Die Konstruktion des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung und der favor dotis bei Ulpian D.23,3,9,1 (original) (raw)

Die Konstruktion des Anwartschaftsrechts aus bedingter Übereignung und der favor dotis bei Ulpian D. 23,3,9,1  Ü b e r s i c h t : I. Einführung.-II. Statt Rückwirkung: Schutz gegen beeinträchtigende Zwischenverfügungen.-III. Die Vererblichkeit der bedingten Obligation und der Tod des Verfügenden während der Schwebezeit.-IV. Der Tod des Mandanten vor dem Geschäftsvollzug durch einen Boten oder Beauftragten.-V. Schlussfolgerungen. I. Einführung [651] Wird eine bedingte Verfügung mit dem Tode des Verfügenden hinfällig, und bleibt sie dies permanent, auch wenn die Bedingung nach seinem Tode eintritt? Julian D. 39,5,2,5 verneinte die Frage. Den Eintritt der Bedingung muss der Verfügende nach Julian nicht mehr erleben. Der Tod des Verfügenden während der Schwebezeit kann den bedingten Rechtserwerb nicht beeinträchtigen. Anders Ulpian D. 23,3,9,1: Mit dem Tode falle der Gegenstand, über den der Erblasser verfügte, ins Vermögen des Erben und damit in dessen Dispositionsfreiheit; an unvollkommene Verfügungen seines Rechtsvorgängers sei der Erbe nicht gebunden. Eine Ausnahme machte Ulpian bei der Mitgiftbestellung, wenn die Ehe nach dem Tode des Bestellers geschlossen wird: Der favor dotis gebiete exzeptionellerweise dem Erben, der Verfügung des Erblassers zuzustimmen; sei der Erbe hierzu etwa wegen Abwesenheit außerstande, müsse man das Eigentum auf den Ehemann von Rechtswegen übertragen (zur Textexegese siehe unten III 3). Für den speziellen Fall der Dosbestellung stimmt Ulpian mit Julian im Ergebnis überein. Auf diesen Sonderfall begrenzt, befriedigt Ulpians Ergebnis; es ist geleitet von richtigem Judiz. Ulpians Begründungsweg ist jedoch allzu umständlich. Nach seinem suggestiven Hinweis auf den favor dotis enthielt seine Lösung ein ius singulare des Dotalrechts, einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderrechtssatz. Eine derart kasuistisch verengte Sicht ist jedoch unangemessen. Bereits Julian wies den richtigen, für alle bedingten [652] Verfügungen gültigen Lösungsweg. Es erstaunt, dass der über sechzig Jahre jüngere Ulpian 1 Julians einfacheren und fortschrittlichen Lösungsansatz offenbar nicht kannte. 2 Zweitens ist zu konstatieren, dass