Von der Zeit, dem Raum und der Person in der Photographie (original) (raw)

Von der Zeit, dem Raum und der Person in der Photographie 1 1. Die im Titel der Ausstellung enthaltenen Probleme haben universellen Charakter, betreffen nicht nur die sich auf das photographische, mediale Bild stützenden künstlerisch Tätigkeit, sondern die Kunst überhaupt. Sie berühren nämlich die entscheidende Frage der sowohl in der Existenz des Künstlers als auch des Betrachters seiner Werke so lebenswichtigen und künstlerisch entscheidenden Relationen zur Außenwelt . Das Schaffen der Künstler aus Polen, die an dieser Ausstellung teilnehmen, stellt eines von vielen Beispielen für diese Art von Problematik dar. Absicht dieser Präsentation ist das Aufzeigen dieser universellen Probleme vom Gesichtspunkt lokaler Kunst aus, der Kunst im Polen der letzten zwei Jahrzehnte. Die Künstler repräsentieren einige der letzten Generationen. Die Photographie stellt in ihren künstlerischen Biographien nur einen Teil der Praktiken dar. Im Schaffen eines jeden unserer Autoren waren die im Titel erwähnten Probleme fast von Anfang an und sind ständig anwesend. Die mit Lokalität verbundene Universalität, die in der Problematik dieser Ausstellung vorhanden ist, bewirkt, dass man deren Präsentation mit einem etwas genaueren Blick auf die Titelfragen, aber aus einer allgemeineren, eben universellen Perspektive beginnen muss. 2. Raum-und Zeitgefühl sind für uns hauptsächlich dank der Sinne erfahrbar, vor allem aber dank des Sehsinnes, deren ‚Verlängerung' in gewissem Sinne die Photographie ist. Das Bild jedoch, also das, was die Photographie registriert, hat eher geistigen als sinnlichen Charakter. Aufgrund des photographischen Bildes selbst, seines visuellen Inhaltes, können wir nicht viel zum Thema Zeit und Raum sagen. Es ist erst die Konvention der bildlichen Darstellung sowie außerbildliches Wissen, die erlauben, die Aufzeichnung von Zeit und Raum in ihm "abzulesen". Paradoxerweise erlaubt uns das unbewegliche, photographische Bild in viel größerem Maß als der bewegliche Film, Raum und Zeit zu erfahren. Seine 1 L. Lechowicz, Von der Zeit, dem Raum und der Person in der Photographie. On time, space and the person in photography, [in exhibition catalogue] Person / Zeit / Raum. Fotografie aus Polen -Osoba / Czas / Przestrzeń. Fotografia z Polski. RUPERTINUM Museum moderner Kunst, Salzburg, 25.10.2002 -24.11.2002, pp. 7-12. Unbeweglichkeit -also die Leugnung der Bewegung, und dadurch auch der Zeit, für die Bewegung Emanation und Folge ist -sowie ihre Flächigkeit, also die Leugnung der Räumlichkeit, sind viel suggestiver im Hervorrufen dieser Empfindung als eben der Film oder das bewegliche Fernseh-oder Videobild. Die Suggestion der Zeit und des Raumes, die im photographischen Bild enthalten sind, stützt sich auf ihr Gegenteil und ihre Negierung. 3. Der Raum erlaubt uns, die Veränderung wahrzunehmen, welche die Zeit hervorruft. Die Veränderung, also das, was in der Zeit geschieht, braucht Raum, um sich vollziehen zu können. Ohne Raum wird die Zeit abstrakt, wobei sie absolute Relativität annimmt. Ohne Zeit füllt der Raum die Leere dessen, was sich in ihm nicht vollzieht. Der Raum ist ohne Veränderung unvollständig, sinnlich nicht lesbar. Die Bewegung der Gegenstände im Raum sowie ihres Beobachters bewirken, dass wir den Raum empfinden können. Der unbewegte Blick auf das Bild der Welt im Ruhezustand "verflacht" den Raum. Das ist das Sehen der Photographie. Warum ruft also ihr bewegungslose und flache Bild bei uns manchmal derartig starke Zeit-und Raumempfindungen hervor? Worauf beruht das Phänomen der Photographie, ihre Möglichkeiten dieser besonderen "Stellvertretung" von Zeit und Raum? Jenes Phänomen kann man leicht wahrnehmen und verstehen, nicht wenn man mit der Photographie in ihren alltäglichsten und gewöhnlichsten Äußerungen zu tun hat, sondern eben mit ihrer differenzierten Anwendungen in der Kunst. Die präsentierte Ausstellung ist, über das Zeigen zeitgenössischen polnischen photographischen Schaffens hinaus, gleichzeitig ein Versuch, die oben vorgestellten Fragen zu zeigen und auf sie aufmerksam zu machen. Viele Künstler versuchen aus verschiedenen Motiven und sich der Photographie auf unterschiedliche Art und Weise bedienend, mithilfe der Photographie symbolische oder ganz materielle Rekonstruktionen von Zeit und Raum durchzuführen. Die Bewegungslosigkeit und Flachheit der Photos stellen für manche von ihnen eine Herausforderung dar. 4. Das Prinzip des Kontrastes zwischen dem, was die Photographie verbildlicht, und dem, wie sie es tut, spielt bei ihrem Phänomen eine besondere Rolle, die man sich oft nicht bewusst macht. Unsere Psychologie sinnlichen Wahrnehmens ist so konstruiert, dass die Bewegungslosigkeit Bewegung besser empfinden lässt, und Flächenhaftigkeit den Raum, so wie Kälte die Wärme und Glätte die Rauheit. Daraus