Der gesellschatstheoretische Teil meiner wissenschaftlichen Laufbahn (Autobiografisches Interview) (original) (raw)

„Was mich eigentlich interessiert, ist das Gesellschaftliche“

2020

Marietta Auer: Das war eine lebensprägende Erfahrung. Ich war sehr jung, habe mit 17 angefangen zu studieren, und an der Schule hatte ich mich furchtbar gelangweilt. An diese Uni zu kommen, das ganze Wissen, die Bibliothek – das war extrem bewusstseinserweiternd. Dabei war vieles in der Rückschau überhaupt nicht gut. Vieles an den Vorlesungen war unglaublich lieblos gemacht, sehr konservativ bis nachgerade reaktionär, die Kommilitonen waren vielfach arrogant, unfreundlich und verwöhnt. Aber die Grunderfahrung war dennoch: ein enormer Freiheitsgewinn und Erwachsenheitsspaß. Super!

Sokratische Gespräche und fachliche Erkenntnisziele

Wagenscheins Pädagogik neu reflektiert, 2022

Ausgangspunkt dieses Beitrages ist die Beobachtung, dass offenen, sokratischen Unterrichtsgesprächen in unterschiedlichen fachlichen Bezügen eine große Bedeutung zugeschrieben wird. Er richtet den Fokus auf die Frage, wie eng der Bezug zwischen dem Erkenntnisgegenstand und der Unterrichtsmethode sokratischer Gespräche in unterschiedlichen Fächern ist. Das tut der Beitrag, indem er die Rolle von sokratischen Unterrichtsgesprächen in den Naturwissenschaften am Beispiel Wagenscheins, und konkret in der Physik, der Rolle von sokratischen Unterrichtsgesprächen in der Philosophie am Beispiel des Philosophierens mit Kindern gegenüberstellt. Dabei wird die These vertreten, dass sich die erkenntnistheoretische Rolle von sokratischen Gesprächen in der Philosophie von derjenigen in den Naturwissenschaften unterscheidet.

Als ich einen Archäologen suchte" – ein persönlicher Erfahrungsbericht

2018

Die Suche nach einer Archäologin oder einem Archäologen im Hegau-Museum der Stadt Singen offenbarte allen Beteiligten die schwierigen Verhältnisse für Bewerber auf dem archäologischen Arbeitsmarkt. Auch für die Arbeitgeber ist es nicht einfach. Die kommunalen Museen bieten in Deutschland die meisten festen Stellen für Historiker-Berufe an, für deren Bedürfnisse wird an den Universitäten jedoch kaum ausgebildet. Angesichts der seit letztem Jahr anzuwendenden Kriterien für die Stellenbewertung im Öffentlichen Dienst legt Museumsleiter Ralph Stephan hier in diesem bewusst subjektiv gefärbten Artikel die vermutliche Personalentwicklung im Bereich kommunaler Museen dar. Die steigende Akzeptanz des Bachelors Museologie bei kommunalen Museumsträgern ist bereits heute erkennbar – und das zu Ungunsten des archäologischen Fachstudiums. Die Ausschreibung einer unbefristeten Arbeitsstelle in Singen stellte sich als Ausnahme in der Branche dar. Die zahlreichen bei der Stadt eingegangenen Bewerbu...

Martin Kohli »Von uns selber schweigen wir.« Wissenschaftsgeschichte aus Lebensgeschichten

Das Interesse an Lebensgeschichten von Wissenschaftlern, das diesen Beitrag motiviert, stammt aus einer allgemeineren soziolo-gischen Perspektive. Lebensgeschichten haben in der Soziologie Hochkonjunktur. Sie sind — im Rahmen einer »Soziologie des Lebenslaufs« — zu einem neuen thematischen Brennpunkt gewor-den. Sie ziehen aber auch — unter dem Begriff »biographische Methode« — als ein besonderer Typ empirischen Materials das Interesse vieler auf sich, die sich davon eine empirische Grundlage für handlungstheoretische und historische Ansätze in der Sozial-forschung erwarten.' Auch in der Selbstthematisierung der Soziologie haben Lebens-geschichten an Bedeutung gewonnen. Zum einen richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Lebenslauf als eine wichtige strukturelle Dimension des Wissenschaftssystems (Zuckerman u. Merton 1972). Zum andern stellt sich die Frage, was aus Lebensgeschichten von Sozialwissenschaftlern für eine Geschichte der Soziologie zu gewinnen ist. Mit dieser Frage beschäftige ich mich hier. Die Frage ist keineswegs nur pragmatisch als Frage nach dem Informationsgehalt eines Quellentyps (im Vergleich zu andern) zu fassen. Sie steht in einem weiteren Horizont. Die Lebensgeschich-te ist die weitestgespannte Dimension der persönlichen Identität und damit das anspruchsvollste Feld der Selbstthematisierung der Person. Es ist für die Selbstdeutung der modernen Wissenschaften zentral, daß es in ihnen um die »Sache« gehe und nicht um die »Person«. Daraus erwächst für diese — strenggenommen — eine Schweigepflicht; zumindest ist das Reden von sich selber proble-matisch. Dieses Problem gehört an den Anfang (Abschnitt 2). Erst danach gehe ich auf den Nutzen von Lebensgeschichten ein, und zwar in drei Schritten. Als erstes frage ich nach dem Interesse des alltäglichen Lesers (Abschnitt 3). Dann wird das wissenschaftsge-schichtliche Interesse im engeren Sinn diskutiert (Abschnitt 4). Ich versuche dabei zu zeigen, daß Lebensgeschichten eine Quelle unter anderen für die Rekonstruktion vergangener Ereignisse sind, aber eine einzigartige Quelle, wenn vergangene Prozesse »von innen«, d. h. unter dem Gesichtspunkt des Handelns der beteilig-ten Subjekte vergegenwärtigt werden sollen. Der dritte Schritt besteht im Nachweis, daß Lebensgeschichten nicht nur als Infor-mationen über Vergangenheit, sondern auch als Ausdruck aktuel-ler Deutungsmuster und Handlungsorientierungen gelesen wer-den können (Abschnitt S). Beide Lesarten setzen eine Analyse der Textstruktur von Lebensgeschichten und der biographischen Muster, über die sie realisiert werden, voraus (Abschnitt 6); nur auf der Grundlage einer solchen Analyse können Lebensgeschich-ten »verstanden« und quellenkritisch beurteilt werden. Zum Schluß komme ich auf die Bedeutung des handelnden und erzählenden Ichs in der Lebensgeschichte zurück (Abschnitt 7). Zunächst aber noch einige Hinweise auf das vorliegende Material .

„Massenmedien“ — Sozialwissenschaftliches Denken am Beispiel einer ersten Sozialkundestunde

Sozialkundestunden, 1993

Das folgende Transkript entstammt der ersten Unterrichtsstunde im Fach "Sozialkunde" am Gymnasium. Es besteht AnlaB zu der Vermutung, daB in der Klassenstufe 5/6 im Doppelfach Geschichte/Sozialkunde (2st0ndig) die Sozialkunde vernachlăssigt wurde. Die 32 SchOier der Klasse 7b der Werner-von-Siemens-Schule in Berlin-Zehlendorf 1 (20 Mădchen und 12 Jungen) besuchen nun seit 4 Monaten gemeinsam das Gymnasium. Sie stammen aus 5 verschiedenen Schulen der 6jăhrigen Berliner Grundschule. Der Fachlehrer JOrgen Hembd ist gleichzeitig Klassenlehrer und unterrichtet die 7b neben Geschichte/ Sozialkunde noch in Englisch. GemăB Berliner Rahmenplan wird aus dem Themenfeld "Massenmedien" der Teilbereich "Tageszeitungen"; konkret: .,Das Erscheinungsbild und die Aufgaben unserer Tageszeitungen" behandelt. Die Unterrichtsstunde wird als Parallelmontage von Transkript und fachdidaktischer Kommentierung dargestellt mit dem Ziei, didaktisch-methodische Besonderheiten und Probleme herauszuarbeiten und auf implizite Grundstrukturen zu befragen.

Zeitgeschichte zwischen Politik, Biografie und Methodik: autobiografische Anmerkungen

2016

»Contemporary History between Politics, Biography, and Methodology. Autobiographical Remarks«. Gerhard Botz outlines his scholarly autobiography in its interrelationship with and against main developments in Austrian politics and historiographic trends. However, he does not want to present a coherent narrative about his career from social and scholarly peripheries close to the centres of historical and social scientific research. The unfolding of his scientific profile is compounded of different puzzles like memory-based descriptions, historic analyses of the contemporary political contexts, and his live story interviews. As an historian the author tries to integrate social science and cultural history methods and theories into his main professional grounding which is focussed thematically on Austria's history since the end of the First World War, particularly on the disastrous effects of violence and the Nazi dictatorship. He presents his main findings and the methodical practices along three fields of long term interest and projects: political violence and social conflict during the Inter-War period in Austria, the functioning and social consequences of national socialist rule on the example of Vienna, and the social composition and motivations of the NSDAP membership. In doing so he allows also insights into everyday work, obstacles and gains of historical research applying a mulitude of methods, including also quantification and oral history. These insights were gained in close connection with several leading scholars of QUANTUM and the Centre of Historical Social Research in Cologne. These efforts motivated Gerhard Botz to organize the Salzburg Summer Schools on New Methods in History and the Ludwig Boltzmann Institute for Social Science History (now at the University of Vienna).

Ein bildungssoziologisches Plädoyer für die Mitarbeit, vielleicht auch eine Antwort auf ChatGPT & Co

#schule verantworten, 2023

Aktuell zerbrechen sich schlaue Menschen den Kopf darüber, wie in Schule, Hochschule und Universität mit KI umzugehen sei. Sei es bei Prüfungen oder im Unterricht, KI ist da und wird nicht mehr gehen. Es entsteht der Eindruck, Digitalität sei "oversold" und "underused", doch zahlreiche Schüler*innen und Lehrpersonen sind im Digitalen weit fortgeschritten. In der Schule herrscht eine Produktorientierung vor, und diese Produkte (Schularbeiten, Tests, Hausarbeiten, Präsentationen, …) werden durch die Verwendung von KI zunehmend unbewertbar. Waren es früher Mamis und Papis oder strebsame Schulkolleg*innen, die sich an Hausübungen und Präsentationen machten und diese teilten, so ist es heute auch KI. Wie wäre es, wieder vermehrt auf den Prozess des Erarbeitens des Erlernen zu achten? Die Mitarbeit, die fast in Vergessenheit geraten ist, könnte dabei wieder in Mode kommen und einen wesentlichen zusätzlichen Effekt erzielen, der bildungssoziologisch für eine Demokratie essenziell ist, nämlich die Beteiligung.

Interview: Die zapatistische "Reise für das Leben" - Aufbruch in eine Welt, in der viele Welten Platz haben

Ya Basta Netz Blog, 2021

Zapatistische Armee zur nationalen Befreiung, eine "Erklärung für das Leben". Damit läuteten sie ein Jahr ein, das für die Zapatistische Bewegung und Idee in besonderer Weise im Zeichen des Widerstands steht-gegen die Kolonisierung und "für das Leben". Wir haben in den letzten Wochen mit den Soziologinnen Franziska und Katharina hin- und hergeschrieben und sie gefragt, was es mit der Reise auf sich hat.