Anführer der Gegenrevolution: Saudi-Arabien und der arabische Frühling (original) (raw)
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Arabien zwischen Revolution und Repression
Dem Arabischen Frühling darf die Luft nicht ausgehen. Das Beharrungs-vermögen der Kräfte der alten Regime und die soziale Frage drohen die Revolutionen, Rebellionen und Reformentwicklungen zu bremsen oder gar zu ersticken. Europa muss besonders politischen Einfluss ausüben. I Würde, Freiheit und Gerechtigkeit Was vor nur sechs Monaten mit der Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi, einem Straßenhändler im tunesi-schen Sidi Bouzid begann, hat sich mitt-lerweile zu einer bürgerlichen Protestbe-wegung entwickelt, die in nahezu allen arabischen Ländern politische, soziale und wirtschaftliche Teilhabe und Würde, verantwortungsvolle Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit einklagt und damit die über Jahrzehnte etablierten autoritären Herrschaftsstrukturen herausfordert. Die Dynamik des Arabischen Frühlings hat gleich mehrere als unumstößlich geltende Annahmen über die Region in Frage ge-stellt: So galt Arabien als immun gegen Reformen, da die politischen Führer-ob Monarchen oder Präside...
Revolutionen in Zentralasien? Der »Arabische Frühling« als Herausforderung für die Region
Die Proteste in der arabischen Welt werden in Zentralasien lebhaft rezipiert und wecken dort Ho�nungen und Befürchtungen. Wie in den Revolutionsländern der arabischen Welt ist die Altersgruppe der 15 -24-Jährigen in Zentralasien überproportional stark vertreten, und auch dort kreieren politische Entmündigung und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit hohe Frustrationspotentiale. Gleichzeitig haben der Ausbau neuer Kommunikationstechnologien und damit der Zugri� auf soziale Medien die Ereignisse in Tunesien, Ägypten und Libyen in den eigenen Erfahrungshorizont gerückt. Die staatlichen Autoritäten in Zentralasien begegnen dem neuen Grad der Vernetzung über das Internet und neuen Ho�nungen auf Veränderung mit verstärkten Kontroll-und Zensurmaßnahmen, die sozialen Protest zwar in Schach halten, dessen Ursachen jedoch nicht berühren und den Anschluss Zentralasiens an die digitale Welt auf Dauer nicht verhindern werden.
Die neuen Mittelschichten im Arabischen Frühling – Triebkräfte demokratischer Transformation
Die Hoffnung, dass der sogenannte Arabische Frühling in den arabischen Staaten des Mittleren Ostens und Nordafrikas (MENA-Region) eine flächendeckende Demokratisierung und politische Liberalisierung auslösen könnte, ist aus heutiger Sicht stark enttäuscht worden. Lediglich in Tunesien sind deutliche Zeichen eines demokratischen Wandels zu beobachten. Vor dem Hintergrund dieses Befundes stellt sich allerdings die Frage, ob ein radikaler politischer Wandel in Richtung Demokratie überhaupt das Hauptziel der maßgeblichen Kräfte des Arabischen Frühlings gewesen ist, oder ob hinter deren Engagement nicht gänzlich andere Motive zu vermuten sind. Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die Beantwortung der Frage nach den tatsächlichen Motiven der Hauptakteure des Arabischen Frühlings für die Initiierung und Durchführung der Aufstände. Es wird an dieser Stelle davon ausgegangen, dass die sogenannten neuen Mittelschichten in den arabischen Staaten als die wesentlichen Triebkräfte der Proteste angesehen werden können. Um diese grundlegende Ausgangsannahme zu untersuchen, soll im Folgenden zuerst der Versuch einer Definition der neuen Mittelschichten in den arabischen Staaten der MENA-Region unternommen werden, auf deren Basis die weiteren Arbeitsschritte durchgeführt werden können. An die Definition anschließend, soll die konkrete Rolle untersucht werden, welche die neuen Mittelschichten im Rahmen der Ereignisse des Arabischen Frühling gespielt haben, bevor im dritten Teil der Arbeit die Frage nach den grundlegenden Motiven und Zielen der Mittelschichtsakteure bei ihrem Engagement im Rahmen der Proteste gestellt wird. Im abschließenden Fazit sollen die wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und darauf aufbauend die Ausgangsfrage beantwortet werden, ob ein demokratischer Wandel tatsächlich das Ziel der Hauptakteure des Arabischen Frühlings gewesen ist und welche Motive stattdessen ausschlaggebend für ihre Beteiligung an den Aufständen gewesen sein könnten.
Der Arabische Frühling: Missverständnisse und Perspektiven
GIGA Focus Nahost, 2016
Der Arabische Frühling im Jahr 2011 stellt eine Zeitenwende für die arabische Welt dar. Nachdem anfangs große Erwartungen in Bezug auf eine Demokratisierung der Region dominierten, überwiegen gegenwärtig angesichts zahlreicher Kriege und der Rückkehr autoritärer Herrschaft pessimistische Bewertungen. Mindestens vier Missverständnisse lassen sich in Hinblick auf den Arabischen Frühling identifizieren. Diese Aspekte liefern wichtige Hinweise für eine realistischere Einschätzung der Chancen für künftige demokratische Reformen und die Herausforderungen für eine nachhaltige Stabilisierung der Region.
Proteste, Revolutionen, Transformationen - die Arabische Welt im Umbruch
2014
Zeitpunkt und Dynamiken der Umbrüche in der Arabischen Welt haben die meisten Kommentator_innen und viele Aktivist_innen vor Ort überrascht. Zwar haben sich viele für Veränderungen eingesetzt, Regimewechsel gefordert und radikalen Wandel erhofft-dass jedoch mit der Selbstverbrennung Mohamed Bouazizis vom 17.12. 2010 eine Dynamik beginnen würde, an deren Ende der Sturz von Ben Ali stehen würde, haben die meisten nicht vorhergesehen. Und auch auf dem Tahrir-Platz in Kairo war die Situation im Ringen um den Abgang von Mubarak vom 25. Januar bis zum 11. Februar ergebnisoffen. Nach dem raschen Rückzug der Präsidenten in Tunesien und Ägypten hofften Aktivist_innen in anderen Staaten der Region, bestärkt und inspiriert durch den Fall der Mauer der Angst, auf ebenso zügigen Wandel. Knapp sechs Monate später ist das Bild uneinheitlich: In Ägypten und Tunesien hat ein zähes Ringen um die faktische Umsetzung der von vielen gewünschten tiefgreifenden Veränderung der Regime begonnen. Die Proteste in Syrien (vgl. Beitrag von Dora Streubel) und Bahrein werden mit großer Brutalität von den herrschenden Eliten und ihren Verbündeten bekämpft. In Libyen hat die NATO interveniert und versucht an der Seite der Regimegegner Gaddafi militärisch zu besiegen. Im Jemen ist nach dem erzwungenen Abgang von Ali Saleh der Weg für eine ausgehandelte Transition frei geworden (vgl. Beitrag von Heibach). In Marokko (vgl. Beitrag von Hoffmann) und Algerien (vgl. Beitrag von Belakhdar) kommt es regelmäßig zu Protesten und Demonstrationen, ebenso wie im Irak, in den palästinensischen Gebieten (vgl. Beitrag von Alsoos), punktuell im Libanon und teilweise in Jordanien (vgl. Beitrag von Bouziane/Lenner). Selbst in den konservativen und reichen Ölmonarchien auf der Golfhalbinsel gab und gibt es immer wieder Versuche des öffentlichen Protests, so in Oman, Kuwait und Saudi-Arabien. Die israelische Regierung scheint hingegen fast paralysiert den alten Herrschern nachzuhängen (vgl. Beitrag von Hagemann/Harten). Ähnlich komplex sind die geopolitischen Kontexte, in denen diese demokratischen Aufbrüche stattfinden. Die Chancen für die Realisierung von Freiheit, Würde, sozialer Gerechtigkeit, wie von vielen Menschen in der gesamten Region gefordert, wird auch entscheidend davon abhängen, wie sich neue und alte weltpolitische Akteur_innen dazu positionieren. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen verdiente einen eigenen Text und kann hier, wo der Blick auf die innenpolitischen Dynamiken gerichtet wird, nur gestreift werden. Die derzeitigen Umbrüche fordern analytisch, empirisch und auch politisch heraus, so die Ausgangsannahme dieses Textes und auch der weiteren Beiträge in dieser Sammlung. Es ist dieses Moment der Verunsicherung und Hinterfragung konventioneller Kategorien der Wahrnehmung und Analyse, das es für die Entwicklung neuer politikwissenschaftlicher Perspektiven auf die Region fruchtbar zu machen gilt, so eine weitere Annahme. Ein neuer Blick muss nicht auf alte Erkenntnisse-etwa der Bewegungs-, Revolutions-oder Transformationsforschung-verzichten, aber er wird immer dann notwendig, wenn die alten Kategorien den Blick auf die Ereignisse eher verstellen als erhellen. Und das, so scheint es uns, ist bei der Analyse und öffentlichen Wahrnehmung der Proteste in Nordafrika und Westasien derzeit der Fall (vgl. Beiträge von Bardawil und Dege). Die Politikwissenschaft hat sich lange auf die Regimeeliten sowie die Frage der "Stabilität" konzentriert und dabei stark auf Strukturfaktoren wie natürliche Ressourcen, internationale Abhängigkeiten und/oder Religion als Erklärung zurückgegriffen. Die medialen Repräsentationen der Region sind von einer Engführung auf die potenziell gefährliche Religion und Kultur "Islam" geprägt. 2 Homogenisierung, Kulturalisierung und Versicherheitlichung dominieren das Bild und verstellen den Blick auf Vielfalt und Dynamik der derzeitigen Entwicklungen. Die Gesellschaften in Maghreb und Mashrek durchlaufen seit einigen Jahren große soziale, politische, kulturelle und ökonomische Transformationen, die durch unterschiedliche Entwicklungen ausgelöst wurden. In den jungen Gesellschaften kann die wirtschaftliche Entwicklung mit der demografischen nicht mithalten, neoliberale Reform und die Krise älterer Entwicklungsmodelle führten einerseits zu hohen Wachstumsraten und guten makroökonomischen Daten, andererseits jedoch auch zu wachsender Ungleichheit (vgl. Beitrag von Zorob). Hinzu kommt die Veränderung der politischen Kultur durch vielfältigere Medienlandschaften, die digital und via Satellit lokale Gesellschaften global vernetzen. Mit dem demografischen und medialen Wandel ging zugleich auch eine Veränderung der Geschlechter-und Generationenverhältnisse einher, was sich etwa in der zunehmenden Infragestellung patriarchaler Strukturen im Privaten zeigt (vgl. Beitrag von Salah). Nicht zuletzt hat die Denationalisierung von Politik auch vor den autoritären Staaten der Region nicht haltgemacht. 3 Zum Teil jenseits 14 Protests, revolutions and transformations-the Arab World in a Period of Upheaval (4) Neue Modi der Mobilisierung wie die Besetzung öffentlichen Raums und die netzwerkförmige, auf Deliberation, gerichtete Organisierung von breiten Koalitionen. (5) Neue Ressourcen der Mobilisierung wie Mobilfunk, Blogs, soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook spielen eine ebenso wichtige Rolle wie das arabische Satellitenfernsehen. Interessant ist dabei die offensive Rolle von AlJazeera als Medium und Akteur in den Protesten in Ägypten-etwa im Vergleich zur Berichterstattung über Bahrein. (6) Dies ist vor dem Hintergrund einer langfristigeren Entwicklung zu verstehen. Mit dem Ende der staatlich kontrollierten Medienlandschaft-eingeläutet durch die Etablierung des arabischen Satellitenfernsehens und die Öffnung für das Internet seit Mitte der 1990er Jahre-ein struktureller Wandel der Öffentlichkeit in den Gesellschaften in der Region vollzogen. Medienakteur_innen sind einerseits Ressourcen für Mobilisierung und Information. Sie können Transaktionskosten für Organisation unter Bedingungen starker Repression senken. Journa-list_innen, Blogger_innen und Facebook-Nutzer_innen sind aber auch Akteur_innen. Sie senden nicht nur Botschaften, sie formulieren sie und tragen dadurch zu weiterer Mobilisierung bei. Allerdings betonen alle Aktivist_innen die hohe Bedeutung personaler Netzwerke für den Erfolg ihrer Mobilisierung, insofern ist von einem Zusammenspiel von virtuellem und realem Aktivismus auszugehen. (7) Dieser Wandel der Öffentlichkeit wurde von einer bisher unbekannten Blüte lokaler Partizipation und Mobilisierung in einigen arabischen Staaten in den letzten Jahren begleitet. Sie sind zentrale Voraussetzungen für den Erfolg der Massenmobilisierung. (8) Während die Analyse der Aushandlungsprozesse zwischen Militär /Übergangsregierung und ‚der Straße' über die Tiefe der Regimetransformation und die institutionelle Ausgestaltung des Wandels wichtig ist, darf darüber die weniger gut messbare langfristige Wirkung auf die politische Kultur, die Protest-und Risikobereitschaft und auf die Bereitschaft, beispielsweise eine längere Phase verschärfter ökonomischer Krisen in Kauf zu nehmen, nicht vergessen werden. (9) Der regionale und internationale Kontext erweist sich als besonders widersprüchlich. Er ist einerseits positiver Resonanzboden für Proteste sowie Verstärker von Mobilisierung und Kritik. Die Mauer der Angst ist durch friedlichen Protest gefallen-darin liegt eine nicht mehr hintergehbare Erfahrung dieses Frühjahrs, die, ausgehend von Ägypten und Tunesien, mittelfristig weitreichende Wirkungen auf die Regime, auf die Gesellschaften und auf die Region, womöglich darüber hinaus, entfalten wird. Und so ist es kein Zufall, dass junge Demonstrant_innen in Spanien, Griechenland oder den USA Slogans und Protestformen aus der Arabischen Welt aufgreifen. Andererseits wirkt die massive Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in Syrien, Libyen und Bahrein auch abschreckend. Zugleich war und ist europäische und amerikanische Politik in der Region von Strategien geprägt, die Stabilität auch um den Preis autoritärer Herrschaft und systematischer Menschenrechtsverletzungen höher gewichtet als ergebnisoffene und damit eventuell auch riskante Prozesse des Regimewandels. So suchen die internationalen Akteur_innen nach einem neuen Modus im Umgang mit den Transformationsregimen in Ägypten und Tunesien. Am Beispiel der höchst unterschiedlichen Reaktionen auf die Gewalt in Libyen, Bahrein, Jemen und Syrien zeigt sich eine alte Gemengelage aus geostrategischer Interessenswahrnehmung durch Intervention oder Vermittlungsversuche und politische Neujustierung. Die internationalen und regionalen Implikationen der Proteste sind ebenso komplex und fallabhängig wie die Proteste selbst. Sie können deshalb hier nur knapp angedeutet werden. Dieser skizzenhafte Befund bildet den empirischen Ausgangspunkt für den nun folgenden systematisierenden Zugriff auf die Untersuchung der aktuellen Ereignisse in der arabischen Welt. Analytischer Rahmen Transformations-, Revolutions-und Bewegungsforschung befassen sich mit der Untersuchung von Ursachen, Akteur_innen und Erfolgsbedingungen von tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen. 6 Allerdings sind die Kategorien und auch Erträge dieser Debatten nicht immer eng aufeinander bezogen, ganz zu schweigen von der strukturellen Exklusion des modernen Maghreb und Mashrek aus dieser Forschung. 7 Die Transformationsforschung betrachtet Protest nur als einen Faktor für die Entstehung von Regimewandel, bietet aber einen reichen, historisch und geografisch vergleichenden Forschungsstand zu Bedingungen, Formen und Ergebnissen von Regimewandel. Das Problem der Transformationsforschung liegt jedoch in seiner Zentrierung auf die politischen Eliten und damit einer Engführung des Politikbegriffs. Deshalb plädiere ich hier für eine Perspektive, die Änderungsdynamiken ‚von unten' stärker einbezieht. In der Bewegungsforschung ist der...