Editorial: Flucht und Utopie (original) (raw)
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Utopie und Hoffnung II (FS 2018)
Die Legende von der Büchse von Pandora sollte bekannt sein: Nachdem Pandora, die erste Frau, gegen Zeus' explizites Gebot die Büchse, die sie als Hochzeitsgeschenk bekommen hat, öffnete, sind aus ihr alle Laster und Untugenden entwichen, worauf hin das Schlechte die Welt eroberte. Bevor auch die Hoffnung entfliehen konnte, wurde die Büchse wieder geschlossen und die Hoffnung wurde in die Büchse weiter enthalten. Die Lektüren der Legende könnten gegen einander nicht diametraler konkurrieren: War es, die Hoffnung für den Menschen zugänglich zu machen oder vielmehr die Hoffnung vom Menschen zu halten? Ist die Hoffnung infolgedessen als gut zu betrachten, als Trost in Zeiten von Elend und als Reiz, um Tätigkeit zu erregen, oder als böse, d.h. als leere Hoffnung, in der es untätig geschwelgt wird? Sicherlich hat sich das Schlagwort " Hope " für Jeremy Corbyn bei der letzten Unterhauswahl im Vereinigten Königreich als immens hilfreich erwiesen, einen unvorstellbaren Wechsel in der britischen Politik zu erreichen. Zugleich ist Hoffnung dadurch als politisch-philosophischer Begriff wieder ins Leben gerufen worden. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Utopie. Vom Griechischen οὐ-τόπος abgeleitet und auf einen Ort hinweisend, den es (noch) nicht gibt, wird mit dem Begriff der Utopie, den 1516 der englische Staatsmann
Bildbruch - Beobachtungen an Metaphern 4, 2022
Hrsg. mit Andreas Strasser, 2022 Utopien und Idyllen sind Andersorte der Literatur, deren Form, Herkunft, Eigenzeit und nicht zuletzt Möglichkeit immer wieder aufs Neue in Frage steht. Gibt es noch schöne, gar perfekte Orte, und wie können wir sie erkennen? Wie können wir die Namen, die mal Gattung, mal Motiv, mal Topos, mal Form beschreiben wollen, richtig verwenden? Die vierte Ausgabe von Bildbruch widmet sich diesen beiden anderen (Nicht-)Orten, indem sie sie verbindet: Was haben Utopien und Idyllen gemeinsam, was können sie - und ihr vermeintliches Verschwinden - uns sagen, und wo in Zeit und Raum können wir sie finden?
Der Realismus-Idealismus sagt unumwunden, daß jetzt endlich die Erderwärmung auf 1,5 Grad gesenkt werden soll. Das aber sagt der Realist-Idealist seit 50 Jahren. Der Realist-Idealist läßt dabei aber alle sozio-ökonomischen Verhältnisse außer acht. Er stellt seine Forderung, und basta. Das, meine ich, ist reiner, purer Idealismus. Der Idealismus des Klimaklebers und des Ökologie-Ta gungs-Teilnehmers ist reiner, purer Idealismus: Und als solcher un-politisch. Schall und Rauch. Das ist eben "Utopismus." Da wird seit Jahrzehnten immer das gleiche gesagt, und am Ende nichts, oder fast nichts getan: weil niemand diese "reinen", diese "tatsächlichen" Forderungen bezahlen kann und will. Wenn es um Geld geht, hört dieser totale Idealismus auf: Das Geld steht über dem reinen-totalen Idealismus sowohl als über den ebenso-reinengeistlosen "Real-Pragmatismus" der Sozialdemokratie. Dieser Real-Pragmatismus der Sozialdemokratie will dann durch Steuern und Subventionen zu Werke gehen und die Dinge der Real-Ökonomie lenken: Am Beispiel hier: Scholz und Lula. II. Die Utopie andererseits, in meinem Sinne, faßt die Idee und die Wirklichkeit, das Sein-Sollende/Könnende und das Sein, den Ist-Jetzt-Zustand immer dialektisch in-eins. Die Utopie ist kein Herumreiten bloß auf der Idee, sie ist nicht bloßer Idealismus, wie andererseits die Utopie ebenfalls kein reiner Realismus ist: denn der reine Realismus, der Reformismus der Sozialdemokratie, muß die Idee in sich tragen, sonst blamiert er sich, oder er wird schlicht zur Lüge.
Utopie macht Geschichte. Ein Rückblick in die Zukunft [de]
Voltaire. Magazin für instabile Verhältnisse. Issue 1 (2012), 2012
Wird es bald noch schlimmer, hässlicher und trostloser? Werden immer nur die Alpträume Wirklichkeit? Können wir uns etwas besseres als das Vorhandene überhaupt noch vorstellen? Um es kurz zu machen, die Antworten lauten: schon möglich; nein; ja. Freilich kann das ein jeder behaupten, daher muss ich das etwas gründlicher ausführen. Dabei werde ich mich auf intellektuell gefährliches Terrain begeben, nämlich in den Bereich der Zukunft und der sie betreffenden Wünsche. Allzu leicht fällt man hier in die Gruben des spekulativen Unsinns, denn anders als bei Wanderungen im Raum, bei denen unser Gesicht praktischerweise in die Richtung der Bewegung blickt und so eine gewissen Orientierung, mithin ein Vermeiden gefährlicher Untiefen erlaubt, ist unser Gesicht bei Wanderungen in der Zeit stets auf das gerichtet, von wo wir herkamen -weshalb jeder nächste Schritt ins Unbekannte gewagt werden muss. Die Vergangenheit liegt einigermaßen klar und übersichtlich vor uns, doch wir eilen rückwärts und so gut wie blind in die Zukunft. Was wir dort antreffen werden, können wir jetzt noch gar nicht wissen. Als besonders hellsichtige Wahrsager gelten daher üblicherweise gerade die, deren Prognosen so unscharf und widersprüchlich formuliert sind, dass man sie auf nahezu jede Zukunft anwenden kann (was sie streng genommen völlig nutzlos macht, abgesehen vom Placebo-Effekt und dem Verkaufswert an Leichtgläubige). Der berühmteste solche Seher ist Nostradamus, und der kann uns bei der Beantwortung der Fragen nicht helfen. Zugegeben: Manchmal schreibt einer was, das dann später tatsächlich passiert. Jules Vernes Reisen um die Erde und zum Mond, Herbert George Wells' futuristische Technikstädte und der Luftkrieg, Karel Čapeks Roboter und die Atombombe: sie alle wurden erst phantasiert und später Wirklichkeit. Es ist aber kein Verlass darauf, dass die Science Fiction (dieser oder anderer Autoren) realisiert wird -weder sind wir bisher zum Mittelpunkt der Erde noch ins Jahr 802701 gereist, und schon gar nicht überschwemmen faschistische Nordmolche die Welt. Bis jetzt jedenfalls. Prophezeiungen vermögen bestenfalls Auskunft über den Geisteszustand ihrer Anhänger zu geben und auch Science Fiction behandelt nicht die Zukunft, sondern erlaubt bestenfalls einen besonders scharfen Blick auf die Gegenwart. Welches Hilfsmittel erlaubt es mir dann, die anfangs gestellten Fragen zu beantworten?
M. Festl (ed.), Handbuch Liberalismus, Metzler: Stuttgart, 2021
Zwangs-)Migration und Demokratie heute In jüngerer Vergangenheit haben sich Flucht und Vertreibung als wichtige neue Herausforderungen sowohl für liberale politische Ordnungen als auch für liberales politisches Denken erwiesen. Dies ist nicht allein darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen weltweit auf über 70 Millionen angestiegen ist und sich damit innerhalb der letzten Dekade verdoppelt hat. Zu diesem quantitativen Faktor kommt hinzu, dass sich selbst in vermeintlich gefestigten liberal-demokratischen Ordnungen gewisse qualitative Veränderungen beobachten lassen, die in Zusammenhang mit diesen Migrationsbewegungen stehen, ja sich in unmittelbarer Reaktion auf diese einstellen: So sind es zuwanderungsskeptische bzw.-feindliche Positionen, die z.B. in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, Ungarn oder Italien im Zentrum neuer Populismen stehen und unter der Wählerschaft erhebliche Resonanz erzeugen. Und dies, obwohl die kompromisslose Privilegierung nationalstaatlicher bzw. staatsbürgerlicher Interessen (wie die Wahrung kultureller Homogenität oder ökonomischer Sicherheit) wiederholt in Spannung zu liberalen Errungenschaften und Prinzipien (so v.a. Grundfreiheiten und Menschenrechten) zu stehen und diese zum Teil sogar zu unterminieren scheint. Wie diese rezenten Phänomene anzeigen, werfen Flucht und Vertreibung somit Fragen grundsätzlicher Art auf, die etwa die Abwägung von demokratischem Selbstbestimmungsrecht und demokratischer Vereinigungsfreiheit einerseits gegen das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit andererseits betreffen-und die damit unmittelbar Kernfragen politischer Legitimität berühren. Zudem gehen damit auch angewandte Fragen einher, die sich z.B. auf die rechtliche Situation von Flüchtlingsunterkünften, auf Mindeststandards der Unterbringung in derartigen Einrichtungen, auf den Umgang mit so genannten ‚irregulären', d.h. ohne Autorisierung durch das Zielland eingereisten Migranten oder auf die von Geflüchteten zu leistende Integration in aufnehmende Staaten bzw. Gesellschaften beziehen. Für liberale Theorien auf der Höhe der Problemlagen, die sich gegenwärtig im Kontext von Flucht und Vertreibung ergeben, gilt es, diese und eine Vielzahl weiterer Fragen zu adressieren.
Abseits von Flucht und Widerstand
2012
In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, das Verhältnis zwischen dem österreichischen Adel und dem NS-Regime zu beschreiben und herauszufinden, ob und in welchem Ausmaß sich der österreichische Adel für das NS-Regime und primär für die NSDAP sowohl aktiv als auch passiv engagierte hat. Nach der Definitionen der Methode, wird zuerst die aktuelle, etwas dürftige Forschungslage analysiert und anschließend den historische Kontext zusammengefasst. Folgend wird die Entwicklung des Adels in Österreich ab 1918 genauer untersucht, um Änderungen aufzuzeigen und die Reaktionen des Adels auf die geänderten Verhältnisse besser verstehen zu können. Im Mittelpunkt stehen hierbei die offen zum Ausdruck gebrachten Ressentiments des Adels gegenüber der Ersten Republik, zu denen das "Adelsaufhebungsgesetz" entscheidend beigetragen hat. Nach einer Neuorientierungs- und Organisationsphase in den 1920er Jahren erlebte der Adel spätestens unter den Regimen von Engelbert Dollfuß u...
Utopie und Hoffnung I (HS 2017)
Die Legende von der Büchse von Pandora sollte bekannt sein: Nachdem Pandora, die erste Frau, gegen Zeus' explizites Gebot die Büchse, die sie als Hochzeitsgeschenk bekommen hat, öffnete, sind aus ihr alle Laster und Untugenden entwichen, worauf hin das Schlechte die Welt eroberte. Bevor auch die Hoffnung entfliehen konnte, wurde die Büchse wieder geschlossen und die Hoffnung wurde in die Büchse weiter enthalten. Die Lektüren der Legende könnten gegen einander nicht diametraler konkurrieren: War es, die Hoffnung für den Menschen zugänglich zu machen oder vielmehr die Hoffnung vom Menschen zu halten? Ist die Hoffnung infolgedessen als gut zu betrachten, als Trost in Zeiten von Elend und als Reiz, um Tätigkeit zu erregen, oder als böse, d.h. als leere Hoffnung, in der es untätig geschwelgt wird? Sicherlich hat sich das Schlagwort "Hope" für Jeremy Corbyn bei der letzten Unterhauswahl im Vereinigten Königreich als immens hilfreich erwiesen, einen unvorstellbaren Wechsel in der britischen Politik zu erreichen. Zugleich ist Hoffnung dadurch als politisch-philosophischer Begriff wieder ins Leben gerufen worden. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Utopie. Vom Griechischen οὐ-τόπος abgeleitet und auf einen Ort hinweisend, den es (noch) nicht gibt, wird mit dem Begriff der Utopie, den 1516 der englische Staatsmann • Zweiter Teil: Utopien und das utopische Denken 04. 10. [3. Sitzung: Zwei utopische Modelle -Liberale vs. zentralistische Utopien]