Magische Krankheitsdeutung im 16. Jahrhundert. Eine Fallstudie zum „Arenbergische prothocollum und anzeignus, was den underthanen dero graveschafft Arenberg ahn schaden wederfharen, darin vermutung tragen, etwan durch unholden beschehen sein solle“ (1593) (original) (raw)

2004, Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 49 (2004), pp. 229-255

Im Zentrum der Fallstudie zu Krankheitswahrnehmung und Krankheitsdeutung, die eine Hexenprozesswelle von 1593 in der gefürsteten Grafschaft Arenberg (Eifel) in den Blick nimmt, steht das Arenbergische "prothocollum und anzeignus, was den underthanen dero graveschafft Arenberg ahn schaden wederfharen, darin vermutung tragen, etwan durch unholden beschehen sein solle": eine umfangreiche, etwa 250 Folio-Seiten füllende und nach Siedlungseinheiten gegliederte Befragung aller Haushalte der kleinen gefürsteten Eifelgrafschaft über Schadensfälle der Vorjahre, von denen die Befragten annahmen, dass sie auf Schadenzauber beruhten, mithin auf den Anschlägen von Hexen und Zauberern, den "unholden". Das Dokument bietet in seltener Intensität Einblicke, wie eine agrarisch geprägte Gesellschaft in der Eifel im späten 16. Jahrhundert über Schadenzauber und Magie dachte, wie sie bestimmte Krankheitsphänomene bei Tier und Mensch wahrnahm und interpretierte, wie sich Wahrsager und magische Heiler als Hexenjäger profilierten, und dokumentiert auf diese Weise zahlreiche Aspekte, die bei der Genese eines Hexereiverdachts Bedeutung erlangten. Aufgabe der Studie ist es, die Akte unter dem Aspekt der Krankheitswahrnehmung und -deutung auszuwerten. Das Arenbergische "prothocollum" diente als Materialgrundlage für eine Kette von Hexenprozessen gegen insgesamt 13 Angeklagte, die zwischen Ende August und Ende Oktober 1593 in der gefürsteten Grafschaft Arenberg vor Gericht standen.