Doppeleffekt, Rechte und Gründe (original) (raw)

Der heilige Thomas von Aquin lehrt, man dürfe im Notwehrfall einen böswilligen Aggressor unter Umständen töten. Dies sei dann der Fall, wenn das zur Rettung des eigenen Lebens notwendige Mittel, nämlich die sichere und zuverlässige Abwendung der Lebensgefährdung, den Tod des Aggressors zur Folge habe. Strikt intendiert sei dann nämlich nur die eigene Lebensrettung; wenn dazu die Tötung des Angreifers in Kauf genommen werden muss, mag dies zwar bedauerlich sein, ist aber kein Unrecht. 2 In der katholischen Morallehre hat sich hieraus eine allgemeine Doktrin der Doppelwirkung entwickelt, die auch auf ganz andere Fälle als Selbstverteidigung Anwendbarkeit beansprucht. Ich übersetze hier exemplarisch die einflussreiche Formulierung Joseph Mangans: Einer Person ist es erlaubt, eine Handlung auszuführen, von der sie vorhersieht, dass sie sowohl einen guten als auch einen schlechten Effekt hervorbringen wird, wenn folgende vier Bedingungen zugleich zutreffen: 1. Die Handlung selbst muss auf Grund ihres Zwecks gut oder zumindest indifferent sein. 2. Nur der gute Effekt und nicht der schlechte Effekt (wörtlich "evil effect") darf intendiert sein. 3. Der gute Effekt darf nicht durch das Mittel des schlechten Effekts hervorgebracht werden. 4. Es muss einen zureichend schwerwiegenden Grund geben, den schlechten Effekt in Kauf zu nehmen. 3 1 Dieser Text entspricht bis auf einige zusätzliche Fußnoten nahezu vollkommen dem am 13.09.2011 in München gehaltenem Vortrag. Für hilfreiche Kommentare in der Nachdiskussion danke ich vor allem Sebastian Rödl und Pirmin Stekeler-Weithofer. Die hier offen bleibenden Fragen werden hoffentlich in meiner Dissertation (Wertholismus und moralisches Urteilen) zufriedenstellend beantwortet.

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