Die Eburonen - Was geschah mit einem vorgeschichtlichen Volk im Rheinland? (Text) (original) (raw)

Die vorliegende Magisterarbeit thematisiert die archäologischen Hinterlassenschaften einer späteisenzeitlichen Bevölkerung in einem Siedlungsgebiet zwischen Rhein und Maas unter Einbeziehung der schriftlichen Überlieferungen durch den Feldherrn Gaius Julius Caesar im „Gallischen Krieg“. Caesar bezeichnet diese einheimische Bevölkerung mit dem Namen „Eburonen“ und identifziert sie gleichzeitig als „Germani Cisrhenani“ – diesseitige, also linksrheinische Germanen. Die Untersuchungen dieser Arbeit haben jedoch gezeigt, dass es sich bei den Bewohnern um eine weitestgehend „latènisierte“ Bevölkerung handelte, deren kultureller Fokus sich weitaus mehr auf den keltischen Raum richtete, als über den Rhein zu den „Germanen“. Die wichtigsten Beispiele hierfür sind sicherlich mit der Namensetymologie, Haus- und Hofbauweise und der materiellen Sachkultur, allen voran den niederrheinischen Glasarmringen, geliefert. Ab 50 v. Chr. existierte im umrissenen Siedlungsgebiet kein politischer Zentralverband mehr mit dem Namen „Eburonen“. Caesar war es gelungen, diesen als Vergeltungsschlag für den Angriff eburonischer Stammeskrieger auf ein römisches Winterlager zu zerstören. Jedoch ist es Caesar entgegen seiner propagandistischen Behauptungen im „Gallischen Krieg“ nicht gelungen, alle Bewohner restlos auszulöschen. Hierfür sprechen archäologische und archäobotanische Befunde innerhalb der Rheinischen Lößbörde, dass es nicht überall einen Abbruch von Siedlungstätigkeit gegeben hat, allen voran die Gründung von Tongeren, die Neuformierung des Stammes der „Texuandrer“, die Siedlungsphasen von Pulheim-Brauweiler und der Umlauf „eburonischer“ Münzen nach 50 v. Chr. Der historischen Überlieferung und den archäologischen Befunden zufolge war der Kern des ursprünglich von Eburonen besiedelten Gebietes zwischen Rhein und Maas allerdings ab der 2. Hälfte des 1. Jhdt. weitestgehend siedlungsleer . Die Siedlung von Hambach-Niederzier (Hambach 382) bricht schon mindestens 2 Jahrzehnte vor 50 v. Chr. ab. Der Alte Burgberg von Kreuzweingarten fällt 50-53 v. Chr. den Kampfhandlungen zum Opfer. Das „Flachlandoppidum“ von Jülich-Bourheim wird in der Mitte des 1. Jhdt. kampflos geräumt, das „Mehrhausgehöft“ von Eschweiler-Laurenzberg bereits am Anfang des Jahrhunderts. Die Abschnittsbefestigung von Kreuzau-Winden wird erst um die Zeitenwende zerstört. Die allmähliche Wiederbesiedlung des linksrheinischen Raums fand erst statt während Agrippas Statthalterschaft am Niederrhein. Allerdings hatte Agrippa dieses Amt während zwei verschiedenen Perioden inne: Seine 1. Statthalterschaft war von 39/38 v. Chr., die zweite von 20-18 v. Chr . Agrippa siedelte ab 38 v. Chr. die Ubier, die bis dato noch rechtsrheinisch siedelten, auf der linken Rheinseite an. Heinrichs ist allerdings der Meinung, dass die gezielte Umsiedlung erst in die zweite gallische Statthalterschaft fiel . Als der Bau der Fernstraße Lyon-Niederrhein 18 v. Chr. die Südeifel erreichte, mussten im fraglichen Rheinabschnitt besondere Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Tacitus überliefert uns, dass daher die Umsiedlung der Ubier im Raum zwischen Remagen und Krefeld ausdrücklich auf defensive Art und Weise geschehen müsse (Germ. 28,4). Die Datierung in die zweite Statthalterschaft deckt sich laut Heinrich auch mit den Münzfunden: Die erste Prägephase ubischer Quinare (ca. 60 – 45 v. Chr.) ist hier bisher nicht belegt, die zweite (ca. 45 - 30) nur selten, doch der Hauptanteil an Funden entfällt auf die dritte Prägephase (ca. 30 - 15). Von den häufigen Vertretern der Prägephase III wurden die meisten noch rechtsrheinisch geprägt und zur linken Rheinseite mitgebracht. Die abschließende ubische Prägephase IV wird wieder seltener ab 15 v. Chr. Dieser numismatische Befund würde belegen, dass die Hauptumsiedlung der Ubier ab 19 v. Chr. von Agrippa durchgeführt wurde. Diese Tatsache entspräche auch ganz und gar den Bedürfnissen der Ubier, die immerhin 30 v. Chr. ihr Zentraloppidum auf dem Dünsberg an die Chatten verloren hatten und aller Wahrscheinlichkeit nach gezwungen waren, auch weitere der rechtsrheinischen Siedlungen aufzugeben. Gechter nimmt im Bezug auf die Wiederbesiedlung von Bonn an, dass diese aufgrund einheimischer Keramikfunde aus der Zeit um 40 v. Chr. noch während der ersten Statthalterschaft von Agrippa begann . Galsterer hält eher „ein langsames Einsickern von ubischen und anderen Bevölkerungsteilen, denen Agrippa dann die endgültige staatsrechtliche Form durch Errichtung einer civitas Ubiorum socia nobis gab“, für möglich . Joachim schließt sich dem an, hält es aber außerdem für denkbar, dass sich ubische Verbände bzw. Teilstämme schon zu Caesars Zeiten an von Natur begünstigten Plätzen wie Bonn (Bonna) und Neuss (Novaesium) niedergelassen haben . Die neue Heimat der Ubier wurde also das ehemalige Kernland der Eburonen, die Lößbörden zwischen Maas und Rhein inklusive der Nordeifel sowie der nordwärts gelegene Raum bis in die Höhe von Xanten. Gerade wenn der Umzug zumindest teilweise schon in den 50er Jahren eingesetzt hat, können wir davon ausgehen, dass sich viele überlebende eburonische Stammesmitglieder den zugezogenen Ubiern angeschlossen haben. Noch wahrscheinlicher ist der Anschluss an den Stamm der Treverer, da diese Bündnispartner während des Gallischen Kriegs waren. Genausogut könnte ich mir vorstellen, dass versprengte Eburonen auf die rechte Rheinseite gegangen sind, zu den dort noch siedelnden ubischen Stämmen, ebenso wie zu den Sugambrern oder den Usipetern. Im Rhein-Maas-Delta wurde aus Restgruppen der Eburonen der Stamm der Texuandrer neu zusammengefasst . Im Gebiet um Aachen formierten sich die Sunuker und um Heerlen die Baetasier. Im Gebiet der heutigen Provinz Gelderland vermischten sich Stammesreste der Eburonen und Menapier mit der Führungsschicht der Chatten, was zur Gründung des Stammes der Bataver führte. Das Volk der Eburonen bleibt weiter existent, allerdings unter neuen Vorzeichen, beziehungsweise in ein größeres Umfeld integriert. Als abschließende Betrachtung aus der Schlussfolgerung bleibt am Ende nicht mehr allein die Frage nach Kontinuität oder Diskontinuität der Eburonen, sondern stellt sich vielmehr nach Kontinuität und Wandel, letztere wichtige Begrifflichkeiten aus dem volkskundlichen Kanon. Neue Perspektiven in sich wandelnder Zeit zu finden war von jeher die Aufgabe des Menschen, wenn sich seine Lebensgrundlage, Lebensformen und Lebensumstände durch äußere Ereignisse veränderten. (Textteil)