Konstitution einer Sterberolle (original) (raw)
Die Typologie des Sterbehospizes ist von zahlreichen Ambivalenzen geprägt, welche Struktur, Management, Handlungspraxis und Architektur dieser Einrichtungen gleichermaßen betreffen; verschiedene Erwartungshaltungen, Anforderungen und Gegebenheiten stehen einander widersprüchlich gegenüber. Der zumeist nur wenige Tage oder Wochen dauernde Aufenthalt begrenzt die Handlungsspielräume und doch bergen Hospize Potenziale einer qualitätsvollen Begleitung Sterbender, welche aus Gründen des Kapazitätsmangels in anderen stationären Einrichtungen fehlt. Mitunter bieten sie sogar insofern Vorteile gegenüber einem von den meisten Menschen angestrebten Sterben zu Hause, als dass hier eine kompetente und professionelle Unterstützung zur Verfügung steht und das sich zwischen Betroffenen und Angehörigen ergebende Abhängigkeitsverhältnis entlastet werden kann. Im Nachfolgenden werden die sich im Hospiz ergebenden Ambivalenzen, Herausforderungen und Potenziale erörtert. Es wird der Frage nachgegangen, inwiefern die Architektur den Prozessen der Hospizarbeit und deren Gestaltung sinnstiftend Raum geben und inwiefern eine eindeutig als Sterbehospiz lesbare Typologie die Sichtbarkeit dieser Institutionen und damit deren Verankerung in Stadt und Gesellschaft fördern kann. Die Ambivalenzen der Hospizpraxis betreffen im Wesentlichen drei Themenfelder: Zum einen besteht eine Diskrepanz in der Unterschiedlichkeit ihrer Funktion für die verschiedenen Nutzergruppen. Eine Problematik, die für andere pf legerische und medizinische stationäre Einrichtungen gleichermaßen gilt. Zum anderen-diese Schwierigkeit ist Hospizen und Palliativstationen gemeinsam-bedeutet die Begleitung Schwerstkranker und Sterbender eine radikale Veränderung gegenüber der im bisherigen Behandlungsverlauf forcierten kurativen Ausrichtung. Während die Behandlung vorangegangener Krankheitsstadien auf Genesung, Symptombekämpfung oder Verlaufsverzögerung zielt, steht in der Versorgung Sterbender die Linderung von Schmerzen und Beschwerden im Zentrum, während keine weiteren zukunftsorientierten Behandlungsziele avisiert werden. Der Aktionismus kurativen Handelns wird durch eine Handlungskultur des Unterlassens abgelöst; eine Veränderung, die mitunter für die Behandelten, ihre Angehörigen oder Nahestehenden einem sie Aufgeben gleichkommt. Der Wechsel aus der Krankenrolle, welche neben dem Annehmen therapeutischer Angebote auch an die Erwartung der Zuversicht und des Bekämpfens der Krankheit geknüpft ist, in die Rolle des Sterbenden bedeutet eine intensive transitorische Veränderung des Selbstverständnisses, für welche jedoch häufig nur wenig Zeit bleibt. Eine Ambivalenz, welche das stationäre Hospiz grundlegend von Palliativstationen unterscheidet, ist der Anspruch, den Menschen dort ein Zuhause geben zu wollen-eine Erwartung, die sich einerseits mit der Begrenztheit der dort verbleibenden Zeit und andererseits mit dem strukturellen Charakter einer Institution widerspricht.