Der Philosoph auf der Insel. Zur Selbststilisierung Senecas in den Exilschriften (original) (raw)
von dem ich so vieles lernen durfte. 1. Einleitung Quid tam nudum inueniri potest, quid tam abruptum undique quam hoc saxum? Quid ad copias respicienti ieiunius? Quid ad homines inmansuetius? Quid ad ipsum loci situm horridius? Quid ad caeli naturam intemperantius? «Was gibt es, was so nackt, so schroff ist auf allen Seiten wie dieser Felsen? Was ist unfruchtbarer für jemanden, der nach Vorräten Ausschau hält? Was ist unbändiger für die Menschen? Was ist fürchterlicher allein von der Ortslage her? Was unausgewogener von seinen klimatischen Bedingungen?» (Helv. 6,5) Mit diesen Worten beschreibt Seneca die Zwangsheimat seines Exils 1 auf Korsika 2 in den Jahren 41 bis 49 n. Chr. 3 In diesen knapp acht Jahren entstehen mehrere Werke Senecas: zwei Trostschriften, eine an die Mutter, aus der dieses Zitat über Korsika stammt, und eine an den einflussreichen kaiserlichen Freigelassenen Polybius. Einige Epigramme, die ebenfalls die Situation im Exil beschreiben, sind unter Senecas Namen überliefert, ihre Echtheit ist aber umstritten-gerade auf dieses Problem werde ich noch einmal zurückkommen. Die notorisch schwer datierbaren Tragödien sind z. T. oder gänzlich zuweilen in diese Zeit verlegt worden. 4 Allerdings lässt sich hier keine Sicherheit oder wenigstens Wahrscheinlichkeit gewinnen, die zur Grundlage für weitere Überlegungen werden könnte. Ich möchte mich daher im Folgenden besonders den beiden Trostschriften zuwenden. Die Gattung der Konsolationsliteratur ist bekanntermaßen häufig in der antiken Literatur anzutreffen. 5 Sei es in Form von Briefen, Gedichten oder sogar separaten Abhand-* Frühere Fassungen sind in Eichstätt, Rostock und Oxford in den Jahren 2016 und 2017 als Vorträge gehalten worden. Ich danke den Publika für die Anregungen in der Diskussion. Besonderen Dank schulde ich Sigrid Mratschek (Rostock) für die Lektüre des Vortragsmanuskripts und ihre hilfreichen Anmerkungen.