen Kultur, in der die Vereinbarkeitsprobleme stark individuell übernommen werden.

„Du sollst das beste Kind wählen!“ Eine Kritik des Pflichtbegriffs von Procreative Beneficence

“You should select the best child!” A critique of Procreative Beneficence’s Concept of Obligation: According to liberal eugenics, couples should be free to determine the genetic condition of their future offspring. The most famous position in this debate is Procreative Beneficence (PB). PB is a maximizing principle which states that, albeit the right to reproduction autonomy, couples have a moral obligation to select the best child of the possible children they could have. Thus, reproducers have moral reasons to undergo assisted reproduction in order to genetically profile embryos to fulfill this obligation. By analyzing PB’s concept of “moral obligation”, I argue that in decisive cases PB fails to show that parents have significant reasons to select for the best. Furthermore, it might be obligatory to conceive naturally, even if this does not lead to the best possible child.

Vater werden ist nicht schwer, Vater sein hingegen sehr …?: Unterschiedliche Motive, Erfahrungen und Vereinbarkeitspraktiken von Vätern in Karenz

Väterkarenz ist in Österreich nach wie vor ein Minderheitenprogramm, da nur vergleichsweise wenige Männer in Karenz gehen. Kinderbetreuung ist noch kein selbstverständlicher Bestandteil hegemonialer Männlichkeit. Karenzväter setzen sich daher bewusst wie unbewusst von dieser Form von Männlichkeit ab. Trotzdem handelt es sich bei diesen Männern nicht um eine einheitliche Gruppe. Vielmehr repräsentieren die Karenzväter durchaus unterschiedliche Formen von Männlichkeit. Auf Basis qualitativer Interviews mit Karenzvätern haben wir drei Formen entlang der Motivlagen für die Inanspruchnahme von Väterkarenz und der Vereinbarkeitspraktiken nach der Rückkehr in das Berufsleben differenziert. Dabei zeigt sich, dass nicht jede alternative Form von Männlichkeit bestehende Geschlechterrollen auflöst, sondern auch zu deren Stabilisierung beitragen kann.

"Alle" Gründe für und gegen das Mutterdasein als Wissenschaftler_in

Mutterschaft und Wissenschaft - Die (Un-)Vereinbarkeit von Mutterbild und wissenschaftlicher Tätigkeit, 2020

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Wahl der Kinderbetreuung hängt in Westdeutschland auch mit der Persönlichkeit der Mütter zusammen

Mit dem Ausbau der außerhäuslichen Betreuungsangebote, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, nutzen immer mehr Kinder dieser Altersgruppe Kindertageseinrichtungen. Diese formelle Betreuung wird häufig mit der Betreuung durch Großeltern oder andere Personen kombiniert. Welche Betreuungskombinationen und wie viele genutzt werden, hängt mit einer Vielzahl von sozioökonomischen Merkmalen und dem Angebot zusammen. Die Persönlichkeit der Mutter kann darüber hinaus Unterschiede in der Betreuungswahl erklären - wenn auch nur einen relativ geringen Anteil und vorrangig bei Familien, die in Westdeutschland leben. Analysen auf der Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) haben für Westdeutschland gezeigt, dass Mütter, die sehr offen für Neues sind, eher die Nutzung einer Kindertageseinrichtung mit Formen informeller Betreuung kombinieren. Mütter, die sich im Sinne der Persönlichkeitsforschung als gewissenhaft einstufen, nutzen diese Angebote seltener als alleinige Betreuungsform neben ...

Warum akzeptieren Eltern so bereitwillig die Diagnose ADHS? Kritische Diskursanalyse eines boomenden Deutungsangebotes

Psychologie und Gesellschaftskritik, 2014

Warum akzeptieren Eltern so bereitwillig die Diagnose ADHS? Kritische Diskursanalyse eines boomenden Deutungsangebotes Die Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit-bzw. Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist wohl die kinderpsychiatrische ›Erfolgsgeschichte‹ des letzten Jahrzehnts. Im vorliegenden Beitrag beschäftigen wir uns mit der Situation ›betroffener‹ Eltern und gehen dabei insbesondere der Frage nach, warum diese das Deutungsangebot ADHS ohne weiteres akzeptieren, ja oft nachgerade darum anstehen. Die hier vorgestellten Ergebnisse einer kritischen Diskursanalyse eines ADHS-Internetforums geben dazu Einblicke in die Lebenswelten der Eltern und zeigen, dass diese das Deutungsangebot ADHS im Kontext gesellschaftlich geforderter Erziehungserwartungen, über die Akzeptanz der Diagnose zugänglich werdender Hilfsangebote und nicht zuletzt auf Grund der damit einhergehende eigenen ›Entschuldung‹ nur schwer ausschlagen können.