Afrika, hg. v. Marco Moerschbacher (original) (raw)

Aufsatz Meierhofer Harsdörffer

Gegenhall, Wiederhall, Wiederkehren. Harsdörffers poetologische, dialogische und wissenshistorische Aushandlungen des Echos. In: Wiederholung und Variation im Gespräch des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Nikola Roßbach u. Angela Schrott. Berlin, Boston: de Gruyter 2023 (Historische Dialogforschung, Bd. 6), S. 147-163. https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783111133607/html

Iuba II. von Mauretanien und seine Darstellung Afrikas in den "Libyka"

Zusammenfassung: Iuba II. verfasste zahlreiche Schriften geographischen, zoologischen, botanischen und kulturhistorischen Inhalts. Möglicherweise könnten allerdings die zoologischen und botanischen erhaltenen Fragmente, welche von afrikanischen Tieren und Pflanzen handeln, Teile von Exkursen aus Iubas umfangreichen literarischen Werk über Afrika sein. Die „Libyka“ waren eine umfassende Gesamtdarstellung des afrikanischen Kontinents von den Küsten Westafrikas bis ans Rote Meer. Inbegriffen waren ebenso Teile Nordafrika bis zur nördlichen Sahara, möglicherweise auch Ägypten. Behandelt wurden zudem Nubien, die Gebiete des heutigen Äthiopien, die Küste des Roten Meeres und Ostafrika hinunter vermutlich bis zum nördlichen Madagaskar. Durch die Heirat mit Kleopatra Selene hatte Iuba Zugang zu sämtlichen Quellen aus alexandrinischen Archiven wie etwa Expeditionsberichten. Der Numider war sehr belesen und errichtete eine Bibliothek in seiner Residenz. So ließ er sicherlich von überall her Literatur über seine Interessensgebiete beschaffen. Neben griechisch verstand er auch die punische Sprache, was ihm sehr beim Verständnis der karthagischen Literatur weiterhalf. Bei der Abfassung seiner „Libyka“ ließ Iuba II. alle ihm verfügbaren Quellen über Afrika einfließen. Doch war er nicht nur ein Kompilator in seiner Schreibstube, sondern er wollte eine möglichst aktualisierte Darstellung Afrikas bieten. Er ließ eigene Expeditionen ausrüsten, die auf dem Seewege entlang der atlantischen Küsten Westafrikas bis zu den Kanarischen Inseln, auf dem Landweg zum Atlas und bis in die Sahara führten. Neben diesen Forschungsergebnissen verwendete er auch Berichte von Händlern, möglicherweise auch Berichte von Gesandten auswärtiger Stämme. Trotz des energischen Fleißes, mit dem Iuba II. an die Abfassung seines Werkes ging scheint es, dass sich sein großangelegtes Afrikawerk nur bedingt in der antiken geographischen Wissenschaft durchsetzte. Seit dem Hellenismus waren die Geographen, allen voran Eratosthenes von Kyrene und seine Nachfolger, bestrebt, den geographischen Horizont zu erweitern. Sämtliche Namen von geographischen Fixpunkten, Städten, Ortschaften, Gebirgen und Gewässern waren, wie es scheint, „international“ festgelegt, so dass auch spätere Geographen bis hin zu Strabon keine Verständnisschwierigkeiten hatten. Da Iuba II. nun neben den Ergebnissen eigener Expeditionen auch die verschiedensten anderen Berichte von Nicht-Geographen heranzog und verwertete, erweiterte er auf der einen Seite zwar das Wissen über den afrikanischen Kontinent gewaltig, brachte aber andererseits erheblich viele neue Namen mit ins Spiel, die bislang in der bekannten geographischen Literatur unbekannt und noch nicht berücksichtigt worden waren. Zudem kommt noch die Tatsache, dass einige Geographen wie etwa Strabon grundsätzlich nur sogenannte Standardwerke (Alexanderhistoriker, bedeutende hellenistische Geographen) heranzogen und neuere geographische Erkenntnisse einfach ignorierten. Vor dieser Schwierigkeit stand letztlich auch Plinius d. Ä., als er die Küste Ostafrikas beschreiben wollte. Er hielt sich zwar an die altbekannte eratosthenische Tradition, referierte allerdings zusätzlich die neuere Ansicht Iubas II., so dass der Leser letztendlich entscheiden konnte, welcher Theorie er folgte. Wie es scheint, bildete die hellenistische Geographie das Gerüst für Plinius‘ Afrikabild und Iuba benutzte er größtenteils dort, wo es noch weiße Flecken im geographischen Afrikabild gab, die auszufüllen waren. Nicht viel anders machte es etwa auch Strabon, wenn er über wichtige Besonderheiten fremder Länder schreiben wollte, die seine „Standardautoren“ nicht erwähnt hatten. In diesem Falle benutzte Strabon neuere, „moderne“ Geographen. Offensichtlich scheint es so, dass nach den erhaltenen Fragmenten zu urteilen Iuba II. von Zeitgenossen nicht oder kaum gelesen wurde. Allerdings könnte es möglich sein, dass einige Passagen über Afrika in Strabons siebzehnten Buch auf Iuba II. zurückgehen könnten. Strabon zitiert Juba nur an wenigen Stellen, die einen Bezug zum Leben des Königs haben. In seiner Darstellung Afrikas zitiert er Iuba allerdings nicht namentlich. Während Iubas geographische Ansichten selten von späteren Geographen oder Historikern verwertet wurden, interessierten sich Autoren anderer literarischer Gattungen mehr für seine Informationen zur afrikanischen Mythologie und Zoologie. Gelegentlich unterliefen Iuba auch Fehler, wie sein “Beweis”, dass der Nil seine Quelle in Westafrika habe.

Deutschland im Spiegel Ostafrikas. Hans Paasches Lukanga Mukara (1912/13)

Zeitschrift für Kulturwissenschaften, 2020

"Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland" von Hans Paasche, zuerst 1912/13 als Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift veröffentlicht, markiert einen literaturhistorischer Schlüsselpunkt in der Geschichte der Deutschland-Analysen. Der Beitrag untersucht den Roman zuerst in seiner Rolle als Scharnier zwischen dem literarischen Genre der Persischen Briefe und dem ethnografischen Programm der Feldforschung. Während Montesquieus Briefroman "Lettres Persanes" und die meisten seiner Nachfolger ausschließlich in der Bibliothek entstanden sind, basiert Paasches "Forschungsreise" neben zahlreichen ethnologischen Quellen auch auf eigenen Reisen nach Deutsch-Ostafrika. Zweitens zeigt der Beitrag, wie im Text eine Kritik des Deutschen Kaiserreich von innen, nämlich aus der Perspektive der Reformbewegungen um 1900, in eine Außenansicht verschoben und dadurch plausibilisiert wird. In die mythisch überhöhte Ursprungsgeschichte des Königreichs Kitara projiziert Paasche die Ideale der Lebensreform, die Lukanga Mukara dann in der entsprechenden Bewegung in Deutschland wiederentdeckt. So spiegelt Paasche den Ursprungsmythos eines vergangenen Kitara in der Utopie eines neuen Deutschlands im Geist der Lebensreform, das sich vom Wilhelminismus einerseits, von Konkurrenten innerhalb der Jugendbewegung andererseits absetzt.

James Baldwins Afrika: Vielschichtig verweigerte Vereinnahmungen

Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien, 2019

Mehr als 30 Jahre nach dem Tod James Baldwins haben die gesellschaftspolitischen Analysen des afro-amerikanischen Autors nach wie vor Gewicht. Die umsichtige Bestimmtheit seiner Standpunkte aus der Zeit vor, während oder nach der Hochphase der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung heute zu lesen, macht aktuelle politische Kämpfe um Ressourcen, Macht oder Deutungshoheit nicht nur verständlicher, sondern auch erträglicher. In seinen Essays setzt Baldwin seine eigenen Erfahrungen stets in Bezug zu strukturellen Fragen, stellt seinen eigenen Blick anderen zur Verfügung, um ihnen zu einem tieferen, differenzierteren Verständnis von Macht, Rassismus und Unterdrückung zu verhelfen. Afrika steht nicht im Zentrum von Baldwins Werk; es ist allerdings durchzogen von Bezügen auf den Kontinent, auf seine Bewohner_innen wie auch auf die Imagination ‚Afrika'. Beeinflusst von Begegnungen mit Afrikaner_innen in Paris, dem Einwirken afrikabezogener Diskurse auf afro-amerikanische Debatten und Selbstverständnisse, seinen Afrikareisen oder der Verbreitung problematischer Afrikabilder in den USA reflektiert Baldwin die Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit seiner Herkunft, die Rolle Afrikas innerhalb seiner Identität und die Verwobenheit von Geschichte und Gegenwart. Auf den folgenden Seiten greife ich einige der Stränge auf, die Baldwin in seinem Werk in Bezug auf Afrika entwirft, um ihn dadurch (nicht nur) einem afrikawissenschaftlich interessierten Publikum vertrauter zu machen.

Maurice Halbwachs.

Klassiker der Wissenssoziologie. Band 15. Herausgegeben von Bernt Schnettler, 2009

Die Bände dieser Reihe wollen in das Werk von Wissenschaftlern einführen, die für die Wissenssoziologie -in einem breit verstandenen Sinnevon besonderer Relevanz sind. Dabei handelt es sich vornehmlich um Autoren, zu denen bislang keine oder kaum einführende Literatur vorliegt oder in denen die wissenssoziologische Bedeutung ihres Werkes keine angemessene Würdigung erfahren hat. Sie stellen keinesfalls einen Ersatz für die Lektüre der Originaltexte dar. Sie dienen aber dazu, die Rezeption und das Verständnis des OEuvres dieser Autoren zu erleichtern, indem sie dieses durch die notwendigen biografie-und werkgeschichtlichen Rahmungen kontextualisieren. Die Bücher der Reihe richten sich vornehmlich an eine Leserschaft, die sich zum ersten Mal mit dem Studium dieser Werke befassen will.

Zum Nachlass von Arno Pötzsch

2019

Seinen Nachlass verwaltete zunächst seine Witwe Helene Pötzsch. Sie gab auch kleine Sammlungen ausgewählter Gedichte ihres Mannes heraus, die die von ihm selbst edierten Gedichtbände vervollständigten. Nach ihrem Tod im Jahr 1979 befanden sich die nachgelassenen Dokumente und Materialien verstreut im Besitz der vier Töchter Kathrin, Christiane, Sabine und Renate. Die älteste hatte die Tage-und Notizbücher des Vaters, die dritte Tochter verwahrte einen Großteil des übrigen Nachlasses und kümmerte sich um Angelegenheiten der Rechteverwertung, die bei Publikationen von Pötzsch-Texten zu regeln waren. Die bisherige Forschung über sein Leben und sein dichterisches Werk war begreiflicherweise davon abhängig, dass der Zugang zu unveröffentlichtem Material bis 2018 fast ausschließlich über seine Töchter und über Cuxhaven vermittelt wurde, wo Pötzsch als einer von drei Pfarrern an St. Petri (der früheren Garnisonkirche) amtiert hatte. Das Forscherinteresse konzentrierte sich auf seine geistlichen Gedichte und Lieder, durch die er nach Kriegsende bekannt geworden ist. Wichtige Arbeiten dazu hat der Bad Pyrmonter Pfarrer Detlev Block (geb. 1934) vorgelegt, der selber als Lieddichter hervorgetreten ist. Sowohl er wie auch die Cuxhavener Autorin Sonja Wolff-Matthes (geb. 1930), die im Jahr 2000 ein "Lebensbild" über Pötzsch veröffentlichte, haben auf Material zurückgegriffen, das ihnen im wesentlichen von den Töchtern zur Verfügung gestellt wurde.

Afrika in Schweizer Kinderbüchern

ninleilung Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft sind in Schv¡eizer Kindergeschichten Mitte des zo. Jahrhundefts überaus präsent. Viele Kinderbücher kursieren über nationale Grenzen hinweg und werden von ganzen Kindergenerationen in \íesteuropa gelesen. Dazu gehören unzählige Versionen der Zebn þleinen Negerlein ebenso wie die Kindergeschichten von Missionsgesellschaften,Tirn wnd Strøppiim Kongo ftyr) oder Babar der Elefant þ948). Auch in der Schweiz werden Kinderbücher geschrieben, gezeichnet und veröffentlicht, die Afrika zum Thema haben.' Diese Publikationen widerspiegeln den westeuropäischen Blick auf Afrika, sie lassen aber auch Rückschlüsse auf einen spezifisch schweizerischen Umgang mit Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft zu. Im Folgenden setzen wir uns mit zwei hybriden Figuren auseinander, welche in der Mitte des zo. Jahrhunderts Afrika in Schweizer Kinderstuben und Vorstellungswelten getragen haben: dem beliebten .PaPagei" Globi sowie dem Knaben Nicco, der Hauptfigur einer Geschichte mit clem Titel Kannibale. Als hybrid bezeichnen wir Globi und Nicco, weil beide Figuren sowohl der Schweiz als auch Afrika zugeschrieben werden. Iülie wir zeigen werden, verweist die Verknüpfung von afrikanischen und schweizerischen Elementen aber in beiden Fällen zurück auf ein eurozentrisches Afrikabild. Anders als bei Homi Bhabha, welcher den Begriff der Hybridität entwickelt, um Formen des'ùØiderstehens und der Ambivalenz im kolonialen Kontext deutlich zu machen,' ist die hybride, afrikanisch-schv¡eizerische Herkunft von Globi und Nicco durch eine weitgehende Abwesenheit der Auseinandersetzung mit afrikanischen Anderen gezeichnet. r Für eine aktuelle Diskussion der Afrikabilder in Kinderbüchern siehe dos Santos Pinto Jovita: Kinderbücher in der Afrikafalle, http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buecher/ Kinderbuecher-in-der-Af¡ikafalle/ sroty / z8 46148 (Zugriff am zo' 4. zot z). z Bhabha Homi K.: Die Verortung der Kultur, Tùbingen zooT.Fttr eine kritische Sicht auf die Rezeption des Hybriditätsbegriffs siehe: Terkessidis Mark Globale Kultri,'in Deutschland. Oder: \Øie unterdrückte Frauen und Kriminelle die Hybriditât retten, .in: parapluie, 6 (tSgù, S. r-rz; Hà Kiên Nghi: Hype um Hybridität: kultureller Differenzkonsum und postmoderne Verwerilngstechniken im Spätkapitalismus, Bielefeld zoo¡.

Kleiner Mann auf Reisen. Erich Honecker auf Staatsbesuch in Afrika.

Die Ankunft des Anderen. Empfangszeremonien im interkulturellen und intertemporalen Vergleich, 2008

Honecker war ein kleiner Mann auf der großen Bühne des weltpolitischen Geschehens. Die Welt des Kalten Krieges war in Supermächte und Blöcke geteilt. In dieser großformatigen politischen Landschaft fand die seit ihrer Gründung um internationale Anerkennung ringende DDR nur wenig Gehör und noch weniger eigenständige Statur. Außenpolitisch war das Land weitgehend von Weisungen aus Moskau abhängig und zudem in einem ungleichen außenpolitischen und ökonomischen Wettstreit mit dem »Wirtschaftswunderland« Bundesrepublik verfangen. Die Afrika-Politik der DDR ist ohne diese Konstellation nicht zu denken. Wirtschaftliche Interessen standen für die ostdeutschen Außenpolitiker im Vordergrund. In Afrika sollten der DDR neue Absatzmärkte erschlossen und Rohstoffe devisenfrei gesichert werden. 1 Es ging aber auch um die außenpolitische Anerkennung der DDR und den Export sozialistischer Ideologie nach Afrika. Die Unterstützung der nach Unabhängigkeit strebenden Staaten Afrikas wurde, soweit sie einen sozialistischen Weg einschlagen wollten, in vielen Fällen mit der Aufforderung verbunden, am Kalten Krieg auf Seiten des Ostblocks teilzunehmen.

Einleitung: Afrika im 20. Jahrhundert

Afrika im 20. Jahrhundert: Geschichte und Gesellschaft, 2011

Die vorangestellte Einschätzung eines herausragenden Afrikahistorikers der Gegenwart kann als geeigneter Ausgangspunkt dienen, um in eine Geschichte Afrikas im 20. Jahrhundert einzuführen. Fraglos ist Afrika in die Welt von heute verflochten, doch auf sehr spezifische Weise. Die ökonomische Integration Afrikas in das kapitalistische Weltsystem ist Frederick Cooper zufolge weder vielfältig noch verschiedenartig, sondern einbahnig und eindimensional, gewissermaßen »einfältig«. Sie basiert auf Exportanbindung einerseits, auf dem reichlichen Vorhandensein einiger nachgefragter Rohstoffressourcen andererseits. Daraus ergibt sich eine ausgeprägte Abhängigkeit Afrikas von internationalen Märkten und Machtverhältnissen. Gleichzeitig wird Afrikas Bedeutung für den Weltmarkt und noch viel mehr für die Weltpolitik gegenwärtig äußerst gering eingeschätzt. Wiewohl sich diese Einschätzungen angesichts demographischer Entwicklungen und Migrationsbewegungen womöglich bald verschieben werden, spricht mancherlei für sie.