Das Weibliche bei Thomas Mann. Über "Die Betrogene" (original) (raw)
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‚Mauschelnde‘ Unternehmer und unproduktive Dandys. Männerarbeit in Thomas Manns „Wälsungenblut“
Homme fragile. Männlichkeitsentwürfe in den Texten von Heinrich und Thomas Mann, 2016
Ariane Totzke ‚Mauschelnde' Unternehmer und unproduktive Dandys Männerarbeit in Thomas Manns Wälsungenblut [D]er jüdische Gauner [geht] mit viel mehr Ruhe, Überlegung und Beharrlichkeit zu Werke und [übt] überhaupt die Gaunerei ganz besonders mit dem vollen Ernst eines geschäftlichen Betriebes aus und [ist] weit entfernt, das Gestohlene so sinnlos wie die christlichen Gauner zu verschleudern. 1 Die Nationalökonomie um 1900 entwirft ein facettenreiches Panorama prototypischer Wirtschaftsmenschen, das ausschließlich männlich kodiert ist. Frauen und Juden werden von diesem Diskurs ebenso ausgeschlossen beziehungsweise diskriminiert wie Männer, die nicht den zeitgenössischen Rollen-, Verhaltens-und Körperaxiomen entsprechen. So formuliert beispielsweise der Sozialökonom Werner Sombart in seiner Studie Der kapitalistische Unternehmer (1909) einen Katalog von Idealeigenschaften, die ein erfolgreicher männlicher Unternehmer zwangsläufig besitzen müsse. Gefordert werden vor allem Entschlossenheit, Stärke, Energie, Rechtschaffenheit, Suggestionskraft, Wille zur Tat, Durchsetzungsvermögen, Zähigkeit, Gesundheit, Wagemut, Ideenreichtum, geistige Freiheit sowie ein besonderes Technikverständnis. 2 Sombart zufolge ist das Wirtschaftssystem durchwachsen von einer "Erwerbsidee", 3 die auch jedem modernen Wirtschaftsmenschen innewohnen müsse: "[D]er Mensch wird nur noch als Arbeitskraft, die Natur nur noch als Produktionsmittel in Ansehung gezogen; das ganze Leben ist eine einzige große Geschäftsabwicklung;
5 Das gewollte Klischee - der Mythos vom großen Unterschied zwischen Mann und Frau
Auch wenn die Hirnforschung und die Evolutionsbiologie unablässig Unterschiede zwischen Mann und Frau suchen - sie finden keine. Mann und Frau unterscheiden sich kaum in ihren Talenten und Schwächen. Da, wo sich Andersartigkeit messen lässt, spielt sie entweder keine Rolle fur den Lebensalltag oder ist unbedeutend klein. Vor allem aber gibt es gute Gründe, sie nicht als Ergebnis biologischer Bestimmung zu sehen. Zwar wird der Mensch als Adam oder Eva geboren; im Mutterleib dirigiert durchaus noch die alte Biologie. Von der Geburt an aber gewinnt ein anderer, zutiefst menschlicher Prozess rapide an Bedeutung: die Kultur. Nun entscheidet vor allem, was die Mädchen und Jungs erleben, darüber, wie sie in Zukunft sprechen, raufen, rechnen oder einparken werden.
Mannermythos, Frauenmythos, und Danach? Anmerkungen Zum Mythos Ingeborg Bachmann
German Life and Letters, 2004
Der Essay setzt sich kritisch mit zwei Aspekten des gegenwärtigen Bachmann-Bildes auseinander, mit der Rückkehr des 'Männermythos' Ingeborg Bachmann in der literarischen Öffentlichkeit und mit der Fortschreibung des feministischen Bachmann-Mythos in der deutschen Literaturwissenschaft. Zunächst zeigt ein Blick auf das Bachmann-Bild in der neueren Zeitungskritik, dass dort inzwischen wieder präfeministische Vorstellungen und Klischees reaktiviert werden, die den Bachmann-Mythos der 1950er Jahre im neuen Gewand des ausgehenden 20. Jahrhunderts auferstehen lassen. Aber auch das Bachmann-Bild der feministischen Literaturwissenschaft hat sich noch nicht von Konstruktionen der 1980er Jahre gelöst, vor allem insofern, als nach wie vor an der Vorstellung von Bachmann als einer feministischen Vordenkerin festgehalten wird. Damals galt die Schreibweise der Autorin als vorweggenommene Konkretisierung poststrukturalistischer Thesen, heute werden ebenfalls wieder die neuesten geistes-und kulturwissenschaftlichen Errungenschaften in ihre Texte hineingelesen. Demgegenüber wird im folgenden darauf bestanden, daß es, will man Bachmann mit neueren Gender-Theorien in Verbindung bringen, keineswegs ausreicht, wenn ihre Texte die herrschenden Geschlechterverhältnisse kritisch in Frage stellen. Auch wenn Bachmann die Frage der Geschlechtsidentität zunehmend beschäftigt hat: den radikalen Gedankenschritt, der in der Verabschiedung von essentialistischen Begriffen von Geschlechtsidentität besteht, hat die Autorin noch nicht vollzogen. Der folgende Essay versteht sich also als Plädoyer dafür, die Leistungen, aber auch die Grenzen von Bachmanns Texten im Horizont ihrer historischen und gesellschaftlichen Bedingtheit zu sehenund nicht zuletzt die Macht der Geschlechtermythen ihrer Zeit ernst nehmen.