Frankenberg, Günter: Autoritarismus. Verfassungstheoretische Perspektiven (2020) (original) (raw)

Günther Frankenberg, Autoritarismus

Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG eBooks, 2021

Demokratisierung ist weder Automatismus noch Einbahnstraße, und das viel zitierte "Ende der Geschichte" (Francis Fukuyama) ist nicht eingetreten. Mehr noch: Demokratie scheint kein erstrebenswertes Erfolgsmodell mehr zu sein. Weltweit leben nur 39 Prozent der Menschen in Demokratien 1 und auch in diesen stehen Demokratie und Pluralismus unter Beschuss, vor allem durch populistische, meist nationalistische und faschistische Bewegungen und Parteien: "Im Bermuda-Dreieck von Rasse, Ethnie und Nation verbündet sich das organisierte Ressentiment gegen Fremde und Eliten mit Intoleranz gegenüber gesellschaftlichen Gruppen, die als ‚Minderheiten' geführt werden. Autokraten greifen nach der Macht und der Verfassung" (S. 13). Doch was macht autoritäre Herrschaft aus? Und warum übt sie auf viele eine scheinbar so starke Anziehungskraft aus, dass sie bereit sind, individuelle Freiheiten und Rechte dagegen einzutauschen? Aus der Perspektive des Rechtsphilosophen und Rechtswissenschaftlers geht Günther Frankenberg vor allem der Frage nach, welche Rolle Verfassungen für und in autoritärer Herrschaft spielen. Verfassungen sind dabei für ihn mehr als nur "die rechtliche Grundordnung eines politischen Gemeinwesens" (S. 38), welche die staatliche Gewalt binden, teilen, kontrollieren und Bürgern Rechte garantieren. Und sie sind keine "hermetisch geschlossenen, sondern deutungsoffene Texte" (S. 19), die sie auch und gerade für autoritäre Herrschaft interessant machen. Sie können ein Vertrag, ein politisches Manifest, ein politisches Programm oder ein Gesetz sein, wie Frankenberg archetypisch unterscheidet. Ausgehend von dieser Differenzierung entfaltet er seine Analyse des Autoritären, die mehr sein will und ist als eine Untersuchung der Bedeutung von Verfassungen im Kontext autoritärer Herrschaft. Es geht ihm auch darum, die Anziehungskraft des Autoritären zu verstehen. Im zweiten von insgesamt acht Teilen untersucht er das Wesen und den Kern des Autoritarismus. Der dritte Teil "Liberaler Konstitutionalismus-autoritäre Momente" dient der Entfaltung der Kontrastfolie für den Vergleich. Er arbeitet nicht nur Kernelemente des liberalen Konstitutionalismus heraus, sondern auch die autoritären Elemente in

Die verblassende Wirklichkeit des Staates. Zur politischen Theorie Hans Blumenbergs

Blumenbergs Verfahren. Neue Zugänge zum Werk (hg. Hannes Bajohr und Eva Geulen), 2022

Während viele Interpreten Hans Blumenbergs "Legitimität der Neuzeit" oder sein "Arbeit am Mythos" nach Hinweisen auf eine politische Theorie durchforstet haben, gibt es noch keine eingehende Diskussion des einzigen zu seinen Lebzeiten veröffentlichten Aufsatzes, der sich direkt mit politischer Theorie befasst: "Wirklichkeitsbegriff und Staatstheorie", veröffentlicht im Mai 1968. Dieser Artikel rekonstruiert die Hauptargumente dieses Aufsatzes und kontextualisiert ihn innerhalb der "historischen Phänomenologie", die Blumenberg in seiner mittleren Schaffensperiode entwickelte. Blumenberg argumentiert, dass wir Zeugen einer langsamen Auflösung des Staates sind, und lehnt nahe vor, dass die Politik von der Rhetorik und der Staat von supranationalen Strukturen verdrängt wird. Der Artikel grenzt diesen historischen Ansatz von dem anthropologischen seines späteren Werks ab und argumentiert für einen Bruch in Blumenbergs Werk um das Jahr 1968.

Die Lust am Autoritarismus. Kommentar der anderen

derStandard, 2024

Das aktuelle Rechtsextremismus-Barometer ist beunruhigend. Denn der Höhenflug der FPÖ ist nicht Ergebnis einer genialen Wahlkampagne, sondern Ausdruck und Kanalisation eines Rechtsrucks in Österreich. Kommentar der anderen/Andreas Kranebitter 15. September 2024, 07:00

Einleitung in "Permanentes Provisorium. Hans Blumenbergs Umwege"

in: dies. (Hg.): Permanentes Provisorium. Hans Blumenbergs Umwege, Paderborn: Fink 2015, S. 9-24.

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Damberger, T. (2011). Macht – Grenze – Bruch … und seine Überwindung.

Damberger, T. (2011). Macht – Grenze – Bruch … und seine Überwindung. In S. Alpsancar & K. Denker (Hrsg.), Tagungsband der Nachwuchstagung für Junge Philosophie. Brüche, Brücken, Ambivalenzen (2009) und die Wiederverzauberung der Welt (2010) (S. 39-60). Marburg: Tectum., 2011

Der Beitrag befasst sich grundlegend mit der Frage, wie Selbsterkenntnis möglich ist. Dabei wird, ausgehend von Jacques Lacans Überlegungen zum sogenannten Spiegelstadium, – jener Phase, in der das Kleinkind beginnt, sich selbst im Spiegel zu erkennen – die Rolle Mutterblicks untersucht. In Anlehnung an Peter Widmer und Werner Sesink wird dieser Blick als ein transzendentaler markiert, der nicht nur sieht, was tatsächlich vorhanden ist, sondern zugleich Herkunft und Zukunft, Ängste und Hoffnungen miteinschließt. Der transzendentale Blick wird als konstitutiv für die die Identifikation der im Spiegel entdeckten Ganzheit mit der eigenen fragmentarischen Selbstwahrnehmung markiert, stellt aber darüber hinaus die Voraussetzung dar, sich im materiellen (bzw. nicht-lebendigen bzw. toten) Spiegel zugleich als der stets mögliche, im Entwurf begriffene Mensch verstehen zu können. Wie es grundsätzlich möglich ist, das Mehr (die Potenzialität, gleichsam den Entwurfscharakter der eigenen Existenz) im Gespiegelten zu erblicken und damit nicht nur lediglich sich selbst wahrzunehmen, wird insbesondere in Anlehnung an der Hegelsche Dialektik von Sein, Nichts und Werden erläutert.

"Entpolitisierung" der Verfassungsgerichtsbarkeit als erster Schritt zum Autoritarismus. Zusammenhänge zwischen Kritik und Ausschaltung der Verfassungsgerichtsbarkeit -- Lehren aus der Ersten Republik

Zeitschrift für öffentliches Recht, 2023

In many countries, “judicial review” is currently facing political attacks. The accusation is always the same: Constitutional judges are said to be encroaching on politics, making decisions on political issues for which they would not be authorized as judges. Under the banner of “depoliticization”, the aim is to eliminate the supervisory function of constitutional jurisdiction. A “depoliticized” constitutional jurisdiction cannot fulfi ll its function of controlling the legislative and executive branches. The following paper argues that the criticism of “activist” legal practice misunderstands the nature of judicial work and actually prepares for the elimination of legislative and/or executive control. The historical example presented is the abolition of Austrian constitutional jurisdiction in the First Republic 90 years ago. The paper contextualizes this event as the endpoint of a longer history of attacks: already in the 1920s, the Austrian Constitutional Court was accused of “activism” and “depoliticization” with the constitutional amendment of 1929. The arguments were raised earlier, ultimately leading to the elimination of Austrian constitutional jurisdiction in 1933. The paper illustrates the connection between earlier criticisms on and the elimination of the Constitutional Court (legal history), while also demonstrating that the demand for “depoliticization” of constitutional jurisdiction misunderstands the logic of judicial work and serves only political goals (legal theory). Although the authoritarian turn in Austria in 1933/1934 could not be prevented, the question arises as to whether the constitutional judges – with an “activist” understanding of “legal application” grounded in Kelsenian “Pure Theory of Law” – would have been able to overturn the government’s decree that rendered the Constitutional Court incapable of making decisions.