Schöne Schädel. Die Häupter der Heiligen in Ost und West, in: Knotenpunkt Byzanz. Wissensformen und kulturelle Wechselbeziehungen, hg. von Andreas Speer und Philipp Steinkrüger (Miscellanea Mediaevalia/Veröffentlichungen des Thomas-Instituts der Universität Köln 36), Berlin/Boston 2012, S. 655-678. (original) (raw)

Heilige Nägel und heilige Lanzen. In: F. Daim u. J. Drauschke (Hrsg.), Byzanz – Das Römerreich im Mittelalter. Monographien RGZM 84,1 (Mainz 2010) 97 - 171

2010

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb. de abrufbar. © 2010 Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begrün deten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nach drucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funk-und Fernsehsen dung, der Wiedergabe auf photomechanischem (Photokopie, Mikrokopie) oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungs anlagen, Ton-und Bild trägern bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vor be halten. Die Vergü tungs ansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG. werden durch die Verwer tungs gesellschaft Wort wahrgenommen. MECHTHILD SCHULZE-DÖRRLAMM HEILIGE NÄGEL UND HEILIGE LANZEN Eine kleine Gruppe von Altertümern, die überwiegend aus dem Byzantinischen Reich stammen, aber fast ausschließlich in den Kirchenschätzen des Abendlandes erhalten geblieben sind, hat in der Geistes-, Kulturund Frömmigkeitsgeschichte des mittelalterlichen Europa eine wichtige Rolle gespielt. Es handelt sich um Reliquien der Kreuzigung Jesu, die der Legende nach im frühen 4. Jahr hun dert auf dem Berg Golgatha in Jerusalem aufgefunden wurden, nämlich um die hl. Lanze und die hl. Nägel, insbesondere um jene Nägel, die in das Zaumzeug Kaiser Constantins I. eingearbeitet worden sein sollen. Das Recht, diese wundertätigen Leidenswerkzeuge zu besitzen, war einst das sorgsam bewahrte Privileg der byzantinischen Kaiser. Die meisten dieser Passionsreliquien haben eine wechselhafte Geschichte, deren Anfänge im Dunkeln liegen und nur durch archäologische Untersuchungen erhellt werden können. Schließlich sind sie als Waffen, Werkzeuge und Pferdetrensen mit profanen archäologischen Funden vergleichbar und deshalb -im Unterschied zu den Partikeln des »Wahren Kreuzes« -auch mehr oder minder genau zu datieren. Solche Vergleiche ermöglichen es nicht nur ihr Alter, sondern auch ihre Herkunft zu bestimmen sowie Originale von Pseudoreliquien zu unterscheiden. Die Frage nach ihrer »Echtheit« erübrigt sich jedoch von vornherein, weil diese Passionsreliquien nicht in der Grabkammer Jesu, sondern auf dem Berg Golgatha gefunden worden sein sollen, also anonyme Siedlungsfunde darstellen. Deshalb wären sie selbst dann nicht als Relikte der Kreuzigung Jesu zu identifizieren, wenn sie tatsächlich aus der ersten Hälfte des 1. Jahr hun derts stammen würden 1 . Im Mittelalter glaubte man, dass echte Reliquien an Wundern oder durch Gottesurteile zu erkennen seien. Andererseits zeigt der seit alters her geübte kirchliche Brauch, beliebige Gegenstände durch die Berührung mit echten Reliquien in ebenso wirkmächtige Sekundärreliquien zu verwandeln 2 , dass Authentizität für deren Heilkraft letztlich nicht entscheidend ist. Natürlich gehören auch diese sogenannten Berührungsreliquien und selbst erwiesene Fälschungen 3 zu den Geschichtsquellen und sind als solche einer wissenschaftlichen Unter suchung wert. Bislang galt das Hauptaugenmerk der Forschung den Reliquien des hl. Kreuzes und ihren Reliquiaren 4 . Weit weniger Aufmerksamkeit fanden dagegen die heilige Lanze und die heiligen Nägel, insbesondere aber die aus Kreuznägeln gefertigten Pferdetrensen, die von Archäologen noch nie zur Kenntnis genommen wur den. Ursachen dafür sind wohl nicht nur deren entlegene Publikationen, sondern auch mangelhafte Arbeitsgrundlagen. Wegen der schlechten Fundbedingungen in den Mittelmeerländern und aus forschungsgeschicht lichen Gründen gab es lange Zeit keine byzantinischen Waffen oder Zaumzeugteile 5 , die man zur Bewertung und Datierung der Passionsreliquien hätte heranziehen können. Studien zur Bewaffnung und Reiterei des byzantinischen Heeres beschränkten sich deshalb notgedrungen fast ausschließlich auf die Analyse von Schriftquellen und bildlichen Darstellungen 6 , denen aber wichtige Details meistens nicht zu entnehmen sind. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Ausgangslage etwas gebessert, obwohl innerhalb 97 Byzanz -das Römerreich im Mittelalter · Daim/Drauschke 1 Bekanntlich ist es erst seit Entwicklung der DNA-Analyse möglich, Gegenstände aufgrund anhaftender Blutspuren mit dem Tod eines ganz bestimmten Menschen in Verbindung zu bringen. 2 Kötting, Reliquien 1220. -Engemann, Übelabwehr 40. -Weidemann, Reliquie 353. -Kroos, Reliquien 25ff. -Bock, Kontaktreliquien 159. -Angenendt, Reliquien 1092. 3 Kötting, Reliquien 1220f. -Giese, Antiochia 485ff. 4 Braun, Reliquiare 458ff. Abb. 532-567. -Frolow, Relique. -Frolow, Reliquiaires. -Staecker, Rex regum. -Klein, Byzanz. -Pitarakis, Croix-reliquiaires. 5 Schreiner, Ausrüstung 216. -Kolias, Einflüsse 257. 6 Bruhn-Hoffmeyer, Military equipment. -Bivar, Cavalry 273ff. -Schreiner, Ausrüstung 215ff. -Kolias, Waffen. des Byzantinischen Reiches aufgrund des christlichen Bestattungsbrauchtums natürlich nur ausnahmsweise Gräber mit Waffenbeigaben 7 entdeckt werden. Immerhin haben großflächige Ausgrabungen in den Kastellen am Donaulimes sowie in zahlreichen byzantinischen Städten wie z.B. in der Altstadt von Jerusalem 8 , in Alt-Korinth 9 und im kleinasiatischen Sardis 10 oder auf dem Burgberg von Pergamon 11 vereinzelte Waffen und Zaumzeugteile sowie zahllose Eisennägel unterschiedlichster Form zutage gebracht. Erweitert wird diese Materialgrundlage durch die ständig steigende Zahl byzantinischer Waffen und Pferdetrensen aus den Kriegergräbern jener Völker, die ihre Verstorbenen mit Beigaben zu bestatten pflegten, also von Germanen (Alamannen, Franken, Langobarden, Sachsen), Hunnen, Awaren, Ungarn, Bulgaren, Slawen, Wikingern und Balten. Der Wert dieser byzantinischen »Importe« 12 , aber auch ihrer einheimischen Imitationsformen ist umso größer als sie aufgrund der anderen Grabbeigaben meistens gut datierbar sind. Wie in einem Spiegel kann man an Ihnen also die sonst kaum fassbare, formale Entwicklung dieser Sachgüter im Byzantinischen Reich ablesen, dessen hohe, verfeinerte Kultur im frühen Mittelalter das nachahmenswerte Vorbild aller Nachbarvölker gewesen war. Im Rahmen dieser Untersuchung 13 werden nicht nur einige Passionsreliquien zum ersten Mal einer breiten Öf fent lich keit vorgestellt, sondern damit zugleich singuläre Antiquitäten aus dem Byzantinischen Reich der For schung zugänglich gemacht. Ziel der Studie ist es aber vor allem, Alter und Herkunft der verschiedenen Pas sions re li quien zu bestimmen, um Antworten auf die noch offenen Fragen ihrer Geschichte geben zu können.

Zyperns Mendikanten zwischen den Konfessionen, in: Abrahams Erbe – Konkurrenz, Konflikt und Koexistenz der Religionen im europäischen Mittelalter, hrsg. von Klaus Oschema, Ludger Lieb und Johannes Heil (Das Mittelalter 2), Berlin/München/Boston 2014, S. 305-319.

in: Abrahams Erbe – Konkurrenz, Konflikt und Koexistenz der Religionen im europäischen Mittelalter, hrsg. von Klaus Oschema, Ludger Lieb und Johannes Heil (Das Mittelalter 2), Berlin/München/Boston 2014, S. 305-319.

Im spätmittelalterlichen Zypern, wo eine multikonfessionelle und transkulturelle Bevölkerung unter der Herrschaft der ursprünglich französischen Lusignan lebte, spielten die Mitglieder der vier großen Mendikantenorden, der Dominikaner, Franziskaner, Karmeliter und Augustiner-Eremiten, eine bedeutende Rolle als Seelsorger der lateinischen Christen sowie als Beichtväter, Berater und Diplomaten im Dienste der Könige. Zugleich erwarteten die Päpste wie auch die Ordensoberen und Ordensgelehrten, dass die Brüder die Missionierung der ‚griechischen Schismatiker' durchführten. Dieser Aufgabe widmeten sich jedoch offensichtlich ausschließlich auswärtige Prediger, die zeitweilig als päpstliche Legaten, Missionare oder Prälaten nach Zypern kamen. Des Öfteren kam es aufgrund ihres provokanten Vorgehens gegen die nicht-lateinischen Christen der Insel zu Eklats oder gar Aufständen. Demgegenüber scheinen sich die lokalen, aus der Region stammenden oder langfristig in Zypern lebenden Mendikanten nicht an Bekehrungsversuchen beteiligt zu haben. Vielmehr sprechen einige Indizien für gute Kontakte zur griechischen Bevölkerung. Zurückzuführen ist diese Konstellation auf die pragmatische Toleranz der Lusignankönige gegenüber ihren orthodoxen und ostkirchlichen Untertanen, die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zu einer im lateinischen Osten singulären rechtlich abgesicherten, friedlichen Koexistenz der verschiedenen Glaubensgruppen geführt hatte und der sich die vom König großzügig geförderten Mendikanten anschlossen, während die auswärtigen Prediger ihre Missionsabsichten oft auf königliche Intervention hin aufgeben mussten.