Perestroika und Historie Zur Erosion des sowjetischen Geschichtsbildes (original) (raw)

Die Perestrojka in der Sowjetischen Philosophie: Mythos oder Realität

Studies in East European Thought, 1990

Schon mehr als fiinf Jahre gibt es in internationalen Lexika das Wort "Perestrojka", das in jeder beliebigen Sprache in der russischen Transkription verwendet wird, weil es mit dem sowjetischen sozialen Experiment verbunden ist und die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich lenkt. Der Inhalt dieses Experimentes ist Realisierung von wichtigen Verfinderungen in der gesellschaftlichen Entwicklung, mit dem Ziel, einen qualitativ neuen Zustand der sowjetischen Gesellschaft zu erreichen. Es geht dabei um die Verwirklichung revolutionhrer Umgestaltungen in allen Lebensbereiehen der Gesellschafl, in allen sozialen und geistigen Strukturen. Das Wesen der Perestrojka, also das, was die welthistorische Bedeutung des sowjetischen sozialen Experiments bestimmt, ist der Versuch, die Revolution auf friedlichem Wege zu verwirklichen.

70. Jahrestag Oktoberrevolution - 1987: Perestrojka als Identitätskrise der Sowjetgesellschaft.

The 70. anniversary of the October Revolution 1987 was used up during the Perestroika by Gorbachev as an example of Lenin's policy of the NEP (New Economic Policy), showing that reforms against wide parts of the party are necessary to make Socialism fit for the future. But the majority of the population lost already their confidence in the Socialism as well as in the Perestroika.

Nationale Geschichtspolitik während der Zeit der Perestroika in der Ukraine

GegenErinnerung

Die Rückbesinnung auf nationalkulturelle Traditionen und Symbole wurde in der Ukraine seit der Perestroika (ukrainisch: perebudova) zu einem ausgesprochen politischen Phänomen. Indem Intellektuelle, Künstler und Schriftsteller der sich formierenden Nationalbewegung "Ruch" seit 1986 die Bedeutung der ukrainischen Sprache und die Konstruktion einer ukrainischen Nationalgeschichte thematisierten, versuchten sie, die Nation mittels einer in ferne Zeiten zurückreichenden nationalen Vergangenheit als kulturelle Erinnerungs-und Integrationsgemeinschaft zu denken. Im Rahmen einer "gesellschaftliche[n] Identitätspolitik" (Kaschuba) 1 verwendeten die Intellektuellen einerseits die Thematisierung der Bedrohung der ethnisch-kulturellen Grundlagen der Gesellschaft als Rechtfertigung, um als Garanten des Erhalts dieser Grundlagen auftreten zu können, was mit ethnonationalen Ausgrenzungsdiskursen einhergehen konnte. Andererseits wurden im Rahmen dieser und den konstruierten nationalen Geschichtsbildern innovatorische Konnotationen abgeleitet, die auf Demokratisierung und Öffnung der autoritären sowjetischen Gesellschaft ausgerichtet waren. Auch wenn in den nationalen Vergangenheitsdiskursen der Begriff der Wahrheit und der Rückgriff auf vermeintlich historische wissenschaftliche Argumente zeitweise eine wichtige Rolle spielte, handelte es sich doch eher um Geschichtspolitik als um Geschichte 2. Dieser Beitrag ist Teil eines Dissertationsvorhabens zur Geschichtskultur, nationalstaatlichen Symbolik und Nationsbildung in der Ukraine im 20. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung der unabhängigen Ukraine. ' Wolfgang Kaschuba, Geschichtspolitik und Identitätspolitik. Nationale und ethnische Diskurse im Kulturvergleich, in: Inszenierung des Nationalen. Geschichte, Kultur und die Politik der Identitäten am Ende des 20. Jahrhunderts, hrsg.

Missbrauchte Geschichte. Die sowjetischen Speziallager als Thema des Geschichtsrevisionismus

Zwischen Entnazifizierung und Besatzungspolitik. die sowjetischen Speziallager 1945-1950 im Kontext. , 2021

Gute Revision, schlechter Revisionismus Die Revision bisheriger Forschungen und bestehender Geschichtsbilder gehört zum täglichen Brot eines Historikers. Eine Revision führt meistens zu neuen Erkenntnissen, die das Verständnis des untersuchten Gegenstands erweitern. Das Wort »Revision« leitet sich vom lateinischen Verb revidere »wiedersehen, erneut betrachten« ab. Historiker »revidieren« die ältere Forschung, wenn neue Quellenbestände auftauchen oder wenn sich neue Fragen an die Vergangenheit oder neue Forschungsansätze ergeben. Denn historische Forschung und die Fragen, die ihr zugrunde liegen, sind immer zeitgebunden. Ändern sich die Zeitumstände, ändern sich auch die Fragen. Ein Historiker im Kalten Krieg hat die Geschichte anders betrachtet als ein Historiker im Zeitalter der Globalisierung. Vor diesem Hintergrund ist eine völlig objektive Geschichtsschreibung gar nicht möglich. Wohl aber bemÜht sich ein seriöser Historiker um eine ergebnisoffene Forschung und betrachtet selbstkritisch die eigenen Hypothesen und Vorurteile. Streng von der Revision ist der Revisionismus zu unterscheiden. Seine Vertreter arbeiten nicht ergebnisoffen, sondern versuchen, bereits feststehende Auffassungen anhand der Quellen zu belegen. Quellen, die dieser eingeengten Sicht widersprechen, werden entweder nicht berücksichtigt, falsch gewichtet oder außerhalb ihres Kontextes interpretiert. Revisionisten verfolgen vielfach (geschichts-)politische Ziele und sind häufig, aber nicht immer, von einem anderen »-ismus« angetrieben, beispielsweise von Nationalismus, Rassismus, religiösem Fundamentalismus oder von in sich geschlossenen Ideologien wie dem Marxismus in seinen verschiedenen Varianten. Die marxistische Geschichtsschreibung verstand sich selbst als eine Revision der »bürgerlichen Historiographie«. Die dogmatische, Staatsund parteigelenkte Geschichtsschreibung der sozialistischen Länder bis 1990 verurteilte ihrerseits Vertreter abweichender Auffassungen als Revisionisten.t »Revisionismus« ist deshalb ein relativer Begriff und hängt wesentlich vom jeweiligen Standpunkt ab. Deshalb

Die Perestroika, die Intelligenzija und die Geburt des weißrussischen Populismus, 1988–1997

Vandenhoeck & Ruprecht, 2024

Dieses Buch befasst sich mit der Geschichte des politischen Denkens in Weißrussland zur Zeit des Übergangs des Landes zu einem autoritären Regime. Die Perestroika ermutigte verschiedene Akteure über Wandel nachzudenken. Der Konsens, den Sozialismus zu reformieren, stammte dabei noch aus dem sowjetischen Diskurs. Die Reformer nutzten bekannte Kategorien, füllten sie aber mit „liberalen“ Bedeutungen. Auf diese Weise formte sich eine Sprache, die Vorstellungen über Selbst, Handlungsmacht und Geschichte mit neoklassischer Wirtschaftslehre verband. Sie hob insbesondere die Rolle von Individualismus, Märkten und objektiven Wirtschaftsgesetzen hervor. Diese Sprache der Perestroika drang dann in neue Bereiche ein, löste sich aber in einer konservativen Gegenreaktion auf, die Lukaschenko verkörperte.

Geschichtspolitik in Russland

Russland-Analysen

NR. 196 russlandanalysen 12.02.2010 Geschichtspolitik und Geschichtsbild Forschungsstelle osteuropa an der universität bremen deutsche Gesellschaft für osteuropakunde e.V. DGO Die Russland-Analysen werden vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft unterstützt.

Perestroika und die Ursprünge von Lukašėnkas Konservatismus, in: Ulrich Mählert u.a. (Hg.): Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2022. Berlin: Metropol Verlag, S. 189–204.

Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung, 2022

This essay examines the ideological underpinnings of Alyaksandr Lukashenka’s power system in Belarus. Although many scholars have deemed the conservative ideology advocated by Lukashenka and his political allies as a flexible tool to maintain political power, the discussion here highlights the rich and complex nature of Belarusian conservatism. The basic arguments that fueled Lukashenka’s rise to power were shaped in dynamic debates of the late perestroika era. The key question of these debates concerned the possibility of a meaningful change in society. Liberal ideology conceived the societal change at a structural level, resulting in a new economic and political order. The conservative backlash to perestroika’s optimism employed the traditional concept of morality developed by the Soviet intelligentsia. Deep anti-capitalist sentiment rejected the post-Soviet reforms and laid the ideological groundwork for a conservative takeover of the republic.

Versprechen der Vergangenheit. Die Zeit der Sowjetunion in der russischen Geschichtspolitik und der kollektiven Erinnerung nach 1991

Monica Rüthers (Hrsg.): Gute Erinnerungen an schlechte Zeiten? Schriften des Historischen Kollegs, Band 106, 2021

The acceleration of time and skepticism regarding the future are phenomena universal within our society. The past is often the recipient of greater attention than the future in various spheres of public life, whether this involves politics, culture, or other public activities. The political actors who give the past its meaning and construct its narrative, are therefore of particular importance. This is indeed the case in Russia, where the politics of history have become extremely important over the last ten years. There has been considerable investment in the development of “sites of memory”, areas of cultural heritage, and public re-enactments. Most of all, the memory of the Second World War, which has remained unchanged in a unique form of continuity following the Soviet era, remains the crucial point for the politics of collective identity in Russia. While the politics of history aims at preserving the traditional, heroic meaning of war, the politics of ambivalence regarding the Stalinist repressions serves as a counterexample. There still remains a lack of clear convictions here regarding the Stalinist regime, and state-sponsored memorials for Stalin’s victims and Gulag museums exist alongside non-official, private initiatives to erect memorials to Stalin throughout the country. In the context of the latter, “nostalgia” for Stalin has had the specific function as a vehicle of different “positions of protest” against the current regime (and to criticize the corruption of the elites in particular) and against the lack of stability once enjoyed in the “good old days”. Russian society has seen the noticeable popularization and medialization of the Soviet period before perestroika in the topos of the “Long Golden 1970s” and its places of remembrance. Museums and social media thematize the late Soviet era in a nostalgic manner, and the “last Soviet generation”, those born between 1974 and 1982, like to indulge in memories of their childhood and youth. The chapter argues if and why there is a need for the promises of the (lost) past in Russian society. With the exception of the practical nostalgia for the “stable” Soviet era, social practices serve to bring the past into the present to a considerable degree, such as the “Immortal Regiment” event held for the heroes of the Second World War.

Die Frühe Neuzeit in der russischen Geschichtsschreibung - gestern und heute

Opera historica, 2019

Die Gründe für die wissenschaftliche Erforschung der europäischen Frühen Neuzeit, Reformation und Gegenreformation wurzeln in Russland noch im 18. Jahrhundert in der Zeit von Peter dem Großen. Im Jahre 1724 wurden in Petersburg drei wichtige akademische Einrichtungen gegründet: die Russische Akademie der Wissenschaften, die Universität und das akademische Gymnasium. Die akademischen Sitzungen fanden in der heutigen Kunstkammer in St. Petersburg statt. Dort war auch die akademische Bibliothek untergebracht, die erste öffentliche Bibliothek in Russland, deren Kern die Privatsammlung von Peter dem Großen bildete. Dadurch wurden die Grundlagen des wissenschaftlichen Lebens wie auch der historischen Forschungen in Russland institutio nell geformt. 1 Zwei äußerst wesentliche Faktoren haben die Entwicklung der russischen Geschichtswissenschaft im 18. Jahrhundert im Großen und Ganzen bestimmt. Es geht um den Einfluss der deutschen Tradition akademischer Universitätswissenschaft einerseits und um protestantische Ansichten, die von Deutschen hereingebracht wurden, andererseits. Peter der Große hat die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg unter dem Einfluss des berühmten deutschen Philosophen und Historikers Gottfried Wilhelm Leibnitz gegründet, einem Mitbegründer der Preußischen Akademie in Berlin. Nach seinem Tode und gemäß seinem Rat und seinen Entwürfen hat der erste russische Kaiser seine Idee in St. Petersburg verwirklicht. Die ersten Gelehrten und Pädagogen, die an der Petersburger Universität lehrten, waren Kollegen von Leibnitz aus Brandenburg, Kursachsen und Thüringen. Die meisten deutschen Wissenschaftler, die nach St. Petersburg kamen, gehörten zu den Freunden und Schülern des berühmten Philosophen und Historikers. 2 Es ist wichtig, hier Gerhard Friedrich Miller zu erwähnen, den 1