Rezension zu HANNA HEINRICH: Ästhetik der Autonomie: Philosophie der Performance Kunst, Bielefeld 2020, für: MEDIENwissenschaft 03-04 (2021), S. 298f. (original) (raw)

"'Autonomania' und 'Ideology of Autonomy': Die Autonomie-Diskussion in der analytischen Musikästhetik und der New Musicology," in Von der Autonomie des Klangs zur Heteronomie der Musik, ed. Nikolaus Urbanek and Melanie Wald-Fuhrmann (Stuttgart: Metzler, 2018), 179-210.

Musikwissenschaftliche Antworten auf Musikphilosophie

This chapter explores the use, purpose, and definition of the concept of aesthetic autonomy in analytical philosophy of music and New Musicology. I start by sketching the genesis, methodology, and development of analytical philosophy of art, the history of which has not been investigated systematically. Here, I show how early analytical philosophy of art warmed to aesthetics in general only very slowly, as it was commonly regarded as unscientific, speculative, and thus not subject to analysis up to the 1950s and 1960s. I then proceed to analyse the relations between aesthetic autonomy and music as well as three more specific notions of autonomy: the autonomy of the work from its historical setting, the autonomy of aesthetic experience, and the autonomy of musical expression. The first-named aspect is discussed by sketching the debate arising from Monroe Beardsley's and William Wimsatt's "The Intentional Fallacy," which continues to influence modern discourse on the role of authorial intention in aesthetics. This leads to the second question, the question of aesthetic autonomy, examined by reconstructing the exchange between Monroe Beardsley and John Dickie, who discussed this concept publicly over several decades. I then turn to the broad set of problems associated with autonomy, formalism, and expression in analytical philosophy of music since the early 1980s and competing concepts of emotivism: arousal, expression, portrayal, the "contour theory" by Stephen Davies and Peter Kivy, as well as modern notions of a musical persona. Finally, I discuss musical autonomy in terms of the paradigm shift ushered in by New Musicology and its critique of formal analysis and positivism. In a final step, I try to show that traditional and New Musicology are compatible when considered as perspectivist approaches to music, applying to distinct sets of questions and thus presenting complementary rather than irreconcilable methodologies.

1996 „Die ‘Tochter der Freiheit’ und die Tendenz. Zur Autonomie der Kunst in Schillers Über die ästhetische Erziehung des Menschen, und Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung.” In: Hans-Jörg Knobloch, Helmut Koopmann (ed.), Schiller heute. Tübingen: Stauffenburg: 59-74

Nicht weniger widersprechend ist der Begriff einer schönen lehrenden (didaktischen) oder bessernden (moralischen) Kunst, denn nichts streitet mehr mit dem Begriff der Schönheit, als dem Gemüth eine bestimmte Tendenz zu geben. (22. Brief, S. 9O) In ihrem Vorwort zu der Sammlung Autonomie der Kunst. Zur Genese und Kritik einer bürgerlichen Kategorie machen die Autoren darauf aufmerksam, "daß Kunst in unserer Gesellschaft immer noch vorwiegend 'autonom' gesehen wird" und "daß der Warencharakter der Kunst ihr autonomes Wesen nicht auflöst, sondern gerade zur Voraussetzung hat." 1 Diese scheinbar paradoxe Formel wird einsichtig, wenn man bedenkt, daß und wie der bürgerliche Schriftsteller sich auf dem Markt zu behaupten hat: sein Name als Warenzeichen einer unabhängigen Intelligenz, der es zufällt, das uns allen gemeinsame "Menschliche" zu formulieren, darf auf keinen Fall mit einer "Partei" verbunden werden, weil eben dadurch seine Stellung als unabhängige Autorität gefährdet ist:. Diese Unparteilichkeit verlangt Kant nicht nur von der Kunst selbst, sondern auch für das von einem Kunstwerk hervorgerufene Geschmacksurteil: "Alles Interesse verdirbt das Geschmacksurteil und nimmt ihm seine Unparteilichkeit" und: "Ein jeder muß eingestehen, daß dasjenige Urteil über Schönheit, worin sich das mindeste Interesse mengt, sehr parteilich und kein reines Geschmacksurteil sei" 2 .Wenn allerdings wie in Kants Philosophie angenommen wird, daß Freiheit nur eine Denknotwendigkeit im Transzendentalen ist, die im Empirischen nie nachweisbar ist, dürfte es schwerfallen, den Verdacht zu entkräften, den Kant selbst in der Kritik der praktischen Vernunft formuliert: daß es nämlich immer zweifelhaft bleiben müsse, ob etwas aus "Pflicht geschehe und also einen moralischen Wert habe" -ebenso muß es immer zweifelhaft bleiben, ob Kunst autonom sei oder letztlich eben doch von Interessen geleitet werde. 3 Autonomie hat aber, selbst wenn sie keine empirisch nachweisbare Wirklichkeit haben sollte, eine historische Existenz: sie ist die Selbstdarstellung des "unabhängigen" Schriftstellers. Kant trennt die Kunst und das Ästhetische rigoros vom Ethischen (und damit vom Peter Horn Schiller 1 3 vgl. Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft. Grundlegung Politisch-Praktischen), indem er behauptet, "daß das Schöne, dessen Beurteilung eine bloß formale Zweckmäßigkeit, d.i. eine Zweckmäßigkeit ohneZweck, zum Grunde hat, von der Vorstellung des Guten ganz unabhängig sei, weil das letztere eine objektive Zweckmäßigkeit, d.i die Beziehung des Gegenstandes auf einen bestimmten Zweck, voraussetzt" 4 .Auch Schillers Formel: "In einem wahrhaft schönen Kunstwerk soll der Inhalt nichts, die Form aber alles thun" (22. Brief, S.89) übersieht, daß die Wirkungen auch einer solchen Kunst um der Kunst willen nie ganz von den Inhalten, die sie transportiert, unabhängig sind. 5

(2017): Ästhetische Autonomie, Wahrheit, Dissens. Zu Ines Kleesattels „Politische Kunst-Kritik. Zwischen Rancière und Adorno“. Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 62 (2), S. 329-342.

Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 62/2, 2017

Mit Ines Kleesattels "Politische Kunst-Kritik. Zwischen Rancière und Adorno" ist bei Turia + Kant Ende letzten Jahres ein Buch erschienen, das mit fundierten kunstphilosophischen Auseinandersetzungen in hochaktuelle Debatten innerhalb des Kunstdiskurses intervenieren will. Ausgangspunkt ihrer Beschäftigung mit den ästhetischen Theorien von Jacques Rancière und Theodor W. Adorno sind der aktuelle Hype von sich dezidiert mit gesellschaftspolitischen Themen auseinandersetzender Kunst im Kunstbetrieb und die damit zusammenhängenden neu aufgeflammten kunsttheoretischen Debatten über das Verhältnis von Kunst und Politik. In Letzteren stehen sich die Plädoyers für entweder ein eindeutiges politisches Engagement oder aber eine subversive Mehrdeutigkeit ästhetischer Werke und der ästhetischen Erfahrung oftmals unvermittelt gegenüber. Es geht also in den aktuellen Debatten-wieder einmal-um die Frage der Autonomie der Kunst und ihr politisches Potenzial. Gegen die konstatierten Dichotomisierungen will Kleesattel in ihrer Dissertation der Frage nachgehen, "wie sich ästhetische Offenheit und künstlerische Autonomie in ein produktives Verhältnis mit kritischer Positionierung und emanzipatorischer Politik setzen lassen" (S. 11). Sich dafür mit Rancière und Adorno auseinanderzusetzen, macht Sinn, setzen sich doch beide auf ihre Weise radikal für Kunstautonomie ein, die aber für beide immer schon in einem bestimmten Verhältnis zur gesellschaftlichen Realität steht. Der Hauptteil des vorliegenden Buches, der ersten Gegenüberstellung von Rancière und Adorno überhaupt, ist sehr genauen "verteidigende Rekonstruktion[en]" (S. 13) der ästhetischen Theorien der beiden Autoren gewidmet. Kleesattel legt äußerst differenzierte, systematische Einführungen in das Denken der beiden Autoren vor; die Ausführungen sind allen ans Herz zu legen, die deren ästhetisch-theoretisches Denken kennenlernen wollen. Die Rekonstruktionen sind aber viel mehr als bloße Einführungen: Verteidigend sind sie insofern als sich Kleesattel immer wieder mit Kritiker_innen, aber durchaus auch Adept_innen der beiden Autoren beschäftigt, deren Lesweisen kritisch befragt und gegen sie bestimmte, für die Argumentation von Kleesattel zentrale Theorieaspekte stark macht. Das zeigt sich eindrücklich in der Darstellung von Adornos ästhetischer Theorie, in der Kleesattel sich ebenso für den in der Kunsttheorie äußerst umstrittenen Objektivitäts-und Wahrheitsbegriff Adornos engagiert, den sie allerdings im Lichte neuerer Theorien differenziert, wie für den verschrienen Begriff des Materialfortschritts. Adornos werkästhetischem Ansatz geht es darum, dass gesellschaftlich Verworfenes, Nicht-Identisches, im einzelnen Kunstwerk darüber zur Sprache gebracht wird, dass die im verwendeten Material sedimentierte gesellschaftliche Objektivität in ihrer Widersprüchlichkeit entfaltet wird. Im Prozess einer offenen, mimetischen Annäherung an das Material und in der Anstrengung, dem in ihm Angelegten einen stimmigen ästhetischen Ausdruck zu geben, wird Nicht-Identischem zu einer Sprache verholfen und dieses kritisch gegen das Bestehende in Stellung gebracht. Der Begriff des Materialfortschritts zielt nun, so zeigt die Autorin, nicht, wie Adorno immer wieder vorgeworfen wird, auf ein unilineares Fortschreiten der Kunstgeschichte in eine bestimmte Richtung, sondern darauf, dass das konkrete Werk die bisherigen Materialauslegungen vertiefen und differenzieren, und damit etwas Neues hervorbringen soll, anstatt sich in floskelhaften Wiederholungen zu erschöpfen. Es bleibt aber nicht bei bloßen Verteidigungen von Rancières und Adornos Ansätzen. Gemäß der das Buch leitenden Fragestellung wird immer wieder von Neuem-in der Konfrontation der 1 Erschienen in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 62/2 (2017), S. 329-342.

"Musikalische Autonomie und das Gesamtkunstwerk: Eduard Hanslick und Richard Wagner im Dialog mit der idealistischen Musikästhetik," Open Library of Humanities 9, no. 1.

Open Library of Humanities, 2023

Der Kunstwert von ‚reiner‘ Musik—Musik ohne Programm, Überschrift und Text—geriet mit dem Niedergang des mimetischen Kunstprinzips im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert zum Problem (nicht nur) der idealistischen Musikästhetik. Kants Kritik der Urteilskraft (1790), die auf kommende Ästhetiker_innen besonders nachhaltig wirkte, zog sogar den Status der Musik als Kunst generell in Frage und formulierte ein Dilemma, das mit innovativen Ansätzen überwunden werden musste. Im Hinblick auf dieses Dilemma setzt mein Artikel die Ästhetik der ‚absoluten Tonkunst‘ von Eduard Hanslick und die Idee des ‚reinmenschlichen‘ Gesamtkunstwerks von Richard Wagner in direkten Dialog mit der idealistischen Musikästhetik. Wagners und Hanslicks Konzepte von ca. 1850 werden hierbei als Lösungsstrategien der idealistischen Problematik interpretiert und folglich gezeigt, dass Gesamtkunstwerk und musikalische Autonomie als ästhetische Positionen die gleiche Wurzel haben und als Seiten der gleichen Medaille gelesen werden können. Die beiden Autoren vereint trotz bekannter disparater Ansichten die von idealistischen Philosophen gestellte Diagnose, dass ‚reine‘ Musik semantisch mangelhaft sei und Gefühle, Begriffe und Gegenstände nicht zweifelsfrei ausdrücken könne. Ohne Eduard Hanslick und Richard Wagner als Idealisten aufzufassen oder ihre jeweilige Ästhetik gar auf den Deutschen Idealismus zu reduzieren, soll durch diese Arbeit gezeigt werden, dass sich die Antipoden unter diesem Gesichtspunkt näher waren, als meistens vermutet wird.

Konzepte der Gesundheit im Werk Thomas Manns: Dekadenter Gesundheitsverdacht, Krankheitswahl und die Autonomie des Körpers. In: Letizia Dieckmann / Julian Menninger / Michael Navratil (Hg.): Gesundheit erzählen. Ästhetik – Performanz – Ideologie. Berlin / Boston 2021, S. 33–52.

Gesundheit erzählen. Ästhetik – Performanz – Ideologie. Berlin / Boston 2021, 2021, 2021

Gesund sind immer die Anderen "Nein, du hast keinen Begriff, Thomas, was für ein prachtvolles Geschöpf das ist! Sie ist so gesund ... so gesund ... !" wiederholte Christian, indem er eine Hand, ihren Rücken nach außen, mit gekrümmten Fingern vors Gesicht hielt, ähnlich wie er es zu thun pflegte, wenn er von "That's Maria" und dem Laster in London erzählte. 1 (1.1, 446-447)