Demokratie zwischen Konflikt und Konsens Zum Konzept des Politischen bei Jacques Rancière und Claude Lefort (original) (raw)

Demokratie zwischen Konflikt und Konsens - zur politischen Theorie Claude Leforts

2004

Claude Leforts "Mein Anliegen ist die Wiederherstellung der politischen Philosophie" 1nicht gerade bescheiden formuliert Claude Lefort so 1983 das Projekt seines politischen Denkens. Ein wenig überraschend darüber hinaus, bescheinigt man doch allenthalben John Rawls, mit seiner "Theory of Justice" bereits 1971 eine Wiederbelebung der politischen Philosophie geleistet zu haben. Ungeachtet der Tragweite eines solchen Unterfangens fällt die Aufmerksamkeit, die Leforts Schriften außerhalb des französischen Kontextes zuteil wird im Vergleich zur Rezeption der Arbeiten von Rawls gering aus. Jenseits der wie auch immer gearteten Gründe für dieses Rezeptionsgefälle, eignen dem lefortschen politischen Denken Züge, die im angelsächsischen politiktheoretischen Diskurs selten anzutreffen sind. Es sind die Bedingungen der Freiheit, die Lefort weniger durch rationalistische Deduktion als vielmehr mittels ontologisch orientierter Rekonstruktion der demokratischen Gesellschaftsform freizulegen sucht. Dabei erweitert er den demokratietheoretischen Skopus um ein Denken des Symbolischen. Die Bedingungen der Freiheit, das Dispositiv der Demokratie, liegen in einem Zusammenwirken von wirklicher und symbolischer Ebene, von Sichtbarem und Unsichtbarem. In einer stärker bildhaft und narrativ als systematisch verfahrenden Argumentation kehrt Lefort einem rationalistischen Vokabularso den Gehalt des Symbolischen einer demokratischen Gesellschaftsform hervorhebendden Rücken. Nicht allein eine den Mainstream der politischen Theorie kontrastierende Originalität in Form und Inhalt, sondern vor allem der Versuch einer Offenlegung der Bedingungen der Möglichkeit und der Quellen der Gefährdung von Freiheit ist es, um den sich eine Auseinandersetzung mit der politischen Philosophie Leforts lohnt. Vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll, seine Rekonstruktion der demokratischen Gesellschaftsform in fünf Schritten nachzuvollziehen. Zunächst zeigt sich die Unterscheidung zwischen politischer Philosophie und politischer Wissenschaft für das Verständnis des lefortschen politischen Denkens als einer Rückkehr des Politischen wesentlich (1). Sodann entfaltet sich die spezifische Form der Demokratie anschaulich erst vor dem Profil alternativer Weisen der Formierung des Gesellschaftlichen. Aus diesem Grund soll über den Umweg der Monarchie 1 Lefort, Claude (1990): Die Frage der Demokratie, in: Rödel, Ulrich (Hg.): Autonome Gesellschaft und libertäre Demokratie, Frankfurt a.M., 281 (im Folgenden FD abgekürzt).

Zur politischen Philosophie Jacques Rancières

A short essay outlining the principles of Rancière's political philosophy, especially in his major works like 'Disagreement', 'Ten Theses on Politics' oder 'The Politics of Aesthetics'.

Rancière und die (radikale) Demokratie – eine Hassliebe?

Gleichheit, Politik und Polizei: Jacques Rancière und die Sozialwissenschaften, 2018

Jacques Rancière unterhält einen interessanten wie eigentümlichen Demokratiebegriff, dessen Erschließung eine mehrfache Herausforderung darstellt. Sein Ausgangspunkt ist ein Paradox: Die Demokratie steht nicht im Gegensatz zu etwas anderem, sondern zu sich selbst – als vermeintlich ‚gute demokratische Regierung‘, die das angebliche ‚Übel des demokratischen Lebens‘ ordnen und beherrschen muss. Um diese Eigentümlichkeit zu ergründen, wird zunächst das ungewöhnliche Motiv des ‚Hasses der Demokratie‘ behandelt, das einen Schlüssel zu Rancières Verständnis darstellt. Sodann wird das Verhältnis zu Rancières vielleicht emphatischsten Begriff, der Gleichheit, geklärt. Daraufhin wird der implizite Begriff der radikalen Demokratie beleuchtet und eingeordnet, indem er extern von der Postdemokratie abgegrenzt und intern in postmarxistische, neo-athenische und anarchistische Lesarten unterteilt wird. Schließlich wird der Zusammenhang der Demokratie zu ‚der Politik‘ und ‚dem Politischen‘ hergestellt, was in der Diskussion mündet, ob nicht eines oder mehrere dieser Konzepte überflüssig sind, da sie offenbar ineinander aufgehen. Die aus alledem zu ziehende Konklusion gibt Aufschluss darüber, wie es in Demokratiefragen um Rancières Hass und um seine Liebe bestellt ist, und wo sich beides unentwirrbar zu verknüpfen scheint.

Demokratie und Gesellschaft (Tocqueville, Arendt, Rancière)

Gesellschaftstheorie, 2020

Dieses Kapitel zielt auf Demokratie aus einer gesellschaftstheoretischen Perspektive. Im Fokus stehen - exemplarisch für frühe, entwickelte und späte Moderne - die Denker*innen Tocqueville, Arendt und Rancière. Dabei werden systematisierend Vergleichsebenen (bevorzugter Demokratietyp, Totalitarismusbegriff, normative Grundkategorie, Fortschrittsverständnis und Revolutionsbegriff) und verbindende Diagnosen (wie etwa explizit oder avant la lettre zur Postdemokratie) herausgearbeitet.

Kritik der Postdemokratie. Rancière und Arendt über die Paradoxien von Macht und Gleichheit 2011

Leviathan, 2011

Der Artikel vergleicht Jacques Rancières Konzept der Postdemokratie mit Hannah Arendts Kritik der parlamentarisch-repräsentativen Mehrheits-Demokratie. Es wird gezeigt, dass beide ein Verständnis von Demokratie im Sinne einer souveränen, konsensorientierten Volksherrschaft ablehnen, das dem politischen Streit keinen Eigenwert bemisst und tendenziell technokratisch ist. Mit Arendt und über Rancière hinaus entwickelt die Verfasserin ein Konzept der Demokratie, das die Teilung der Macht als unverzichtbares Element der demokratischen Volksherrschaft bestimmt. Entsprechend ist jedes Demokratieverständnis postdemokratisch, das die paradoxen und selbstlimitierenden Effekte der Machtteilung negiert und das Modell souveräner Volksherrschaft als in sich grenzenlos verabsolutiert.

Die Politik als Emanzipation: Ein Kommentar zur Antigone aus der Sicht Rancières

2013 World Congress Proceedings Vol. 69, Political Philosophy

Die Frage, wie man das Politische definieren kann, ist eine der wesentlichen Fragen der gegenwärtigen politischen Philosophie: Was macht eine Handlung oder eine Idee „politisch“ oder „unpolitisch“? Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst bestimmt werden, was das Politische von der Politik unterscheidet. Seit Carl Schmitt gibt es verschiedene Kriterien für diese Unterscheidung. Letztlich hat Jacques Rancière „das Politische“ als Antagonismus zwischen Politik und Polizei definiert und behauptet, ähnlich wie der Ansatz der politischen Anthropologie, dass die Politik außerhalb des Staates möglich ist. In diesem Zusammenhang ist Sophokles’ Tragödie Antigone problematisch, denn es gibt zahlreiche Kommentare, die Antigones Handeln „unpolitisch“ nennen. In diesem Beitrag werde ich versuchen zu zeigen, dass Antigones Position nicht „unpolitisch“ genannt werden kann. Am Schluss werde ich aus der Sicht Rancières erläutern, warum Antigones Handeln „politisch“ ist und wie Politik als Emanzipation und Gleichheit möglich sein kann.