Zwischen den (Lehr-)Stühlen (original) (raw)
Erziehungswissenschaft, 2022
Abstract
Wer es noch nicht bemerkt hat: Es verschwinden immer wieder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Allgemeinen Erziehungswissenschaft(AEW). Sie verschwinden zwischen Studienabschluss und Promotion, zwischen Postdoc und Lehrstuhl. Wir wollen im Folgenden dieses Verschwinden zum Ausgangspunkt eines statusgruppenübergreifenden Blicks nehmen undzwei machttheoretische Perspektiven auf die Systematik werfen, die dazuführt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich (gouvernemental)selbst zum Verschwinden bringen. Unseres Erachtens verschwinden sie zwischen den (Lehr-)Stühlen, weil sie sich einem Spiel unterwerfen, das die gegenwärtige Situation der AEW auf spezifische Weise charakterisiert: einer „Reise nach Jerusalem“, die sinnbildlich jenes kompetitive Suchen nach einem Stuhl aufführt, wobei immer zu wenig Stühle vorhanden sind und daher jederzeit aktive Bereitschaft zum Platznehmen gefordert ist.Um jene angenommene spielerische Systematik zu analysieren, wollen wir eine doppelte Optik entwerfen: Einerseits wollen wir dieses Zwischen aus derSichtweise des wissenschaftlichen Mittelbaus innerhalb der AEW als ein pre-käres skizzieren. Dazu wollen wir uns zweier Figuren bedienen, die KerstinJergus (2021) kürzlich aufgeworfen hat: Jener der „Teilung des akademischenRaumes in ‚Berufene‘ vs. ‚Nicht-Berufene‘“ (ebd., S. 13) und jener „des‚noch-nicht‘“ (ebd.). Im Anschluss daran wollen wir diese Figuren der Teilungund des Noch-nicht aus dem Blickwinkel der Berufenen hin zu einem Nicht-mehr verschieben und fragen: Artikuliert sich ein solches prekäres „Zwischen-den-(Lehr-)Stühlen“ nicht gerade auch vor dem Hintergrund der Lage derAEW als doppelt prekär, weil obendrein ganze Lehrstühle verschwinden? Droht also nicht nur ein Verschwinden zwischen den (Lehr-)Stühlen, sondernein Schwinden ganzer (AEW-)Lehrstühle? Wir wollen dabei die These verfolgen, dass eine Verortung im Feld der AEW einer subjektivierenden Reise nachJerusalem mit doppeltem Schwierigkeitsgrad gleicht, in der strukturelle Probleme der Wissenschaft und ihrer Institutionen in individuelle Probleme trans-formiert werden (vgl. Liesner 2005; Jergus 2021).Der Diskurs zur Gouvernementalität in der universitären Bildung hat schon einige Vorläufe,die hier nicht alle eingeholt werden können (vgl. Liesner 2006, 2008; Dzierbicka 2006)
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