Gemeinsame Hilfspflichten, Weltarmut und kumulative Handlungen (original) (raw)

2017, Zeitschrift für Praktische Philosophie

Pfl ichten der Armutsbekämpfung werden häufi g als kollektive oder gemeinsame Hilfspfl ichten dargestellt. Auf den ersten Blick ist diese Idee überzeugend: Da Welt armut ein Problem ist, das sich nur durch eine gemeinsame Anstrengung erfolgreich lösen lässt, sollte dessen Bekämpfung als kollektive Pfl icht vieler angesehen werden. Was aber kann mit einer kollektiven Pfl icht genau gemeint sein? Dieser Aufsatz führt eine Unterscheidung von genuinen und kumulativen kollektiven Handlungen ein. Genuin kooperative Handlungen erfordern genau aufeinander abgestimmte Beitragshandlungen, während kumulative Handlungen durch unabhängige Beiträge ausgeführt werden können. Die Pfl icht der global Wohlhabenden, Weltarmut zu bekämpfen, ist keine Pfl icht, genuin gemeinsame Handlungen zu vollziehen. Stattdessen ist für die meisten Einzelakteure die beste Handlung die Beteiligung an bereits etablierten kumulativen Gemeinschaftshandlungen. Unsere Pfl icht, Geld an geeignete Organisationen zu spenden, ist eine Beitragspfl icht zu einer kumulativen Handlung. Durch kollektive Handlungen können Schwellen-als auch Steigerungswerte produziert werden. Nur dort, wo Schwellenwerte erzeugt werden, ist die gemeinsame Hilfspfl icht nicht distributiv, d.h., sie ist auf der Gruppenebene angesiedelt. Dies triff t auf Pfl ichten sowohl zu genuinen Gemeinschaftshandlungen als auch zu kumulativen Gemeinschaftshandlungen zu. Ich schlage vor, diese Pfl ichten stark kollektive Pfl ichten zu nennen. Wenn jedoch ein Steigerungswert erzeugt werden soll, ist die Lage weniger eindeutig. Hier richtet sich die Höhe der Gesamtleistung ausschließlich nach der Summe des individuell Zumutbaren, ohne dass die Situation selbst klare Erfüllungsparameter vorgibt. Die Höhe der Gesamtpfl icht leitet sich von auf der individuellen Ebene bestimmten Beitragspfl ichten ab. Ich schlage vor, diese Pfl ichten schwach kollektive Pfl ichten zu nennen. Daraus ergibt sich, dass wir-die Wohlhabenden-nur im schwachen Sinne eine gemeinsame Pfl icht haben, zur Bekämpfung von Weltarmut beizutragen. Die Pfl icht ist gemeinsam in dem Sinne, dass kollektive Notwendigkeit besteht, und in dem Sinne, dass wir zu beste