Informelles Lernen (original) (raw)
2020, Handbuch Ganztagsbildung
Der Begriff des informellen Lernens gewinnt in der deutschen erziehungswissenschaftlichen Debatte an Bedeutung. Die damit verbundenen Prozesse sind Teil eines in sich differenzierten pädagogischen Verständnisses von Lernen geworden (Göhlich, Wulf & Zirfas, 2007). Neben dem formal organisierten Lernen in Schulen und Universitäten und der nonformal arrangierten Aneignung von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten in Kursen geraten angesichts des ökonomischen wie technischen Strukturwandels Lernfelder in den Blick, die bis vor kurzem zu wenig gesehen wurden: Das Lernen am Arbeitsplatz, in sozialen Bewegungen, im Bereich digitaler Medien sowie im Freizeitbereich findet zunehmend Beachtung. Diese Tendenz wird durch die Schwierigkeit verstärkt, die sich erweiternde Vielfalt von Lerngegenständen innerhalb der zunehmend digital geprägten ‚Wissensgesellschaft', noch curricular zu erfassen. Das Lernen im Alltag (etwa am Arbeitsplatz, im Rahmen von Multimedia-Anwendungen oder im Internet, in familialer Kommunikation, das informelle Lernen in Museen oder mit Büchern und anderen Lernmaterialien oder über Expert*innenbefragungen) findet nun also verstärkt auch in Deutschland Eingang in bildungspolitische Debatten. Anschließend an den ursprünglich in der Erwachsenenbildung angesiedelten Diskurs zum lebenslangen Lernen fordern politische Instanzen, wie die Europäische Kommission (1996), die Förderung von Schlüsselkompetenzen auch durch die Anerkennung informellen Lernens. Sie arbeiten an Zertifizierungsmodi für "informal and prior learning". In einigen europäischen Ländern gibt es bereits Anerkennungsprozeduren die auch bisher eher versteckte, beruflich relevante Kompetenzen transparent werden lassen (Münchhausen & Seidel, 2016). Dies ist für die Wirtschaft interessant, kann aber auch denjenigen Menschen nützen, die innerhalb formaler Lernwege Probleme hatten und für sich alternative Lernwege gefunden haben. Für die Ganztagsbildung ist informelles Lernen relevant, weil einerseits Voraussetzungen für informelles Lernen gelegt werden und andererseits, bei entsprechend guten Konzepten der Ganztagsbildung, auch Lernräume geschaffen werden, die informelles und formales Lernen verbinden.