Theorien modernen Unglücks: Das Glücksparadox (original) (raw)

Glückswissen - Paradoxien des Glücks

Historische Anthropologie 30 (2022), 2, 5–15.

Seit den 1980er Jahren boomt das Glück. 1 Die "Positive Psychologie" beflügelte damals die Erwartungen an die Forschung. Seither jagen sich die wissenschaftlichen Publikationen zum Thema; wer heute auf JSTOR nach "happiness" sucht, erhält gegen 300.000 Resultate. Parallel dazu wird Glück als lukratives Produkt kommerzialisiert. Der Glücksmarkt expandiert. Allein amazon.com bietet rund 100.000 Artikel dazu: von Fachliteratur, Lifestyle-Ratgebern, religiösen und esoterischen Werken über Talismane, Elixiere und Tabletten sowie Musik bis hin zu Schlüsselanhängern und Dekorationsartikeln. Glück wird in Werbekampagnen instrumentalisiert, in Romanen und Filmen ausgelotet und in Magazinen, Vorträgen, in Radio und Fernsehen wie auch in Ausstellungen in Museen verhandelt. 2 Menschen teilen ihr Glück auf Social Media mit Fotos, Hashtags oder privaten Videos. Der happiness turn, wie ihn Sara Ahmed 3 apostrophiert hat, vermochte die Frage, was Glück sei, nicht zu klären. 4 Nichtsdestotrotz machte sich sein Momentum über Forschung, Märkte und populäre Kulturen hinaus auch in der Forderung bemerkbar, die Politik sei an der Zielvariable Glück auszurichten. Über den Erfolg politischer Maßnahmen gibt ein Gross National Happiness Index Auskunft, der den bisher maßgeblichen wirtschaftlichen Wertschöpfungsindex, das Gross Domestic Product (GDP), ablösen soll. Je mehr die Vermessung eines glücklichen Lebens eine wissenschaftliche Ambition darstellt, umso schillernder wird Glück als Topos medialer Nachrichtenproduktion. Getrieben durch medientechnische Entwicklungen zirkuliert Glückswissen zwischen Politik, Populärkulturen und Forschungseinrichtungen. Die Popularisierung wissenschaftlicher Befunde, die Verwissenschaftlichung des persönlichen Erlebens und die Ausrichtung wissenschaftlicher Fachdisziplinen an populären Kulturen des Glücks stimulieren sich wechselseitig. 2006 stellte der Soziologe Gerhard Schulze in einer Überblicksdarstellung fest: "Noch nie hat es eine so breite Diskussion über das 1 Für einen Überblick vgl.

Glück und Gottaus Sicht der Gegenwartsphilosophie

Der Vortrag hat drei Teile. Im ersten werden drei Gotteskonzeptionen der Gegenwartsphilosophie vorgestellt. Peter van Inwagen von der University of Notre Dame in Indiana, hat die Möglichkeiten rationaler Theologie mit den Mitteln der analytischen Philosophie und der Modallogik neu geprüft, Quentin Meillassoux von der Université Paris 1 hat die Idee eines erst noch kommenden Gottes ventiliert, und der hermeneutische Realismus, den ich vertrete, konfligiert mit der Annahme eines personalen Gottes. Nach Meillassoux wie schon nach Kant

Fehlt was? literarisch-theologische Konstellationen des Glücks

2020

Die Zahl der möglichen Definitionen dessen, was das Glück sei, soll nicht kleiner sein als die Zahl der lebenden, gelebt habenden und jemals lebenden Menschen. Mindestens hat der antike Historiker Marcus Terentius VARRO dem Vernehmen nach 288 Antworten auf die Frage nach dem Glück gezählt 1. Aber diese Hinweise auf eine potentiell unendliche Vielzahl subjektiver Wahrnehmungen von Glück soll uns nicht einschüchtern. Nichts könnte schöner sein als die Vergegenwärtigung des Glücks in der uneingrenzbaren Vielfalt der uns Menschen auszeichnenden Subjektivität, des unvertretbaren Subjektseins, das jeden Menschen je einzigartig sein lässt. Und nichts könnte einem Gespräch über das Glück weniger entgegenstehen als dessen vielzählige Verwirklichung. Wer jedoch die höchst eigene Jagd nach dem Glück schützen zu müssen glaubt, indem er sie jedem Gespräch, jeder Nachfrage, jeder Begründung zu entziehen sucht und in diesem Sinn meint, Glück sei halt subjektiv, der hat es womöglich schon verfehlt, das Glück. Und was wäre das auch für ein Glück, das man von vornherein nicht mitteilen, nicht teilen könnte? Das Glück hat so etwas Unbesitzbares; Frau Fortuna ist launisch. Von nicht geringem Aufschluss ist dabei, dass diese Vortragsreihe ausweislich ihres Titels gar nicht wissen will, was "das" Glück sei. Diese Frage ist nicht gestellt. Statt dessen-die Metapher der Jagd steht

Philosophie des Glücks

Der Versuch, außerhalb der Rationalität Liegendes mit der rationalen Sprache der Schul-Philosophie zu erfassen, scheitert zwingend, macht aber trotzdem Spaß und Sinn: Es gilt, diejenigen zu einem Ausflug hinter die rationalen Grenzzäune einzuladen, denen die Grenzen ihrer Sprache zugleich die Grenzen ihrer Welt bedeuten.

Glück -Unglück im Kontext islamischer Seelsorge

Grundlagen muslimischer Seelsorge. Die muslimische Seele begreifen und versorgen, 2020

Glück und Unglück sind zwei Begriffe, die subjektive Zustandsbeschreibungen sind. Sie sind Beschreibungen des Empfindens von Subjektiven, wie sie bestimmte Ereignisse und Situationen interpretieren. So kann die Einschätzung eines gleichen Zustandes sowohl als Glück als auch als Unglück bezeichnet werden, weil es von der Interpretation, bzw. der Wahrnehmung des Betrachters abhängt. Oft geben Begriffe wie Glück und Unglück - aber auch Zufall - nur die Unfähigkeit des Menschen wieder, die gesamte Ordnung zu verschieden. Weil ein Subjekt nicht in der Lage ist, jedes einzelne Handeln zu erfassen, sind solche Begriffe auch ein Zugeständnis für ein Nichtwissen. Dieses Nichtwissen kann jedoch in Not- und Krisensituationen zu Fehleinschätzungen führen, welche in seelsorgerischen Gesprächen thematisiert werden können. Im theologischen Sinne liefert daher der Islam ein Grundverständnis für weltliche Geschehnisse und Ereignisse, die im Kontext der islamischen Seelsorge genutzt werden können. Freilich ist der Begriff des Glücks sehr vielfältig, kulturell spezifisch geprägt und es gibt viele muslimische Autoren, die sich im islamisch theologischen Kontext mit der Fragestellung auseinandergesetzt haben. Um aber den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, werden vor allem die Herangehensweisen und Methoden der Islamgelehrten Al Ghasali (1058-1111) und Said Nursi (1876-1960), die als wichtige Autoritäten der islamischen Theologie gelten, Betrachtung finden.

Rausch und Rauschen - Über das Glück

“Wie ist es, eine Farbe zu sein?” – Über Kunst und Liebe, das Schweigen und die Gegenwart., 2013

Glück ist nicht gleich Glück. Im Englischen haben wir für das, was damit gemeint sein kann, die Begriffe „luck“ und „happiness“. „Luck“ ist das Glück, dass mich trifft, das Schicksal, das mich aber nicht unbedingt „happy“, glücklich, machen muss. Glück kann sowohl ein Ereignis sein als auch ein individueller Zustand. Zwischen beiden Formen des Glücks wird umgangssprachlich nicht immer differenziert, obgleich es möglich ist, dass ich glücklich bin, auch wenn ich kein Glück habe und umgekehrt. Ich werde im Folgenden das Wort Glück in seiner Doppeldeutigkeit gebrauchen, weil damit gleichzeitig sein Spannungsfeld angedeutet ist, in dem es sich bewegt: Zwischen dem Gefühl von Glück und dem Glück, das mir widerfährt. In diesem Spannungsfeld werde ich den Spuren des Glücks folgen, die es hinterlässt und dabei jenen Momenten begegnen, in denen das Glück, das ich empfinde, mit dem Glück, das mir widerfährt, zusammenfällt - oder auch nicht.

Das Glück in der Moderne und die Tragödie der Kultur: ein soziologischer Essay

2012

Zusammenfassung: Das Glück in der Moderne ist ein spannungsreicher und widersprüchlicher Gegenstand, denn der Modernisierungsprozess hatte emotionale Begleiterscheinungen. Das Geld zwängt die Beziehungen und persönlichen Emotionen in zweckrationale Formen, gleichzeitig treibt es die überhitzte gesellschaftliche Suche nach dem Glück an. Der Konsum von Waren wird emotional aufgeladen und zum Motor der Glückssuche. In der Postmoderne verschärft sich diese kulturelle Spaltung noch einmal. Doch existiert wirklich nur das ›falsche‹ Glück des Konsums? Wie könnte das ›authentische Glück‹ aussehen? Mit Hilfe der Unterscheidung zwischen den Wissenskonstruktionen des Alltags sowie außeralltäglichen Sinnprovinzen wird Glück am Ende des Aufsatzes als eine partielle und selbstgewählte ›Transzendenz des Selbst‹ beschrieben.