Pädophilie (original) (raw)
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Pädophilie. Eine Diskursgeschichte
Pädophilie. Eine Diskursgeschichte, 2022
Aus den Katalogen sexueller Abweichung des 19. Jahrhunderts hat bis heute ein »letzter Perverser« überlebt und diskursiv enorm an Bedeutung gewonnen: die Figur des Pädophilen. Katrin M. Kämpf folgt den Spuren der speziellen deutschen Geschichte des Pädophiliediskurses. Sie analysiert, wie eine Figur aus der Frühzeit der Sexualforschung – die im Nationalsozialismus teilweise antisemitisch aufgeladen wurde und während der »Sexuellen Revolution« eine große Rolle spielte – zum Kristallisationspunkt von biopolitischen Sicherheits- und Risikodiskursen werden konnte.
Psychoanalytische Überlegungen zur Pädophilie
Psychotherapeut, 2009
Anknüpfend an eine langjährige psychoanalytische Tradition in der Behandlung von Pädophilen werden in einem ersten Schritt strukturelle Komponenten der Sexualdelinquenz eruiert, die einerseits mit der psychischen Instanzenlehre der Psychoanalyse korrelieren und andererseits mit klinischen Erfahrungen aus der forensisch-therapeutischen Praxis übereinstimmen. In einem zweiten Schritt werden mit Rückgriff auf die objektbeziehungstheoretische Konzeption der Persönlichkeitsorganisation mehrere Schweregrade in der strukturellen Pathologie bei Sexualdelinquenten beschrieben. Schließlich werden in einem dritten Schritt psychodynamische Merkmale hervorgehoben, die in der psychoanalytischen Behandlung von Pädophilen häufig gefunden und beschrieben wurden, u.a. traumatisierende Mutterbeziehung, narzisstische Objektwahl, mangelhafte Triangulierung, Selbstvertauschungsagieren, Simulation und Identifizierungsstörung.
2.2 Nationalsozialismus und Pädophilie
Pädophilie, 2021
Der Schränker: »Das würde dir so passen, mein Junge. Damit du dich auf § 51 berufst und ein Leben lang auf Staatskosten verpflegt wirst. Und dann brichste aus oder es kommt ne Amnestie und du vergnügt-mit Jagdschein kann dir ja nix passieren, bist ja wegen Unzurechnungsfähigkeit gesetzlich geschützt-gehst wieder fröhlich auf die kleinen Kinder los. Nee, nee, davon wollen wir nix mehr wissen. Du musst unschädlich gemacht werden. Du musst weg!« 422 Auf dem Höhepunkt von Fritz Langs Film M (1931) versammeln sich die Angehörigen verschiedener krimineller Ringvereine, um in einem Tribunal der Unterwelt über den Kindermörder Beckert (Peter Lorre) zu richten. In der Tribunalszene ließ Lang zentrale Positionen der Weimarer Debatten um Kinderschutz, Triebe, Zurechnungsfähigkeit und Justiz aufeinanderprallen. Während der Verteidiger Beckerts (Rudolf Blümner) auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert und der Mörder selbst sich als ein seinen Trieben ausgeliefertes Opfer darstellt, vertritt der Ankläger, der in schwarzes Leder gehüllte Safeknacker ›der Schränker‹ (Gustaf Gründgens), die Position des unerbittlichen Hardliners, der mildernde Umstände nicht gelten lassen will, da der Mörder das Morden ja sowieso nicht lassen könne: »Wir wollen dich unschädlich machen, das wollen wir. Und ganz sicher unschädlich bist du nur, wenn du tot bist.« 423 Die Filmfigur des Schränkers trägt hier Positionen wie die des zunehmend militanten kulturpessimistischen und antiliberalen Flügels der Kinderschutzbewegung der letzten Jahre der Weimarer Republik vor. So wandte sich 1931 beispielsweise E. Dederding in seiner Kampfschrift Schützt unsere Kinder vor den Sexualverbrechern! mit einem Plädoyer an seine Leser_innen, das in M sein filmisches Echo fand: Stellen Sie sich an die Seite jener Menschen, in denen die gesunde Wiederstandskraft [sic!] unserer Rasse noch nicht gebrochen ist, machen Sie mit ihnen Front gegen jenen verantwortungslosen, angeblich ›humanen‹, in Wirklichkeit aber barbarischen Liberalismus, der sich der dauernden Kinderschändungen mitschuldig macht, und tragen Sie unseren Kampfruf in unser gesund empfindendes Volk hinaus, bis er zur befreienden Tat wird: Schützt unsere Kinder vor den Sexualverbrechern! 424
Lackinger 2009 - Psychoanalytische Überlegungen zur Pädophilie - PT09
Psychotherapeut, 2009
Anknüpfend an eine langjährige psychoanalytische Tradition in der Behandlung von Pädophilen werden in einem ersten Schritt strukturelle Komponenten der Sexualdelinquenz eruiert, die einerseits mit der psychischen Instanzenlehre der Psychoanalyse korrelieren und andererseits mit klinischen Erfahrungen aus der forensisch-therapeutischen Praxis übereinstimmen. In einem zweiten Schritt werden mit Rückgriff auf die objektbeziehungstheoretische Konzeption der Persönlichkeitsorganisation mehrere Schweregrade in der strukturellen Pathologie bei Sexualdelinquenten beschrieben. Schließlich werden in einem dritten Schritt psychodynamische Merkmale hervorgehoben, die in der psychoanalytischen Behandlung von Pädophilen häufig gefunden und beschrieben wurden, u.a. traumatisierende Mutterbeziehung, narzisstische Objektwahl, mangelhafte Triangulierung, Selbstvertauschungsagieren, Simulation und Identifizierungsstörung.
Platons Charmides in der Oberstufe: vom Umgang mit Pädophilie im Unterricht
Uta Müller, Simon Meisch, Martin Harrant (edd.): Kritisches Denken und darüber hinaus. Normative Fragen in Bildung und Unterricht. Tübingen: Tübingen Library Publishing, 2023
Text zielt darauf ab, jene neueren Entwicklungen in der internationalen Bildungsphilosophie vorzustellen und zu überprüfen, die als »post-kritische Pädagogik« diskutiert werden. Hierzu wird dieser neue Ansatz zunächst kurz vorgestellt (1). Dabei werden Probleme des kritischen Denkens als Modus pädagogischer Forschung herausgearbeitet sowie Alternativen und Anschlussmöglichkeiten skizziert. Darauf folgt eine Diskussion zwischen den beiden Autor*innen, indem zunächst Einwände erhoben (2), diesen dann entgegnet (3), und schließlich eine Annäherung formuliert (4) werden. sein, hinsichtlich der Utopie die historischen Bedingungen in den Blick zu nehmen, auch wenn sie (noch) nicht systematisch erfasst werden (sollen).
"Ich wollte den Kindern Liebe geben" – Ein Gespräch mit einem Pädophilen
2014
Seit 2007 ist er in einer Schweizer Psychiatrie untergebracht. Grund: sexueller Missbrauch -sowohl in der Rolle als Opfer als auch als Täter. Dragica Stojkovic, Psychoanalytikerin in Ausbildung, hat mit ihm gesprochen. Dragica Stojkovic: Sie haben langwierige rechtliche Verfahren hinter sich und sind nun seit sieben Jahren stationär in Behandlung. Ihre soziale und räumliche Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt. Ich stelle mir vor, dass Sie auch mit vielen inneren Schwierigkeiten zu kämpfen haben: den Erlebnissen, den Erinnerungen, der Suche nach einer Erklärung. Möchten Sie erzählen, wie Sie sich zurzeit fühlen? Er: Ich wusste, was ich tue, und trotzdem riskiert man es. Später aber fragt man sich: Warum habe ich das getan? Wenn man eine Krankheit oder eine Störung hat, gibt man sie doch nicht weiter! Mein Grossvater hat mir zum ersten Mal in den Sommerferien 1969 etwas angetan.
Welche Konsequenzen prekäre Arbeitsverhältnisse für Akademiker haben können, zeigt die Anthroposophie. Deren Gründer Rudolf Steiner , von seinen Anhängern als "Menschheitsführer" gefeiert, wurde als Sohn eines Bahnangestellten geboren. Ein Studium an der Technischen Hochschule in Wien brach er ab und betätigte sich als Hauslehrer, Journalist und Mitarbeiter an der Weimarer Goethe-Ausgabe. Ein Versuch, sich zu habilitieren, wurde von der Universität Jena zurückgewiesen. Bis zum 40. Lebensjahr schlug er sich als intellektueller Gelegenheitsarbeiter durch, bis ihm die Theosophen den Job als Generalsekretär ihrer deutschen Sektion anboten. Die Theosophische Gesellschaft, 1875 gegründet, war die erste organisierte moderne Esoterik-Strömung, die die weitere Entwicklung der Szene prägte. Die heutige Horoskopgläubigkeit etwa geht auf geschäftstüchtige Theosophen des Fin de siècle zurück. Steiner hatte die Theosophie als Student in Wien kennen gelernt, in den bürgerlichen Salons waren Tischerücken und Séancen schick. Der junge Mann hielt von dem Hokuspokus noch gar nichts und warnte seine Freunde vor Gehirnerweichung. Umso aktiver war Steiner in deutschtümelnden Kreisen der Hauptstadt der Donaumonarchie. "Die Slawen müssen noch lange leben, bis sie die Aufgaben, die dem deutschen Volk obliegen, verstehen, und es ist eine ungeheuere Kulturfeindlichkeit, dem Volksstamm [gemeint sind die Deutschen, P.B.] bei jeder Gelegenheit Prügel vor die Füße zu werfen, von dem man das geistige Licht empfängt, ohne welches einem die europäische Bildung ein Buch mit sieben Siegeln bleiben muß", kommentierte Steiner 1888 als Redakteur der Deutschen Wochenschrift, deren Untertitel Organ für die nationalen Interessen des deutschen Volkes lautete.
Eine bundesdeutsche Geschichte, 2014
Ab Mitte der 1970er Jahre traten in der Bundesrepublik Pädophile für kurze Zeit als selbstbewusste politische Subjekte auf. Als »Sittenstrolche« und »Power-Pädos« artikulierten sie öffentlich und plakativ ihre Interessen, forderten Akzeptanz für »Liebe mit Kindern« und organisierten sich als zivilgesellschaftliche Akteure. Im Zuge der damals verbreiteten Kritik an einer überkommenen Sexualmoral, der Befreiung und des Aufbegehrens sexueller Minderheiten trugen sie dazu bei, dass Pädophilie zum Politikum wurde. Das schlug sich auch in den Diskussionen und Programmen der grünen Partei nieder. Doch wie sind diese Entwicklungen genau entstanden und verlaufen? Im Folgenden soll rekonstruiert werden, wie die Diskussion über Pädophilie entfacht, politisiert und organisiert wurde. Dazu sollen Akteure und Organisationen, Ideen und Forderungen in den Blick genommen werden, deren Gesamtheit mit aller Vorsicht als politische Bewegung von Pädophilen betrachtet werden kann.