Adorno Praxis und Kritik (original) (raw)
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Die Ästhetik des Theodor W. Adorno. In: Die Kunst ist tot. Lang lebe die Schönheit. Über die Entstehung, das Wesen und die Überwindung der Moderne. , 2021
Die Ästhetik von Theodor. W. Adorno ist die umfassendste Theorie über die moderne Kunst im 20. Jahrhundert. Der Beitrag untersucht im Detail Adornos weitläufige Perspektive auf Kunst und Gesellschaft und weist die Bezüge zu seiner Metaphysik auf.
Adorno zur Einführung, Hamburg: Junius, 2017
»Schweppenhäusers Buch kann als die beste Einführung in Adornos Denken gelten.« (Politische Vierteljahresschrift)
Zur kritischen Theorie der Moral bei Adorno
Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 1992
Wer Äußerungen zum Thema Moralphilosophie aus dem Kreis der Begründer der Kritischen Theorie suchte, die geeignet erscheinen, über den systematischen Ort ethischer Reflexionen im Zusammenhang der Kritischen Theorie Aufschluß zu geben, sah sich bislang vor allem auf Gedanken von Horkheimer verwiesen. Dieser hatte im frühen Stadium der Entfaltung Kritischer Theorie das Konzept einer dialektischen Aufhebung derjenigen Intentionen, die in der idealistischen Moralphilosophie in falscher Gestalt aufbewahrt sind, durch befreiende gesellschaftliche Praxis vertreten. Die Idee der revolutionären Inauguration eines ebenso rationalen wie humanen gesellschaftlichen Bewegungsgesetzes schließt die materialistisch transformierte Vorstellung des Ubergangs einer abstrakt-postulativen Moralität in konkrete Sittlichkeit ein. "Die Überwindung" der bürgerlich-idealistischen Moral, so Horkheimer 1936, "liegt nicht im Aufstellen einer besseren, sondern im Herbeiführen von Zuständen, unter denen ihr Daseinsgrund hinwegfällt. Die Verwirklichung der Sittlichkeit, eines menschenwürdigen Zustands, ist kein bloß seelisches, sondern ein geschichtliches Problem." 1 Ohne von den frühen Intentionen grundsätzlich abzurücken, legte Horkheimer in späteren Jahren den Schwerpunkt darauf zu betonen, daß Kritische Theorie kein affirmatives Moralprinzip aufstellen könne. "Das jüdische Verbot, Gott darzustellen, und das Kantische, in intelligible Welten auszuschweifen, enthalten zugleich die Anerkennung dessen, eben des Absoluten, dessen Bestimmung unmöglich ist. Dasselbe gilt von der Kritischen Theorie, sofern sie erklärt, das Schlechte, zuvorderst in der Sphäre des Sozialen, dann aber auch in der des einzelnen Menschen, der des Moralischen, lasse sich bezeichnen, nicht jedoch das Gute. Der Begriff des Negativen, sei es das Relative oder das Böse, enthält in sich das Positive als seinen Gegensatz. Im Praktischen folgt aus der Denunziation einer Handlung als schlecht zumindest die Richtung der besseren Handlung. [...] Die kritische Analyse der Gesellschaft bezeichnet das herrschende Unrecht; der Versuch, es zu überwinden, hat wiederholt zu größerem Unrecht geführt. Einen Menschen zu Tode zu quälen ist Untat schlechthin, ihn, wenn möglich zu retten, menschliche Pflicht. Will man das Gute als den Versuch, das Schlechte abzuschaffen, definieren, so läßt es sich bestimmen. Eben dies ist die Lehre der Kritischen Theorie, jedoch das Gegenteil, nämlich das Schlechte durch das Gute zu definieren, wäre-selbst in der Moral-eine Unmöglichkeit." 2 Um zu zeigen, daß es auch bei Adorno ein systematisch folgenreiches Konzept
Adorno: Die Forderung zur Mündigkeit scheint in einer Demo kratie selbstverständlich. Ich möchte, um das zu verdeutlichen, mich nur auf den Anfang der ganz kurzen Abhandlung von Kant beziehen, die den Titel trägt Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?« Da definiert er die Unmündigkeit und impliziert da durch auch die' Mündigkeit, indem er sagt, selbstverschuldet sei Diese Unmündigkeit, wenn die Ursachen ders elben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegen, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. »Aufklä rung ist Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.« Mir scheint dieses Programm von Kant, dem man auch mit dem bösesten Willen Unklarheit nicht wird vorwerfen können, heute noch außerordentlich aktuell. Demokratie beruht auf der Willensbildung eines jeden Einzelnen, wie sie sich in der Institution der repräsentativen Wahl zusammenfaßt. So ll dabei nicht Unvernunft resultieren, so sind die Fähigkeit und Mut je des Einzelnen, sich seines Verstandes zu, bedienen, vorausgesetzt. Hält man daran nicht fest, so wird alle Rede von Kants Größe Geschwätz. Lippendienst; wie etwa, wenn man in der Siegesallee auf den Großen Kurfürsten aufmerksam gemacht wird. Wenn man es überhaupt mit dem Begriff einer deutschen geistigen Tradition ernst nimmt, so ist dem zunächst einmal aufs energischste entge genzuarbeiten. Becker: Mir scheint, daß wir an unserem gesamten Bildungswesen, so wie wir es bisher in der Bundesrepublik hatten, deutlich machen können, daß wir eigentlich nicht zur Mündigkeit erzogen werden. Wenn Sie sich die ganz einfache Tatsache der Dreigliedrigkeit unseres Bildungswesens in Schulen für sogenannte Hochbegabte, in Schulen für sogenannte Mittelbegabte und in sehr viele Schulen für offenbar kaum Begabte klarmachen, dann ist in ihr eine bestimmte erste Unmündigkeit bereits vorgebildet. Ich glaube, daß wir der ganzen Frage der Mündigkeit nicht gerecht werden, wenn wir nicht den falschen Begabungsbegriff, der unser Bildungswesen be -133 stimmt, vorweg durch Aufklärung überwinden. Wir haben vielleicht vielen Hörern bekannt ist, vom Deutschen Bildungsrat vor kurzem einen Gutachtenband veröffentlicht, >Begabung und Lernen«, in dem wir anhand von 14 Gutachten von Psychologen, und Soziologen deutlich zu machen versucht haben, daß Begabung nicht im Menschen vorgebildet ist. sondern in ihrer Entfaltung abhängig ist von dem Challenge, dem der Einzelne ausgesetzt ist. Das heißt, daß man jemanden »begaben« kann. Von hierher wird die Möglichkeit, »Lernen durch Motivierung« in jedem hervorzurufen, eine besondere Form der Entwicklung von Mündigkeit. Dazu gehört freilich ein Schulwesen, das nicht klassenspezifische Ungleichheiten in seiner Gliederung fortsetzt, sondern durch eine frühkindliche Überwindung klassenspezifischer Sperren dann die Entfaltung zur Mündigkeit durch Lernmotivierung aufgrund eines äußerst differenzierten Angebots praktisch möglich macht. Das heißt nun. um in gängigen Vokabeln zu reden, nicht Mündigkeit durch Gesamtschule, sondern Mündigkeit durch Abbau der über-komrnenen Dreigliederung und durch ein sehr differenziertes, vielfältiges Bildungsangebot auf allen Stufen von der Vorschule bis zur ständigen Weiterbildung, um auf diese Weise die Mündigkeit im Einzelnen zu entfalten. Ein Prozeß, der um so wichtiger wird, als dieser Einzelne seine Mündigkeit ja in einer Welt zu behalten hat, die ihn insbesondere durch ihre Fremdsteuerung zu bestimmen scheint. Adorno: Ich möchte das, was Sie unter spezifischer Reflexion auf eines der wichtigsten pädagogischen Probleme in Deutschland begründen, von einer ganz anderen Seite aus stützen, wie ja der Sinn unseres Gesprächs weniger der ist, daß wir uns um irgend etwas streiten, wovon durchaus ungewiß ist, ob Kontroversen bestehen, sondern daß wir vielmehr von den verschiedenen Erfahrungsbereichen, die uns nun einmal eigentümlich sind, dieselben Fragen berühren und experimentierend sehen, was dabei herauskommt. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn ich etwas ganz Persönliches sagen darf, daß die Wirkung meiner eigenen Sachen, soweit es eine solche gibt, in Wahrheit gar nicht mit individueller Begabung. Intelligenz und ähnlichen Kategorien etwas Entscheidendes zu tun hat. sondern vielmehr damit, daß ich durch eine Reihe von Glücks-134